Hallo,
also in der Küche haben Sie vermutlich einen Cushion-Vinyl entfernt. Dieser „PVC“ besteht auf der Unterseite aus einer Pappe mit >90% Asbest. Dieser Boden musste verklebt werden. Der Kleber besteht vorwiegend aus Bitumen (schwarz, gelegentlich braun) und enthält große Mengen PAK (Polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe) und Asbest. Bitumenkleber war selten vom Werk her mit Asbest versetzt, ABER: Asbest enthält der Kleber durch den Lösungsmittelanteil im Kleber selbst. Das Asbest wird aus der Asbestpappe (Unterseite des Cushion-Vinyl) durch die Lösungsmittel gelöst und geht in den Kleber über. PAK ist eindeutig krebserzeugend. Besonders bei Kindern in der oralen Phase ist PAK gefährlich, weil er sich an den Hausstaub bindet und von den Kleinen beim Spielen leicht aufgenommen wird.
Ich könnte Sie jetzt beruhigen, aber die Fakten sehen leider nicht so aus. Hier ist der schlimmste Fall eingetreten. Man muss sich hier ernsthaft Gedanken machen und kann nicht beruhigen oder ignorieren.
Durch die Putzfräse und das Herausreißen des Cushion-Vinyl haben Sie vermutlich große Mengen Asbest im ganzen Haus als Feinstaub verteilt. Das Zeug sitzt auch auf Tapeten und überall dort, wo sich Staub ablagern kann. Ein Fachmann würde in Ihrem Fall ausschließlich eine Feinreinigung (inkl. Tapeten absaugen) mit einem H1-Sauger (Industriesauger für Asbest) empfehlen. Hausstaubsauger geht nicht, auch nicht mit HEPA-Filter, da diese Filter die Asbestfasern nicht festhalten können und die Fasern wieder in die Luft abgegeben werden. Eine gründliche Nassreinigung (wirklich gründlich und nass) mit allen Ecken und allen Flächen kann die Belastung auch merklich verringern.In jedem Fall muss der Staub weg, weil er durch Energie (Zugluft, etc.) wieder in die Raumluft gelangt, sich verteilt und damit in Ihre Lunge kommt. Es gibt keinen „vertretbaren Bereich“ bei einer unkontrollierten Asbestsanierung bzw. Faserfreisetzung.
Was Asbest im Körper anrichten kann, haben Sie sicher schon gelesen und leider ist es ein Fakt, dass theoretisch bereits eine Faser einen Entzündungsprozess auslösen kann, der letztlich zu Krebswachstum führt.
Beruhigen kann ich Sie nur so, dass auf der gesamten Welt eine Hintergrundbelastung vorliegt, die es unmöglich macht, nicht mit Asbest (ist ein natürliches Mineral) in Kontakt zu kommen, auch wenn man nix im Haus hat. Daher ist der Satz von „eine Faser kann tödlich sein“ eben theoretisch. Asbestfasern in Wohnräumen sind aber kritischer bzw. gefährlicher anzusehen, als in der Außenluft.
Sollten Sie kleine Kinder haben, dann ignorieren Sie bitte nicht die PAK-Belastung, da Kinder besonders gefährdet sind. (s. Internet)
Nach meinem Wissensstand hat Teppich (wirklicher Teppich) nie Asbest enthalten.
Bitte lassen Sie sich auch nicht von der Belastungsklasse 1 täuschen.Asbest wird unterschieden zwischen fest gebundenem und schwach gebundenem Asbest. Asbestpappe gilt als schwach gebundener Asbest, aber Eternitplatten zählen zum fest gebundenen Asbest. Bei Ihnen liegt aber Asbest nicht mehr in einer gebundenen Stoffform vor, sondern ist vermutlich schon im ganzen Haus verteilt und liegt in nahezu einatembarer Form vor. Die Belastungsklasse 1 kann nur beruhigen, wenn man z.B. ein Stück Eternitplatte untersucht. Schleife und Bohre ich nicht daran, kann ich entspannt bleiben. In Ihrem Fall sollten Sie aus gesundheitlichen Gründen handeln.
Sollte das Asbest aus einer anderen Quelle kommen, spielt es keine Rolle, denn Asbest in Staub und damit in direkter Verbindung zur Atemluft ist der gefährlichste Zustand. Sie können theoretisch das ganze Haus voll fest gebundenem Asbest haben, aber so lange er nicht bearbeitet wird und kein Asbest freigesetzt wird, besteht keine Gefahr.Sie haben aber bearbeitet und wenn es nicht die Küche war, dann eine andere Quelle. Eine Innenraumbelastung, besonders im Staub, ergibt sonst keinen Sinn. Ich hoffe, ich konnte mich verständlich ausdrücken.
Wenden Sie sich bitte an einen richtigen Fachmann. (Nicht an einen Nachbarn, der mal irgendwo was gehört hat.) Gerne beantworte ich Ihre Fragen, so gut ich es kann.
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Achten Sie bei weiteren Renovierungen auf 25x25cm oder 30x30cm große dünne Fliesen, sogenannte Floor-Flex-Platten, da ebenfalls asbesthaltig und schwarze Kleber
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Achten Sie besonders auf alte Fensterbänke 25cm oder tiefer, 2cm dick und seltsam marmoriert oder schwarz, auf der Unterseite ein „Waffelmuster“
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Achten Sie auf Leichtbauplatten, Heizungsrohrisolierungen (mit Gipsbinden etc. Asbestpappe & KMF drin), Feuerschutztüren (oft mit Asbest gefüllt, Herstellerjahr bis in die 80er Jahre, Türrahmen oft mit Asbestschur eingefasst und verputzt)
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Achten Sie auf Fassadenplatten und Dachschindeln vor 1993
Es gibt auch Internetseiten, die mögliche Schadstoffquellen in alten Häusern aufzeigen.
Wenn man diese Dinge weiß und im Hinterkopf hat, dass der Brandschutz in den 60er bis späte 80er ohne Asbest kaum machbar war, dann ist das Thema Asbest beherrschbar. Leider herrscht aber viel Unwissenheit, weil man ja auch nicht von heute auf morgen krank wird oder daran sterben kann. Bis 1993 war Asbest in Deutschland erlaubt, daher sollte man bei jeder Immobilie vor Baujahr 1993 auch das Thema berücksichtigen.
Eine kleine Anmerkung noch: Asbest in der Privatwohnung ist eher Privatsache, da kaum kontrollierbar, aber im Außenbereich sieht es anders aus. Wer z.B. eine Hausfassade mit Asbestplatten nicht nach TRGS 519 saniert, begeht eine Straftat. Die Folgen sind oft erhebliche Geldstrafen inkl. Mutterbodenaustausch von Nachbars Garten (s. Internet). Die Behörden verstehen hier keinen Spass, doch die Aufklärung ist in Deutschland eine Katastrophe. Junge Eltern bzw. junge Paare (in den 30ern) sanieren unwissend den Müll der vorherigen Generation, weil die Bauwerke der 60er & 70er Jahre jetzt ins sanierungsbedürftige Alter kommen. Die verseuchten Häuser wären aber Ladenhüter, wenn man mit offenen Karten spielen würde. Wer beim Hausverkauf wissentlich Asbest verschweigt, macht sich strafbar. Im Gegensatz zu einer Mietwohnung, wo fest gebundener Asbest keinen direkten Mangel darstellt, wenn er nicht beschädigt ist, muss beim Verkauf unbedingt darauf hingewiesen werden. Auch darf der merkantile Minderwert nicht unterschätzt werden, der zu einem spürbaren Wertverlust führen kann, wenn Asbest vorliegt. Eventuell haben Sie Schadensersatzansprüche (Sanierungskosten) gegenüber dem Verkäufer (Täuschung) oder Gutachter (Aufklärung gehört zu seinen Aufgaben).
In der Forschung geht man aktuell davon aus, dass Chrysotil (Weißasbest) die leichteste Form darstellt und ein Abbau durch die Lunge (bei geringen Mengen) möglich ist. Weißasbest ist laugenbeständig und nicht wie oft behauptet säurebeständig (sonst würden Wellasbestplatten durch den Regen nicht verwittern, ist aber eine Tatsache). Deshalb wird vermutet, dass Weißasbest in der „leicht sauren“ Lunge abgebaut werden kann. Ich bin aber kein Mediziner und kenne mich damit nicht wirklich aus. Sicher ist aber, dass Blau- & Braunasbest für den Körper (durch die Säurebeständigkeit) wesentlich gefährlicher ist. Weißasbest gehört nicht in die Gruppe von Blau- & Braunasbest (oder anderen Asbestarten).
Ich hoffe, ich konnte etwas helfen, auch wenn es nicht erfreulich war. Der Text wurde von mir selbst verfasst und keine Inhalte aus dem Internet kopiert. Er entspricht meinen Erfahrungen und meinem aktuellen Wissenstand.
Viele Grüße und alles Gute für Sie.