hallo Annika!
Ich hoffe ich stoße keine Welle der Empörung an aber:
Ist der aktive Artenschutz nicht wieder die Evolution?
Ich bin ja bekennende Evolutionsanhängerin und vor allem Ökologin auf Horizonterweiterung. Daher kenne ich die Fragen die du dir stellst und finde sie nicht schlimm. Ich glaube wenn man sich ernsthaft mit beiderlei materie auseinander setzt wird man früher oder später immer vor der Frage stehen
Ich hab auch schon in Gedanken damit jongliert.
In der Vergangenheit sind viele Arten gekommen und gegangen.
Wir Menschen sind nicht die ersten, die für Massensterben der
Arten gesorgt haben
Das stimmt, es gab mehrere große Aussterbeevents…eines der größten war wohl, als sich die Kontinente zum letzten Urkontinent, der Pangäa vereinten. Da starben fast 90% der Arten aus, unter anderem weil sich quasi alle fast Arten ohne natürliche Barrieren gegenseitig konkurrieren konnten (auch wegen einem großen bereich mit Wüstenklima im inneren des Riesenkontinents bzw der allgemeinen Klimaverschiebung), und wirklich nur die Handvoll der stärksten überlebten. In gewissen Bereichen erschafft der Mensch vergleichbare Bedingungen wie einen einzigen großen Kontinent durch seine Globalisierung. Besonders im Insektenreich und in den Weltmeeren ist ein großes Tohuwabohu. Das lässt sich eh nicht mehr aufhalten.
Die starken Anpassungsfähigen Lebewesen haben überlebt =
survival of the fittest = das Prinzip der Evolution.
Richtig. Das würde auch heutzutage passieren. Ich bezweifle, dass der Mensch es schaffen würde, alles Tiere auszurotten bevor er geht… einige werden überleben, und da eben die besonders anpassungsfähigen, die sich auch mit dem Leben in der Stadt arrangieren können. Aber auch das würde nur eine Handvoll sein, eine verschwindend geringe Menge der ursprünglichen Auswahl…gut, könnte man schlussfolgern, wenn das halt so ist, ist es halt so…
Wenn wir nun aber Arten aktiv am Aussterben hindern, (ob sie
nun durch unser Verschulden oder klimatische Veränderungen
bedroht sind)
Da steht ja eh erst mal die Frage, ob nicht sowieso beides unser Verschulden ist oder nicht…
verhindern wir damit nicht auch die Entstehung
neuer Arten und die Weiterentwicklung (Anpassung) der
bestehenden Arten?
Das mag ich kaum glauben… klar findet Artentstehung statt, aber ich denke in einem so geringen Ausmaß heutzutage… zumindest an den Stellen wo die Tiere aussterben…denn dort verändern sich die Umweltbedingungen derzeit so rasant. Ich denke, die anpassungsfähigsten Tiere sind ja die, die oft auch schneller evolvieren… und dadurch eben den Vorteil haben. Und die Tiere werden eh nicht besonders geschützt. das heißt, wenn man die europäische Stockente in ein land bringt, wo sie sich munter mit den dort ansässigen Entenarten hybridisiert und selbst einfach ausbreitet, hat man Am Ende einfach eine große graue Masse an Stockentenhybriden, die immer mehr in einer Art verschwimmen…
ABER dürfen wir Tiere vor dem Aussterben bewahren, wenn
sie doch im ökologischen Gleichgewicht das zur Zeit herrscht
alleine nicht überleben können?
Ich sehe die Frage weniger im dürfen, als darin, ob es Sinn macht
Zeigt das nicht, dass sie nicht zu den „fittesten“ gehören und
damit ausselektiert werden?
Naja, wenn man danach geht, wird der Mensch sie die Erde bald einzig mit Kakerlaken, Stubenfliegen und Ratten teilen…und das wohl auch nicht mehr lange, weil er nämlich der erste sein wird, der als nächstes das zeitliche segnet. (ja ich weiß, überspitzte Darstellung)
Dürfen / Sollten wir Menschen uns als ökologischen
(biotischen) Faktor denn so von anderen Tieren abheben, dass
wir schon annehmen ein sterben einer Art durch unser
Verschulden sei nicht „natürlich“??
Das ist das Problem. Viele Menschen reden davon, wir unnatürlich der Mensch ist, wie unnatürlich er sich verhält…das sehe ich entschieden anders. Der Mensch ist genauso natürlich oder unnatürlich wie andere Tierarten auch…die meisten EIgenschaften und Verhaltensweise finden sich auch im Tierreich wieder… auch die großflächige Lebensraumänderung (Stichwort Biber).
Aber, wenn die Zerstörung der Natur durch den Menschen natürlich ist, warum nicht auch die Erhaltung? Es ist ein ebenso vom Tier Mensch ausgeübter Akt mit einem sehr natürlichen Hintergrund…die Selbsterhaltung.
Ist es denn für ein anderes Tier vorstellbar, es würde andere
Tiere schützen (Affen würden keine Termiten mehr fressen damit
diese nicht aussterben?!) - wäre das nicht viel
unnatürlicher?!
Nein. Um genau zu sein, machen das Tiere in einem gewissen Rahmen. Wenn es wenige Mäuse gibt, wird die Eulenpopulation zwangsweise abnehmen. Und wenn die Mäuse sich dann wieder explosionsartig vermehrt haben, wird es wieder mehr Eulen geben. Tiere in einem eingespielten ökologischen System löschen sich in der Regel nicht gegenseitig aus, ohne äußere Einwirkung (Mensch, Katastrophen etc).
Der Unterschied ist halt, dass bei den Tieren dieses Programm ohne bewusste Entscheidung abläuft. Der Mensch muss sich bewusst für den Naturschutz entschließen, wenn er sich nicht irgendwann selbst die Lebensgrundlage nehmen will. Eulenpopulation, die fressen könnte, bis ihre Beutetiere ausgestorben sind, wäre ebenfalls zum aussterben verdammt. Das kann sie Gott sei dank in einem normalen System nicht…der Mensch ist dazu in der Lage. Aber der Vorteil des Menschen ist, dass er in die Zukunft planen kann.
Sind wir es den Tieren nicht viel mehr schuldig, sich durch
Anpassung an die sich verändernden klimatischen Zustände
weiter entwickeln zu lassen?
Wie gesagt, das wird so nicht passieren.
Wenn wir mal ein Szenario ablaufen ließen, in dem der Mensch mal völlig planlos nur seine akuten Interessen verfolgt, ohne den Blick in die Zukunft zu richten (ist ja immernoch weitverbreitet dieser Lebenstil). Irgendwann in naher Zukunft wären die Regenwälder weg, die Meere leergefischt, auf den Kontinenten würde sich eine zunehmend uniforme Flora und Fauna ausbreiten mit wenigen dominierenden Arten. Viele tausende von Arten würden aussterben. Vermutlich erst mal im kleinen, da sich diese Arten leichter verbreiten. Dann würden ganze Ökosysteme zunehmend zusammenbrechen, weil ihnen der Boden unter den Füßen weggezogen wurde. Die meisten Arten würden verschwinden.
Gleichzeitig würden sich andere Arten zunehmend vermehren und festsetzen (Mäuse, Ratten, Marder, Krähen, ebenso eine feste Pflanzenwelt…die üblichen Verdächtigen), da sie konkurrenzlos florieren könnten. Uns kratzt das alles nicht…wir haben unsere Felder mit Getreiden, unsere Masttiere, Nutzwälder in Monokultur. Wir können prima damit leben. Uns fällt bestimmt auch noch ne super Variante ein, die nächste Milliarde Menschen auch noch zu ernähren irgendwie. Kein Ding.
Aber nicht nur bestimmte Pflanzen und Tierarten können sich ungehemmt ausbreiten…auch Schädlinge, deren Jäger plötzlich ausfallen. Monokulturen machen das ganze noch leichter, wie toll! Super, machen wir uns doch mal über die Felder her. Och schade…haben die Menschen nichts mehr zu essen?..Naja, man hat ja noch das Vieh…aber halt, was bekommen die dann zu fressen? Mist, das wird ja na hübsche Hungerstrecke für uns, bis sich das wieder einrenkt. Oh, und in den immer größer werdenden Populationszentren ist wiedermal ne Seuche ausgebrochen, oder eine neue Gesellschaftskrankheit die tausende dahinrafft? Wie blöd, dass wir nicht mehr darauf hoffen können in der Natur noch etwas vielversprechendes zu entdecken, das was noch da ist, kennt man ja schon. Na mal gucken ob wir so im Labor noch was hübsches hinbekommen…
… Das Problem ist sicherlich nicht, dass der Mensch die Entstehung neuer Arten verhindert…bzw ist das wohl ein wesentlich kleineres Problem, als das, dass er ein massive Massensterben verursachen kann.
Das wird auch weder die Natur bewegen, die trotzdem ihren Weg gehen wird, auch wenn wir mal weg sind, noch den Planeten, noch das Sonnensystem das eh von einem Anfang unbeirrt einem Ende entgegenkreist. Sondern den Menschen selbst.
Der Mensch ist in der Lage zu reflektieren, und der Mensch will nicht sterben. Wenn es nicht um der Natur Willen Sinn macht, die Natur zu schützen, dann um der Menschen selbst willen.
Das Szenario oben halte ich für nicht so unrealistisch. Ich habe sogar viele Bereiche weggelassen, die man bedenken sollte. Die Frage, in wie weit der Mensch einen für uns ungünstigen Klimawandel beschleunigt steht noch im Raum (ich persönlich glaube dran), und man sollte nicht vergessen, dass der Mensch auch ein Genusstier ist. Ich weiß nicht wie sich das auf die Psyche der Menschheit auswirkt, in einer völlig zerschlissenen Umwelt zu leben.
Man kann den Fakt, dass der ganze Planet, mit allem was drauf ist eh irgendwan nicht mehr sien wird nicht ändern. Man kann es auch nicht ändern, dass bestimmte Dinge auf der Erde vom Menschen nicht verhindert werden können… wenn die Erde nun mal zwischen Eiszeiten und Warmzeiten pendelt ist das so. Aber es gibt Dinge, die kann der Mensch sehr viel schlechter machen als sie sind…zB die Zeit, die bleibt und wie man bis zum Untergang leben will (mal als Menscheit als ein großes Kollektiv gesprochen). Oder die Möglichkeiten die er sich verbaut…
Bitte denkt nicht, ich wäre nicht Tierlieb aber helft mir die
Stellung des Menschen in diesem Ökosystem besser zu verstehn!
Kurz gesagt, wenn es ans eingemachte geht, ist der Mensch genauso hilflos wie jede andere Art auch. Aber der Mensch will wie jede andere Art auch überleben… also sollte er schon aus Selbstschutz versuchen nicht alles dem Erdboden gleich zu machen.
Ich für meinen Teil sehe die Natur allein um ihretwillen als schützenswert, ohne den tieferen Zweck meiner Art dahinter zu sehen.
lieben Gruß
aj