Attische Demokratie-Vergleich heute

Hallo,
ich schreibe bald eine Klausur in Geschichte und das Thema lautet „Attische Demokratie“. Einige Dinge habe ich schon gut verstanden, nur bei mir scheitert es immer, wenn ich etwas Früheres mit Heute vergleichen soll. Es wäre also toll, wenn ihr mir weiter helfen könntet.

Meine Frage ist nun: Würden die attisch ausgeprägten demokratischen Prinzipien (Volssouveränitätsprinzip, Gleichheitsprinzip, Mehrheitsprinzip, Prinzip allgemeiner Abstimmung, Konsensprinzip - Wär toll wenn ihr mir kurz schreiben könntet was das sein soll?!)heutigen Ansprüchen an Demokratie genügen?

Hallo Mehri,

Kurz gesagt: Die attische Demokratie ist keine Demokratie von heute. Unser
Verständnis von Demokratie hat seine Wurzeln zwar in der Antike, hat allerdings
bis heute eine langwierige Entwicklung durchgemacht.

Zwischenstationen dieser Entwicklung sind etwa die Französische Revolution und
die dort erkämpften Menschen- und Bürgerrechte, die Paulskirchenverfassung
(erste demokratische Verfassung Deutschlands, die sich aber nicht durchsetzte),
die Weimarer Reichsverfassung (erste praktizierte deutsche demokratische
Verfassung) sowie das Grundgesetz (die heutige deutsche Verfassung). Unsere
Demokratie hat seine Wurzeln zwar im antiken Denken und der attischen
Demokratie (das Wissen hierüber ist in die Aufklärung und den Humanismus
eingeflossen, die wiederum maßgeblich Einfluss genommen haben auf die
Konzeption der eben genannten Verfassungen), allerdings haben wir eine „eigene“
Entwicklung durchgemacht.

Darüber hinaus, ist die attische Demokratie aus heutiger Sicht veraltet. Es gibt
etwa kein Wahlrecht für Frauen, Sklaven und Metöken (Einwanderer). Darüber
hinaus gab es keine Gewaltenteilung. Die attische Demokratie und die hier
geltenden Rechte sind außerdem nur den Menschen zugänglich die das
Bürgerrecht besitzen (anders als etwa bei den Menschenrechten heute). Arme
Leute konnten es sich darüber hinaus nicht leisten, ernsthaft an der Demokratie
teilzunehmen. Es handelt sich weiterhin um keine „gesamtgriechische“
Demokratie, sondern sie ist nur an den Machtbereich Athens gekoppelt. Weiterhin
sind die Organe der attischen Demokratie noch nicht so differenziert und
organisiert wie heute (Die Polizei, die Rechtssprechung, generell die Verwaltung
existiert noch nicht im heutigen Sinne, d.h. auch nicht alle Gesetze/Verordnungen
können wirklich durchgesetzt werden)

Ach und zu den Begriffen:
Volkssouveränitätsprinzip heißt, dass das Volk über sich selbst (souverän)
bestimmen darf. Kein Diktator darf über das Volk bestimmen

Gleichheitsprinzip: Jede Stimme zählt gleich viel (Nicht die des Adligen mehr als
die des Händlers)

Mehrheitsprinzip: Wer die meisten Stimmen hat, darf entscheiden, wo es lang geht
(und die, die sich dagegen entschieden haben, müssen mitmachen/sich danach
richten)

Konsensprinzip: Ein Thema wird zuerst in der Gruppe besprochen und sofern
niemand protestiert wird so gehandelt wie abgesprochen.

Ich hoffe ich konnte dir helfen,

mit freundlichen Grüßen
Sebastian

Hej Sebastian,

ich danke dir vielmals!!! Du hast mir unwahrscheinlich weitergeholfen und es mir super erklärt.

Danke nochmal.

Liebe Grüße

Nach der heutigen Definition würde man vermutlich eher sagen Athen war demokratisch organisiert, aber nicht das es eine Demokratie war. So galt damals zum Beispiel nicht das Gleichheitsprinzip, wie es heute gilt. Damals waren nur wenige Menschen am demokratischen Prozess beteiligt. Frauen und ein großer Teil der Männer waren davon ausgeschlossen, nur freie Männer durften teilnehmen. Auch eine Gewaltenteilung war kaum vorhanden - sie ist jedoch ein essentieller Bestandteil moderner Demokratien, in denen alle Bürger rechtlich und politisch gleich behandelt werden.
Während die geringe Zahl an Berechtigten in Athen direkt wählte, ist die moderne Demokratie eher repräsentativ ausgerichtet: Durch Wahlen werden Repräsentanten bestimmt, die meist für ca. 4-5 Jahre die politischen Entscheidungen im Sinne der Wähler treffen sollen. In der Attischen Demokratie gab es im Gegensatz zum heutigen ausgeprägten Beamtenapparat keine Berufsbeamten: Die Ämter wurden regelmäßig (z.B. alljährlich) durch das Los neu besetzt, was Probleme aufwarf: Kaum hatte sich jemand in seiner Funktion etabliert, wurde er wieder ersetzt.
Das Konsensprinzip ist eine Alternative zum Mehrheitsprinzip. Es darf keine Gegenstimme geben,um zur Entscheidung zu kommen. Konsens =Übereinstimmung
Volkssouveränität bedeutet im Grunde Volksselbstbestimmung, dass das Volk über sich selbst bestimmen kann und nicht über andere bestimmt wird.

Der größte Unterschied zwischen der attischen und der heutigen Demokratie ist, dass die heutige Demokratie repräsentativ ist, also indirekt, und die attische Demokratie direkt.

Hallo,

soweit ich weiß, hat Wilfried Nippel in seinem Buch „Antike oder moderne Freiheit? Die Begründung der Demokratie in Athen und in der Neuzeit“ darüber geschrieben.

Lg
Elisabeth

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Hallo Mehri,

Würden die attisch ausgeprägten demokratischen Prinzipien

  • Volkssouveränitätsprinzip,
  • Gleichheitsprinzip
  • Mehrheitsprinzip
  • Prinzip allgemeiner Abstimmung
  • Konsensprinzip
    heutigen Ansprüchen an Demokratie genügen?

Meine Schulzeit zu dem Thema Demokratie im antiken Griechenland liegt schon 40 Jahre zurück und ich hab mich seitdem nicht wirklich mehr damit beschäfftigt.

Ein wenig aus meiner Erinnerung:

  1. Es gab kein Frauenwahlrecht

  2. Die Bevölkerung war in Gruppen eingeteilt (Adel, reiches Bürgertum/Grundbesitzer, Handwerker, einfache Arbeiter). Sklaven waren meines Wissen gar nicht erwähnt.

  3. Das Recht an den allgemeinen Wahlen teilzunehmen war zunächst an den Wohlstand gekoppelt und wurde erst später auf breitere Bevölkerungsschichten ausgedehnt.

  4. Staatsämter mussten in der Anfangszeit ohne Kompensation wahrgenommen werden, was nur wohlhabenden Bürgern ermöglichte diese wahrzunehmen. Erst später wurde eine Kompensation eingeführt, was es jedem Bürger ermöglichte ein Amt zu übernehmen.

Diese Punkte sind zumindest mit unserem modernen Verständnis von Gleichheit nicht vereinbar.

In Athen wurde die allgemeine Abstimmung in einer Versammlung der Wahlberechtigten durchgeführt. Diese Form der Abstimmung ist aus organisatorischen Gründen nur bei einer begrenzten Anzahl an Wahlberechtigten möglich. Diese Form der Abstimmung gibt es nur noch in wenigen Staaten. Meist gibt es heute repräsentative Demokratien in denen das Gesetztgebungsverfahren per Wahl an Stellvertreter übergeben wird. Als Volksbegehren gibt es diese Form der Abstimmung noch. Es hat aber in Deutschland keine direkt gesetztgebende Wirkung und ist meist auf bestimmte Sachgebiete begrenzt. Die Gesetze/Verordnungen müssen immer zwingend durch die Parlamente/Gemeindevertretungen etc. beschlossen werden.

Die 1. vier Prinzipien finden sich heute in irgendeiner Form in den meisten Verfassungen demokratischer Verfassungen wieder.

Das Konsensprinzip findet sich dann in der parlamentarischen Arbeit wieder, allerdings dann oft genug in der Form, dass man sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigt, um eine parlamentarische Mehrheit zu erzielen. Oft wird dadurch den Interessen kleiner Gruppen/Minderheiten Rechnung getragen.

Gruß
Franz

Meine Frage ist nun: Würden die attisch

ausgeprägten

demokratischen Prinzipien (Volssouveränitätsprinzip,
Gleichheitsprinzip, Mehrheitsprinzip, Prinzip

allgemeiner

Abstimmung, Konsensprinzip - Wär toll wenn ihr mir

kurz

schreiben könntet was das sein soll?!)heutigen

Ansprüchen an

Demokratie genügen?

Da es sich dabei um direkte Demokratie handelt, ist
das sogar demokratischer als in den meisten
Heutigen Demokratien. Schließlich können wir heute
bei politischen Entscheidungen nicht mehr alle
einwohner eines Landes versammeln.
Informiere dich doch mal über den Stichpunkt
„Plebiszität“.

Hallo Mehri,

zunächst einmal bitte ich um Entschuldigung, dass ich so lange brauche um zu antworten. Ich hatte diese Emailadresse völlig vergessen und zum ersten Mal seit Monaten wieder reingeschaut.

Die attische Demokratie war eine Vorstufe heutiger Demokratien und stellte gegenüber den damaligen anderen Herrschaftsformen sicher eine Verbesserung dar. Was heute zum demokratischen Standard gehört, in Athen aber fehlte, sind unter anderem folgende Punkte:

  1. Wahlrecht hatte nicht das gesamte Volk, sondern nur ein sehr kleiner Bruchteil, eine Elite des Volkes, obendrein nur die Männer. Die Meinung dieser Minderheit war daher in keiner Weise repräsentativ.
  2. Viele Personalentscheidungen wurden durch ein Losverfahren getroffen, das heißt, es wurde nicht abgestimmt und die Qualifikation der betreffenden Person beurteilt, sondern die Entscheidung „den Göttern“ überlassen.
  3. Vorkehrungen gegen „Demagogie“: In Athen konnte ein mitreißender Redner eine Entscheidung bestimmen und die Menge in seinem Sinne manipulieren. In der Bundesrepublik gibt es hierzu einige Sicherheitsvorkehrungen, wie zum Beispiel die repräsentative Demokratie, wodurch nicht die leicht bewegte Masse auf der Straße entscheidet, sondern nur gewählte Vertreter, oder auch die drei Lesungen im Bundestag, bevor ein Gesetz verabschiedet wird.
  4. Die tragende Rolle der Religion bzw. des Kultes. Heutzutage gehen wir davon aus, dass ein demokratischer Staat säkular und bezüglich religiöser Fragen neutral zu sein hat.
  5. Die Einrichtung des Scherbengerichts ist zumindest fragwürdig.

Zum Thema Konsensprinzip: Heutige Demokratien haben in ihrer Verfassung nicht vorgeschrieben, dass bei einer Frage Konsens herrschen muss, im Gegenteil, einstimmige Abstimmungen sind eher selten. Es gilt stattdessen das Mehrheitsprinzip, Entscheidungen werden entweder mit einfacher Mehrheit (eine Stimme mehr als die andere Seite reicht) oder mit qualifizierter Mehrheit (für bestimmte Abstimmungen wie z.B. Grundgesetzänderungen braucht man eine 2/3-Mehrheit).

Liebe Grüße
Anitis

Danke
Tolle Antworten habt Ihr da geschrieben - mir haben sie für meine Geschichtsklausur über die Antike nun auch gut helfen können! Danke :wink: