Arsen-Bakterien

Hallo!

Gestern habe ich Gerüchte gehört, dass die Nasa Aliens gefunden hat (und natürlich nicht geglaubt).

Heute kam in den Nachrichten, dass es keine Aliens seien, aber immerhin irdische Bakterien, die so exotisch seien, dass man das „Buch des Lebens“ umschreiben müsse. Als ich das hörte, dachte ich: Entweder übertreibt da einer maßlos oder der Nobelpreis 2011 ist schon vergeben.

Schließlich habe ich bei Spiegel-Online diesen Artikel gefunden: http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/0,1518,7325…

Plötzlich hört sich das gar nicht mehr so spektakulär an. Es handelt sich offensichtlich um extremophile Bakterien (da kennt man ja schon einige) die immerhin (!) fakultativ Arsen statt Phosphor verwenden können.

Weiß jemand, wo man da an seriöse wissenschaftliche Informationen kommt? Mich würde z. B. folgendes interessieren:

  • Wird das Arsen nur in den Nukleinsäuren verwendet oder auch z. B. für die Phospholipide („Arsenolipide“)?

  • Welche stereochemischen Auswirkungen hat die Verwendung von Arsenat statt Phosphat auf die Struktur und Funktion der Doppelhelix?

  • Wie wurde die Verwendung von Arsen für Biomoleküle nachgewiesen? (Ich meine nicht die Arsen-Toleranz. Das zu zeigen ist vermutlich überhaupt nicht schwer …)

Michael

Hallo Michael,

evtl. kannst Du Dich hier mit den entsprechenden Experten vernetzen:
http://www.researchgate.net

Viele Grüße
Eve*

Huhu!

Plötzlich hört sich das gar nicht mehr so spektakulär an. Es
handelt sich offensichtlich um extremophile Bakterien (da
kennt man ja schon einige) die immerhin (!) fakultativ Arsen
statt Phosphor verwenden können.

Das dachte ich auch, als ich die Nachrichten las.

Weiß jemand, wo man da an seriöse wissenschaftliche
Informationen kommt? Mich würde z. B. folgendes interessieren:

Das ist ein Science-Paper, im Moment noch auf der Titelseite:
http://www.sciencemag.org/
Da es da nicht ewig bleiben wird, hier der Link zum Artikel, da braucht man aber entweder ein Abo, Geld oder einen Unizugang zu:
http://www.sciencemag.org/content/early/2010/12/01/s…

Ich habe das Paper gerade nur mal überflogen.

  • Wird das Arsen nur in den Nukleinsäuren verwendet oder auch
    z. B. für die Phospholipide („Arsenolipide“)?

Anscheinend schon … zumindest haben sie in Zellstämmen mit radiomarkiertem Arsen Radioaktivität in der Lipidfraktion gefunden.

  • Welche stereochemischen Auswirkungen hat die Verwendung von
    Arsenat statt Phosphat auf die Struktur und Funktion der
    Doppelhelix?

Haben sie nicht getestet.
Sie haben eine Probe aus einem alkalischen Arsenhaltigen See gezogen, und die auf kontinuierlich PO43--freieren und AsO43--haltigeren Medien angereichert, bis sie zum Schluss einen Stamm hatten, der auf einem sehr P-freien Medium wachsen konnte, dann haben sie die exzessiv mit Massenspektrometrie bearbeitet.

  • Wie wurde die Verwendung von Arsen für Biomoleküle
    nachgewiesen? (Ich meine nicht die Arsen-Toleranz. Das zu
    zeigen ist vermutlich überhaupt nicht schwer …)

Massenspektrometrie und Wachstum auf einem Medium, das nur Spuren von P enthielt, vermutlich aus Verunreinigungen der verwendeten Chemikalien.
Die Zellen hinterher enthielten ungefähr 0,1-0,2 Gewichts-% P.

Der Schlusssatz ihres Papers ist auch „How arsenic insinuates itself into the structure of biomolecules is unclear, and the mechanisms by which such
molecules operate are unknown.“

Insgesamt liest sich das Paper auch wesentlich weniger aufgeregt, als das Medienecho.

(Um es vernünftig zu zitieren: „A Bacterium That Can Grow by Using Arsenic Instead of Phosphorus“, Felisa Wolfe-Simon, et al., Science DOI: 10.1126/science.1197258)

Viele Grüße!
Ph.

Hallo!

Erstmal herzlichen Dank! Der Einzelartikel kostet bei Science $15. Das halte ich dann doch für einen stolzen Preis. Da lasse ich mal lieber meine Kontakte zu ner Uni spielen …

Bis dahin ist mir noch eine andere Fragen eingefallen:

Weiß man schon, wo das Bakterium systematisch einzuordnen ist? Da ich noch nirgends Archaea gelesen habe, vermute ich Eubacteria. Weißt Du es noch ein bisschen genauer?

Was mich bisher am meisten überrascht, ist dass die chemische Grundstruktur von Biomolekülen weniger konservativ ist, als beispielsweise der genetische Code. Oder gibt es irgendwelche Anzeichen dafür, dass in diesem Bakterium irgendwas ganz anders abläuft als in „normalen“ Bakterien?

Gruß, Michael

Huhu!

Erstmal herzlichen Dank!

Bitte, gerne!

Bis dahin ist mir noch eine andere Fragen eingefallen:

Weiß man schon, wo das Bakterium systematisch einzuordnen ist?
Da ich noch nirgends Archaea gelesen habe, vermute ich
Eubacteria. Weißt Du es noch ein bisschen genauer?

Im Paper steht das wäre eine Halomonadaceae, die wiederum zu den Proteobacteria gehören, also eine Bakterie.

Es würde mich nicht schrecklich überraschen, wenn da demnächst noch andere Organismen gefunden werden.
Sie haben sich den Organismus, den sie da angereichert haben ja nicht absichtlich ausgesucht, sondern einfach eine Probe genommen, und geschaut, welcher Mikroorganismus sich durchsetzt.

Was mich bisher am meisten überrascht, ist dass die chemische
Grundstruktur von Biomolekülen weniger konservativ ist, als
beispielsweise der genetische Code. Oder gibt es irgendwelche
Anzeichen dafür, dass in diesem Bakterium irgendwas ganz
anders abläuft als in „normalen“ Bakterien?

Hmmm, die Zellen sind größer, wenn sie auf Arsen wachsen, und bilden vacuolenähnliche Strukturen aus.
Und sie scheinen Poly-β-Hydroxybutyrat zu benutzen, um die Arsenolipide in ihren Membranen zu benutzen, da As-O-C-Bindungen anscheinend stabiler sind, wenn sie in einer weniger wässrigen Umgebung sind.

Was m.E. für eine evolutionäre Anpassung an Substitution von P durch As spricht.

Wobei die Verwendung von Poly-β-Hydroxybutyrat nicht sehr überraschend ist, das ist eine Verbindung, die man häufig findet, und alternative polare Lipide in Phosphatmangelformen sind auch bekannt (z.B. Aminolipide, in denen Aminosäuren die polaren Reste sind.)

Frage mich da aber bitte nicht nach einer vernünftigen Quelle, das hat unser Dozent in seiner Extremophilen-Vorlesung gesagt.

Was mich sehr überrascht hat ist das der ATP-Stoffwechsel mit ATAs noch funktioniert. Meines Wissens nach sind die Bindetaschen der ATP-verarbeitenden Enzyme doch sehr gut an ATP angepasst. Und die Toxidizität von Arsen ergibt sich ja eigentlich daraus, das Arsen in den ersten katabolischen Schritten statt Phosphat benutzt wird, was dann aber zu Inkompaktibilitäten in späteren Schritten führt.

Bis jetzt gibt es einfach keine Daten, ob die Organismen biochemisch irgend etwas ganz anders machen als orthodoxe Organismen.

Viele Grüße!
Ph.

1 Like

Hallo nochmal

Im Paper steht das wäre eine Halomonadaceae, die wiederum zu
den Proteobacteria gehören, also eine Bakterie.

Tja, Mikrobio war … sagen wir mal: … nicht unbedingt mein Steckenpferd :wink: Mal sehen, was ich damit anfangen kann.

Was mich sehr überrascht hat ist das der ATP-Stoffwechsel mit
ATAs noch funktioniert. Meines Wissens nach sind die
Bindetaschen der ATP-verarbeitenden Enzyme doch sehr gut an
ATP angepasst. Und die Toxidizität von Arsen ergibt sich ja
eigentlich daraus, das Arsen in den ersten katabolischen
Schritten statt Phosphat benutzt wird, was dann aber zu
Inkompaktibilitäten in späteren Schritten führt.

Fragen, die sich da anschließen würden:

  1. Sind die ATPasen so unspezifisch oder gibt es in den Bakterien neben den ATPasen auch ATAasen?

  2. Gibt es nur ATP und ATA oder beispielsweise auch Adenosin-P-P-A, Adenosin-A-P-A usw.?

  3. Gibt es auch cAMA und cGMA (analog zu cAMP und cGMP) als Second Messnger?

  4. Funktionieren Proteinkinasen auch mit Arsenat?

Richtig schön wäre jetzt noch ein Bakterium, das nicht fakultativ sondern obligat auf As angewiesen ist. Schon spannend…

Um auf die Aliens vom Anfang zurück zu kommen. Irgend ein schlauer Mensch wurde mal gefragt, wie denn wohl Aliens aussehen werden. Er sagte sinngemäß: „Bestimmt nicht so wie in Science-Fiction-Filmen. Sie wären vielleicht sogar so fremdartig, dass wir sie gar nicht als Lebewesen erkennen würden.“

Michael

Ich habe ein Interview mit einem Wissenschaftler der Mikrobiologie Uni Marburg, leider den Namen wieder vergessen, gehört. Dieser hat die Analysen sehr angezweifelt. In den Analysen der DNA war nach seinen Worten immer noch mehr Phosphor als Arsen. Er hat das auf eine erworbene Toleranz gegen die hohen Arsenkonzentrationen in dem See angesehen, kein Ersatz von P durch As in der DNA.
Udo Becker

Huhu!

Ich habe ein Interview mit einem Wissenschaftler der Mikrobiologie Uni Marburg,
leider den Namen wieder vergessen, gehört.

Du meinst dieses Interview?
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/forschak/1334265/

Naja, der gute Mann hat durchaus recht, wenn er sagt, das man mit Zweifel an die Ergebnisse drangehen muss.

Das die Studie nochmal wiederholen werden muss, und das Bakterium noch wesentlich genauer untersuchen werden ist klar - und dass das Medienecho ein sehr geschickter PR-Schachzug der Arbeitsgruppe war, auch.

Die Datenlage ist ohne Zweifel verbesserungswürdig.
Was mich da sehr gestört hat, ist das sie es nicht geschafft haben, ein phosphorfreieres Medium herzustellen.

Was mich überzeugt hat, das sie da zumindest etwas untersuchenswertes gezeigt haben, ist Tabelle 1.
Da zeigen sie die Wachstumskurven des Stammes auf drei Nährmedien, die ansonsten identisch sind, nur das einem Phosphor zugegeben wurde, einem Arsen, und bei einem beides fehlt - und auf dem letzteren wachsen die Viecher nicht.

Das zeigt, das die Phosphorverunreinigungen in den Medien nicht ausreichen, um den Stamm alleine wachsen zu lassen. Was wiederum bedeutet, das GFAJ-1 zwar eventuell geringe Spuren von Phosphor braucht, aber das Arsen ihm zumindest irgendwie dabei hilft, mit wenig Phosphor auszukommen.

Spannend ist die Studie trotz aller Mängel trotzdem.

Nur das Medienecho ist übertrieben:
Sie haben da gezeigt, das ein Bakterium sich daran anpassen kann, mit extrem wenig (oder evtl. sogar keinem) Phosphor auszukommen.
Ansonsten ist das Viech aber einigermaßen normal - es benutzt eine orthodoxe Biochemie, inklusive DNA und RNA, es benutzt auch die normale Codesonne.

D.h. es ist „life as we know it“, mit einigen (wengleich wichtigen) Modifikationen.

Die große Frage ist aber, ob es „life as we don’t know it“ gibt, das z.B. keine DNA benutzt, oder eine andere Codesonne, oder nicht ATP als Energieträger.

Und das haben sie explizit nicht gefunden.

Viele Grüße!
Ph.

1 Like

Hallo zusammen,
ein Argument das m E. in diesen Zusammenhang viel zu wenig betont wird ist die ueberaus grosse Ähnlichkeit der Elementpaare Si/Ge, P/As und S/Se und zwar sowohl strukturchemisch als auch hinsichtlich ihrer Reaktivitäten. Dabei ist die Analogie S/Se sogar schon in der Biologie bei der (essentiellen?) Amionasäure Selenocystein bekannt. Si spielt biologisch keine grosse Rolle und Ge ist viel zu selten. Aber As weist weist wieder eine hohe Bioaktivität auf. Allein die Tatsache, dass es bei höheren Organismen Krebs erzeugt, lässt den möglichen Einbau in die DNA vermuten (als [AsO4]3-). Dass, es nun einige Hardcore-Organismen gibt sich sich langsam eine immense As-Toleranz „anevolviert“ haben ist zwar spektakulär aber deshalb allein schon von einer Art von Xeno-Lebensform oder dgl. zu sprechen halte ich doch fuer recht gewagt.

Gruss
r

Du meinst dieses Interview?
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/forschak/1334265/

Genau !
Udo Becker