Atkins' Lehrbuch: Physikalische Chemie

Liebe Wissende,

ich möchte mich näher mit der Physikalischen Chemie beschäftigen und bin dabei immer häufiger auf den Rat gestoßen, das Lehrbuch von Peter William Atkins mir zur Brust zu nehmen.
Nun es ist sehr teuer - aber ich würde das Geld investieren!

Derzeit bin ich mir jedoch ein wenig unsicher, auf Grund eines Kommentares zu dem Buch, den ich bei amazon gelesen habe.
Also wollte ich Euch Mal fragen:

  • würdet Ihr dieses Buch empfehlen als Einstieg und vor allem zur Vertiefung? Wenn nicht: kennt Ihr gute Alternativen?
  • würdet Ihr den Aussagen des amazon-Rezensenten zustimmen? (lese weiter unten…)

Ich hoffe, dass Ihr Rat für mich bereit haltet. Ich möchte mich damit auf mein Studium vorberieten, weswegen mir das Ganze sehr wichtig ist.

Die Vorwürfe des amazon-Rezensenten gegen das Buch lauten:

"Der durchweg positive Eindruck, den das Buch vermittelt, wird sehr in Mitleidenschaft gezogen durch eine große Anzahl von sachlichen Fehlern, durch oft nebulöse Formulierungen und Argumentationen, insbesondere dann, wenn schwierige Sachverhalte zu besprechen sind, und auch durch Ausführungen, die die sichere Beherrschung grundlegender mathematischer Zusammenhänge in Zweifel ziehen. Beispiele sind: (i) Es wird falsch dargestellt, was passiert, wenn ein System Flüssigkeit/Dampf bei konstantem Volumen über die kritische Temperatur hinaus erhitzt wird. (ii) Die chemische Zusammensetzung der Zinkblende (ZnS) ist nicht Zn4S5, wie man aus der Darstellung und Beschreibung der Elementarzelle zu schließen gezwungen ist. (iii) Es werden die Konturflächen der reellen 2p- und 3d-Orbitale gezeigt und behauptet, dies seien allgemein die Konturflächen von Orbitalen des p- und d-Typs. Das ist falsch! (iv) Die Texterläuterung zu dem Graphen der radialen Verteilungsfunktion eines 1s-Orbitals widerspricht den Ausführungen im laufenden Text. Außerdem sind die Beschriftungen sowohl der Abszisse als auch der Ordinate falsch.

Die quantenmechanische Behandlung der atomaren Mehrelektronensysteme ist sehr schwach. Beispielsweise wird der Begriff der Elektronenkonfiguration nicht klar definiert, meist aber in der üblichen Weise verwendet. Abweichend davon ist aber auch von Grundzustandskonfiguration (z. B. [He]2s22px2py ) die Rede, und die Hundsche Regel wird inkorrekt so formuliert: Der Grundzustand eines Atoms ist die Konfiguration mit der größtmöglichen Anzahl ungepaarter Spins. - Es wird nicht gezeigt, wie man mit Hilfe der Hundschen Regel den Grundterm einer beliebigen Konfiguration in einfacher Weise aus dem Orbitalschema bestimmt, und zwar auch dann, wenn zwei oder mehr Elektronen in entarteten Zuständen unterzubringen sind (z. B. bei den Konfigurationen p3 und d2). Für diesen Fall wird auf die weiterführende Literatur verwiesen!! Die energetisch tiefstliegenden Terme aller Atome sind in sehr vielen Lehrbüchern aufgelistet und ein Lehrbuch der physikalischen Chemie gibt darüber keine Auskunft!

In allen bisherigen Auflagen war eine Graphik der Frequenzabhängigkeit der Dielektrizitätskonstante zu finden, die allerdings mit grundlegenden Fehlern behaftet war. Man hoffte auf eine durchgreifende Richtigstellung in der neuesten Auflage. Nun ist die Graphik ganz verschwunden! Stattdessen werden jetzt nur noch mathematische Ableitungen und oberflächliche, gar falsche verbale Aussagen gebracht.

Man erwartet von einem Lehrbuch (4. Auflage!), dass fundamentale physikalische Begriffe wie Arbeit, so auch Volumenarbeit, verständlich und präzise definiert werden. Da Kraft und Verschiebung Vektoren sind, durch deren Skalarprodukt die Arbeit definiert wird, muss höchste Sorgfalt angewendet werden, wenn man eine vektorielle Formulierung vermeiden will. Die hier verwendete Definition und Vorgehensweise, wobei der Betrag der Gegenkraft(!) und die Komponente der Verschiebung, dz, verwendet werden (dz kann positiv und negativ sein!), ist nebulös und führt zu einer nicht durchschaubaren Herkunft des Vorzeichens im (richtigen) Ausdruck für das Differential der Arbeit, dw = -pextdV. - Im Zusammenhang mit dem Ersten Hauptsatz werden die fundamentalen Begriffe Zustandsfunktion, vollständiges und nicht vollständiges Differential eingeführt und diskutiert. Es ist irreführend, ja es konterkariert jeden soliden mathematischen Unterricht, wenn (Integrations-)Wege auf der Hyperfläche der Funktionswerte gezeichnet werden. Bei dem Beispiel, worauf sich diese Anmerkung bezieht, U = U(T,V), ist der Weg eine Kurve in der T-V-Ebene, und nicht, wie gezeichnet, auf der Fläche der inneren Energie U. Der Leser wartet vergebens auf eine Darlegung der Verhältnisse bei Größen, die keine Zustandsfunktionen sind, z. B. Arbeit und Wärme.

Völlig falsche physikalische Vorstellungen wecken die Autoren bei dem Versuch, das Raoultsche Gesetz kinetisch zu erklären. Die vorgebrachte Argumentation widerspricht dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik. Folgt man den Autoren, so müsste beispielsweise der Dampfdruck von Wasser, das eine Schicht von Tensidmolekülen trägt, vernachlässigbar klein sein.

Guten Gewissens kann man das vorliegende Lehrbuch Studierenden nicht empfehlen, da es eine zu große Anzahl von sachlichen Fehlern aufweist. Von einer souveränen Beherrschung der Materie kann keine Rede sein. Man muss konstatieren, dass keines der zur Zeit auf dem Markt befindlichen deutschsprachigen Lehrbücher der Physikalischen Chemie uneingeschränkt zu empfehlen ist. Der Atkins ist unter diesen Umständen noch eine vertretbare Wahl."

Vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit und im Voraus für jede Hilfe, die Ihr mir zukommen lassen könnt!

Liebe Grüße,

deadend

Moin auch,

ich kann dir den Atkins definitiv empfehlen, Fehler hin oder her. Es gibt, wie dort geschrieben, kein physikalisch-chemisches Buch ohne Fehler und vom didaktischen her wie auch vom inhaltlichen habe ich nie etwas besseres gefunden als den Atkins.

Zur Vertiefung ist er auf jeden Fall geeignet, zum Einstieg? Naja, die nötige Mathematik musst du schon mitbringen und das Gehirnschmalz auch. PC ist nicht gerade ein triviales Fach.

Was den Preis betrifft: Es muss ja nicht die neueste Auflage sein. Die dritte Auflage ist auch sehr gut und die bekommst du an Unis von Studenten für billig Geld.

Ralph

Moin,
ganz einfach: guck dir verschiedene Lehrbücher vor dem Kauf an. Das ist durchaus eine Geschmacksfrage. Vergleiche am Besten bei zwei Büchern das gleiche Thema.

Hallo,

zu den „sachlichen Fehlern“ die der Rezensent auflistet, kann ich nichts sagen. Erstens bin ich nicht so gut wie er und zweitens habe ich den Atkins immer wieder rasch aus der Hand gelegt, weil er nichts erklären konnte was mein Professor etwas dunkel in der Vorlesung gebracht hatte. Nach dem Studium des Atkins war ich nur noch verwirrter.

Du schreibst:

ich möchte mich näher mit der Physikalischen Chemie

und weiter:

mich damit auf mein Studium vorberieten, weswegen mir das
Ganze sehr wichtig ist.

Mein Rat wäre folgender:
Schreibe dir die Namen der Professoren aus dem Internet heraus, die an der von dir gewählten Uni Physikalische Chemie lehren.
Dann gehst du in die der Uni am nächsten gelegene Universitätsbibliothek und fragst, ob einer dieser Professoren ein Buch über Physikalische Chemie geschrieben hat.
Falls „Ja“ kaufst du dir das.
Falls „Nein“ gehst du zur Fachschaft der physikalisch/chemischen Fakultät deiner Uni und fragst, ob ein ausführlicheres Skriptum eines Professors erhältlich sei.
Das gibt es bestimmt und das besorgst du dir und schaust es an.
Aber auch nicht zu genau, denn auf die (über-)lebenswichtigen physikalisch/chemischen Lieblingsthemen des Professors wirst du erst in der Vorlesung stoßen.

Grüße

watergolf

Moin,

das Lehrbuch von Peter William Atkins mir zur Brust
zu nehmen.
Nun es ist sehr teuer - aber ich würde das Geld investieren!

dann wende Deine Schritte in eine Stadt- oder Unibibliothek und schau Dir das Buch an.
Zu meiner Zeit war der ‚Moore Hummel‘ das Standardwerk in der PC.
Beide Bücher gibt es antiquarisch für relativ kleines Geld, man muß bei diesen Grundlehrbüchern wahrlich keine aktuelle Auflage haben, meinen Moore Hummel aus den 80ern hab ich immer noch im Büro stehen und nutze ihn ab und zu.

Guck mal unter http://www.zvab.com

Gandalf

Hi deadend,

„Geschmackssache“ wie einer der Vorschreiber es nannte trifft es schon ziemlich gut. Beim Atkins scheiden sich die Geister, die einen lieben ihn und die anderen verstehen ihn nicht. Ich konnte leider nie viel mit dem Atkins anfangen.

Ich denke es sind meist die die gerne Anschaulich denken die den Atkins mögen, während formalistisch orientierte Studenten den Hummel bevorzug(t)en. Allerdings deckt der Hummel nicht ganz den Stoff ab wie der Atkins. Wenn man den Atkins drauf hat, dann kann man schon ganz gut mitreden bzw. Originaliteratur lesen da auch viele moderne Gebiete berührt werden. Beim Hummel hab ich den Eindruck, dass er schon etwas arg verstaubt ist.

Schau Dir mal die Dinger alle an, dann siehst dus schon …

Gruss
r

Ich mochte den Atkins ganz gerne da sehr verständlich geschrieben. Insbesondere den Teil über Quantenmechanik und Spektroskopie fand ich sehr gut. Die Kapitel über Thermodynamik fand ich hingegen weniger hilfreich, da unsere Vorlesung eher die mathematischen Ansätze betonte. Der Atkins geht da nicht so ins Detail. Als Ergänzung hatte ich damals, wenn ich mich recht erinnere, den Wedler.

Zum Preis: Ich hatte mir damals die englische Paperback version gekauft. Preis um die 60,70 CHF, fand ich eigentlich ganz ok.