Asbestgefahr oder einfach nur übertriebene angst?

Hallo,
Ich weiß nicht, ob ich in diesem Forum richtig bin, aber ich habe folgendes Problem.

Zurzeit wird bei uns in der Innenstadt ein altes Kaufhaus abgerissen. Es ist ein einzige riesen Schutthaufen, wo Bagger draufstehen und Arbeiten. Mehr als Bauzaunabsperrung und Fußgängerführung wurde nicht gemacht.
Allerdings muss ich da desöfteren mit dem Bus langfahren und stehe teilweise direkt vor der Absperrung wenn der Bus mal rot hat. Kurz vorher und kurz hinterher sind jeweils Haltestellen.
Jetzt habe ich Angst, iwelche Fasern (evtl. Asbest?) einzuatmen, die durch kleine Spalte oder die Lüftungsanlage bzw. an den Haltestellen in den Bus gelangen. Auch habe ich Angst, dass die Fasern an meinen Klamotten/Taschen hängen bleiben und ich diese mit in meiner kleine Wohnung nehme und dann weiter einatme…
Berechtigt oder einfach nur übertrieben?

Seitdem ich mal gegoogelt habe, habe ich auch Angst mit der Straßenbahn an einer anderen Stelle vorbeizufahren wo die auch abgerissen haben, aber ein Teil noch steht, der aber komplett in Folie eingewickelt ist und ich denke, dass das wegen asbest gemacht wurde.

Weiterhin wird gerade bei uns im Haus die Kellerwohnung (seperater Eingang) komplett neu gemacht wegen einem Wasserschaden. Sprich Wände/Boden/Elektrik etc… Baujahr des Hauses um 1900 rum, also Altbau. Öfters wenn ich nach Hause komme, steht da die Tür nach draußen auf und man riecht ein wenig Farbe/Baumaterial. Da habe ich auch Angst, erstens was einzuatmen und Fasern evtl. mit in die Wohnung zu nehmen…

Schlussendlich weiß ich nicht, ob in beiden Fällen wirklich irgendwo noch Asbest im Spiel ist und rausfinden kann ich es wohl auch nicht. Nur gehe ich immer vom schlimmsten aus, aber ich weiß eben nicht ob das realistisch ist und bitte um eine Einschätzung…

Vielen Dank!

Gruß, Jan

Hallo Jan,

hierfür bin ich leider der falsche Ansprechpartner.

Gruss
Knauffi

Hallo Jan,
die Gefahren von Asbest in den vielen technischen Anwendungen wurden über Jahre herunter gespielt. Jetzt sind die Folgen bekannt und die mediale Aufmerksamkeit lenkt natürlich auch unsere eigene Wahrnehmung.
Im Bau ist Asbest als Spritzmittel zur Verkleidung von Eisenträger gegen Verformung im Brandfall verwendet worden und in Zementdach&-behangplatten eingesetzt worden.
Sind diese heute in abzureissenden Gebäuden vorhanden, unterliegen die Arbeiten einem recht hohen Sicherheitsstandard. Die Arbeiten dürfen nur durch qualifizierte Firmen mit Sachkunde-& Entsorgungsnachweis durchgeführt werden.
Stark gefährdet sind ja die mit dem Rückbau betrauten Arbeiter, welche nur mit Vollschutzkleidung antreten dürfen. Dieser Vorgang wird von der Bauaufsicht penibel bewacht. Asbest darf nicht freigesetzt werden, andere Stäube sind durch ständige Befeuchtung und ähnliche Maßnahmen zu binden.
Also wenig reale Gefahr zumal wenn man sich außerhalb der Baustellen aufhält.
Gefährlich ist der oft sorglose Umgang mit solchen Baustoffen im häuslichen Bereich. Das mechanische Bearbeiten ist komplett verboten, trotzdem werden solche Bauplatten besonders im ländlichen Bereich gern wiederverwendet oder gar in Kleinanzeigen gehandelt. Auch sind die Konzentrationen anderer Gefahrenstoffe im häuslichen Umfeld oft viel höher als in der Umgebungsluft. Nicht nur Holz"schutz"mittel, die im Inneren der Gebäude nichts verloren haben, auch alte Parkettkleber und Ausgleichsmassen mit polyaromatischen Kohlenwasserstoffverbindungen (PAK) werden leichtsinnig ignoriert. Dazu kommen andere Wohngifte, die aus textilen Bodenbelägen oder Möbelstoffen dauernd ausgasen und so die Wohn-& Arbeitsräume, in denen wir 90 % der Zeit verbringen, über die Anforderungen der Arbeitsplatzverordnung belasten können.
Eine weitere frühere Quelle von Asbestfasern waren Bremsbeläge, welche heute kaum noch eine Rolle spielen dürften durch das Verwendungsverbot.
Die Gefährdung durch Stäube bei Renovierungsarbeiten ist real, allerdings wieder für den aktiven Arbeiter im Einsatz. Dieser muss sich durch geeignete Schutzmittel schützen, da alte Farben z.B. bleihaltig waren, aber auch Holzschutzmittel an Oberflächen haften, welche wieder mobilisiert werden. Auch spielen Hantaviren eine Rolle beim Kontakt mit Nagerkot.
Dies hat jedoch wenig mit Asbest zu tun und allein der Geruch von Lösungsmitteln o.ä stellt höchsten eine Belästigung dar.
In der Risikobewertung ist ein aktiver Raucher dieser Gefährdung sicher gleich anzusetzen.

Mit besten Grüßen

Hallo Jan,

bei Rückbauten und Abbrüchen werden bei der Asbestentsorgung strengste Sicherheitsvorkehrungen getroffen. In der beschriebenen Situation brauchst du dir keine Gedanken machen, denn vor dem Abbruch wurde - wenn vorhanden das Asbest bereits entsorgt. Zudem geht es über die Ansaugfilter in den Bus - dort würden die Asbestfasern auch hängen bleiben. Bei dem folienverpackten Haus geht es vermutlich mehr darum die Substanz für den Neu - Anbau zu schützen.

Schwierig wird es beim Thema Farben in der Kellerwohnung. Die alten Farben um 1900 sind sicher noch nicht so schädlich / belastet wie die aus den späteren Jahren. Sorgen würde ich mir da eher wegen der neuen Farben machen. Normalerweise werden zwar Lösemittel eingesetzt die sich sehr schnee verflüchtigen und bekannte Krebserregende oder sehr giftige Stoffe sind verboten … aber Asbest war ja in den 70er Jahren auch beliebtes Baumaterial und kaum jemand ahnte die Gefahr.

Soweit du einfluss nehmen kannst: gut lüften und nachfragen welche Produkte eingesetzt werden,

Hallo Jan,

Kaufhaus:
Bei einer solch öffentlich wirksamen Abrissmaßnahme kann sich heutzutage keine Firma und kein Politiker erlauben auch nur den kleinsten Fehler zu begehen…
Wie ich es in meinem Alltag als nach TRGS-519-Zertifizerter oft erlebe, hat sich das Wissen um diesen Gefahrstoff Asbest in der Zeit seit es verboten wurde (Anfang 1990-ger) in eine „diffuse Bedrohungswolke“ verwandelt in der oft Maß & Ziel verloren wird…

Altbau:
Zwar waren um 1900 gerade bleihaltige Farben beliebt, doch wären diese eigentlich nur bei oraler Aufnahme von Kindern gefährlich (wegen dem Einbau von Blei anstatt Kalzium im heranwachsendem Gehirn). Schimmel könnte relevant sein, doch unwahrscheinlich, dass dadurch eine Gefahr nach Außen besteht. Asbest war damals kaum verfügbar außer für Spezialanwendungen. Lösemittelreiche Farben sind heutzutage nur noch seltenst im Gebrauch!

Realistisch betrachtet war jeder Atemzug in unserer Jugend (bin 46J.) an einer Straßenkreuzung wesentlich gefährlicher, was Asbest betrift :wink:
Die Wahrscheinlichkeit sich wegen übertriebener Ängstlichkeit sein Leben zu verbauen sehe ich als wesentlich schwerwiegender an!

Gruß
Joachim

Hallo Jan,

zuerst einmal: Etwas weniger Angst stärkt das Immunsystem! Die Auflagen beim Abriss sind recht hoch und werden in der Regel eingehalten. Wenn Asbest vorhanden ist dürfen nur spezielle Betriebe entsorgen. Trotzdem wird natürlich auch viel geschummelt, denn schummeln spart die Firmen viel Geld. Wenn es sichtbar sehr staubt rufe beim Umweltamt an. Ich bin mir aber sicher, das die permanente Belastung mit Schmutzpartikeln aus den „normalen“ Lebensabläufen" wesentlich größer ist, als ein zeitlich begrenzter Abriss.

Gruß
Manuel Hopp

Hallo Joachim,

Vielen Dank für deine Einschätzung!
Das beruhigt mich sehr! Das mit dem Kaufhaus vergesse ich mal ganz schnell!

Zurück zum Altbau:
Habe noch einmal nachgeschaut. Baujahr ist 1906 und Kernsanierung war 1986. Im Moment wird der Bauschutt aus der Kellerwohnung geräumt (wer das macht, kann ich nicht erkennen) und in riesen Säcken auf die Straße offen hingestellt. Auf den Gehwegen vor dem Haus sind überall weiße Abdrucksspuren von Schuhen und er scheint wohl auch mal ins Treppenhaus gekommen zu sein, zumindest ist die Fußmatte halb weiß.

Ich hoffe, die Angaben ändern nichts an der Tatsache, dass ich mir keine Sorgen machen brauch, wenn ich lüfte, dran vorbeigehe etc.!?
Wenn du mir das bestätigst, dann wäre ich froh und könnte das Thema abhaken :smile:

Vielen Dank, die fachkundige Meinung hilft mir wirklich sehr!

Viele Grüße,
Jan

Hallo Jan,

so direkt kann ich leider nicht helfen.

Schätzungsweise ist doch aber davon auszugehen, dass bei Abrissarbeiten in dem o.g. Umfang nicht mit asbesthaltigen Substanzen zu rechnen ist; alles Andere wäre in meinen Augen unverantwortlich.

Zu Deinem Haus: Farbe kann so weit ich weiss kein Asbest enthalten; bei den Baumaterialien bin ich mir nicht sicher. Aber ich würde sagen: ruhig Blut.

Im Nets gibt´s ne Menge guter Infoseiten bezüglich Asbest.

Gruß

Hallo Jan,

in früheren Jahren ist durchaus zum Teil Asbest als Baustoff verwendet worden. Dies betrifft aber überwiegend öffentliche Bauten sowie Industrie- und Bürobauten. Aber auch hier betrifft das nur einen geringen Anteil. Im Wohnungsbau spielte Asbest kaum eine Rolle. Um gesundheitliche Schäden zu erleiden, muß man aber über lange Zeit in unmittelbarer Asbestnähe gewohnt oder gearbeitet haben oder als Bauarbeiter bei Verarbeitung oder Abriß von asbestbelasteten Bauteilen dem Staub direkt ausgesetzt sein. Ein kurzzeitiges Vorübergehen oder -fahren an Baustellen sollte dagegen keine Gefahr darstellen. Erstens weiß man nicht, ob überhaupt Asbest verarbeitet wurde und wenn doch, so sind die Konzentrationen in der Umgebungsluft kaum noch nachzuweisen. Autoabgase des städtischen Verkehrs oder Passivrauchen stellen hier ein wesentlich höheres Risiko einer Gesundheitsbeeinträchtigung dar. Deine Angst ist übertrieben und völlig unbegründet.

Gruß
Holzi

Altbau:
Wenn bei der Kernsanierung 1986 die Kellerwohnung wirklich ebenfalls entkernt und danach wieder neu gemacht wurde ist mit höchster Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass im Innenbereich NUR ASBESTFREIE Baumaterialien verwendet wurden.
Mitte der 80-ger wurden zwar gerne noch asbesthaltig Materialien verwendet, doch eigentlich nur zementgebundene im Außenbereich und/oder für Spezialfälle (z.B. Ofenisolierungen, Dichtungen etc.)

Die beobachteten weißen Abdrucksspuren sind zwar unschön, doch eher auf Zement- & Gipsreste zurückzuführen.

Ich würde an Ihrer Stelle das Thema abhaken!
Da habe ich als Asbest-Sachkundiger schon wesentlich haarsträubendere Sachen erlebt, wo aus blanker Unwissenheit wirklich Gefährdungen entstanden!