Auf die Nachbarschaft gehen

Mit andern Worten: Du hast diesen Ausdruck selbst ebenfalls noch nie gehört oder gelesen. sondern selbst erfunden. Stimmt’s? :full_moon_with_face:

Gruß
Metapher

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@Nadja darf das, finde ich - sie ist an dieser Stelle sozusagen dem innersten deutschen Wesen auf der Spur: Schließlich geht man in diesem merkwürdigen Land auch unter die Leute und zieht zwar durch die Gemeinde, aber über die Dörfer. Letzteres auch dann, wenn man auf Stör geht.

Wieder ein Beleg für meine These, dass die deutsche Sprache nicht auf Regeln, sondern auf Ausnahmen gebaut ist.

Eine besondere Richtungsangabe hab ich heute früh schon privatim gegenüber @Hexerl zitiert: Im östlichen Seealemannisch, das in einigen Zügen dem Mittelhochdeutschen ähnelt, ist keine Wertung darin enthalten, wenn jemand fragt „Gäage wäm hot etz dui g’hîrat?“ (Gegen wen hat jetzt diese geheiratet?)

Schöne Grüße

MM

Servus,

Richtungsangaben wie

sind recht verbreitet. Hübsch ist es, wenn die Richtung „auf“ mit der Abwärtsbewegung in ein Tal „hinab“ verbunden ist - in meiner früheren Heimat fährt oder geht man uff Egna naa und uff Bembara naa = auf Ehingen hinab und auf Biberach hinab.

Schöne Grüße

MM

Vielleicht hat sie ja geschmökert in: Rehbein, Franz: Das Leben eines Landarbeiters:

Bis dahin konnten jene Räume überhaupt nicht geheizt werden; es war vielmehr von jeher üblich gewesen, daß sich die Knechte in ihrer freien Zeit – wenn sie nicht zu den Tagelöhnern auf Nachbarschaft gehen wollten – in den Stallungen aufhalten mußten.

oder hier (S 45):

grafik

(… und den Ausdruck gedanklich um „die“ ergänzt)? :wink:

Gruß
Kreszenz

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Ja, du zitierst gern deine eigene, auf einen Widerspruch in adjecto gebaute These :slight_smile:

Das Gemeinte scheint mir derweil auf einer schiefen Einschätzung der enorm reichenhaltigen und verzweigten diachronen Etymologie von Wörtern aus den Gebieten germanischer Sprachen und damit oft verursachten Sprüngen auch zu anderen Wartarten zu beruhen (z.B. von Präpositionen aus ursprünglichen Adverbien oder von Adverbien aus Substantiven usw.). Was immerhin dazu beitrug, daß im Deutschen sehr komplexe Inhalte in kompakten Ausdrucksweisen möglich sind, zu denen nur wenige andere Sprachen fähig sind.

Gruß
Metapher

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Sieht so aus :slight_smile: Wir wissen ja schon immer, daß es nichts gibt, was du nicht findest :slight_smile:

Allerdings deutet der @Nadja ihre Worterfindung (wegen des Artikels) eher darauf hin, daß sie es räumlich bzw. personal verstanden haben wollte. Grammatisch also als Präpositionalobjekt.

Dagegen ist in deinen Fundstücken „auf“ modal gemeint und der ganze Ausdruck daher ein Adverbial. Zumindest bei uns im Rheinischen wäre das „auf“ z.B. in „einen auf Nachbarschaft machen“ durchaus möglich. Analog zu „einen auf Freundschaft machen“ oder „einen auf freundlich tun“ mit der Bedeutung „heuchlerisch vorgeben, daß“ oder „zweckorientiert so tun als ob“. Oder z.B. „er macht einen auf Clown“, was bedeutet, er bemüht sich vergeblich, lustig zu erscheinen.

Gruß
Metapher

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Vielleicht lässt @Nadja uns ja noch wissen, was sie sich konkret vorstellen könnte unter „auf die Nachbarschaft gehen“ / in welchen Kontext dieser Ausdruck passen würde / was der Auslöser war für diese

Gruß
Kreszenz

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Ja - vielleicht kann ich damit die Zahl der einschlägigen Fundstellen so vermehren, dass sie populär wird!

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Okay nun zum Auslöser

im Deutschen hat das Land, „die Ukraine“ einen Artikel. Man sagt " man fährt in die Ukraine"
In einer Diskussionsrude wurde erörtert, dass man in anderen Regionen in der Nähe der Ukraine „man fährt auf die Ukraine“ sagt. Früher war die Ukraine und alle Landesteile in der Nähe ein Teil Russlands. Könnte es sein, dass man deshalb sagte oder immer noch sagt/schreibt, „ich fahre auf die Ukraine“? Und damit war die Idee von „auf Nachbarschaft“ geboren. Es wurde geboren aus „Nachbarschaft“, „Nähe“, „Zugehörigkeit“ und „Teil des Landes zu sein“.
Von daher war die Frage, ob man im Deutschen " Ich gehe auf Nachbarschaft" sagen und ob man sprachgeschichtlich dafür Belege finden kann. und sieh da, was man in euren Beiträgen alles dafür finden kann

auf Wanderschaft gehen

auf Schalke

auf Nachbarschaft gehen wollen

Es waren nicht alles Fantasien von mir :wink:

sieh hier unten

Grüße

Jetzt erinnere ich mich an eine Geschichte, von der ich gerade nicht mehr weiß, wo ich sie her habe: Die Sowjet-Republiken trugen keinen Artikel und dies gilt auch für die heutigen Teilstaaten der Russischen Föderation. Zur deutlichen Abgrenzung und Unterscheidung hiervon hat die Ukraine dann nach der Unabhängigkeit den Artikel zum Namen hinzugenommen und das hat sich dann auch grundsätzlich durchgesetzt. Nur in den alten Sowjet-Republiken hat man dies in der offiziellen Sprachregelung natürlich nicht umgesetzt. Und so ist der neue Name natürlich auch in der Bevölkerung nicht verbreitet.

Wobei der Witz natürlich im Zusammenhang mit der Verwendung im Deutschen darin liegt, dass man hier immer schon den Artikel verwendet hat, weshalb das Thema bei uns gar nicht aufgefallen ist.

Kann es sein, dass deine Fragestellung hiermit zusammenhängt, und dieses „auf“ eher einer Art von schlechter Verdeutlichung des Unterschieds in anderen Sprachen - vermutlich insbesondere Russisch - dienen sollte?

Das weiß ich nicht. Es war ein Blitzgedanke von mir. Vermutlich benutzen die Teilrepubliken „auf“ um die Zugehörgigkeit der Ukraine zu Russland zu verdeutlichen.

Man fährt in die Ukraine ( ein unabhängiges Land)

Man fährt auf die Ukraine ( ein Nachbarland und teil Russlands)

Das ist nur eine Vermutung. Deshalb suchte ich parallelen im Deutschen bzw. in der deutschen Vergangenheit um meine Vermutung zu untermauern. Die Sprache als ein politisches Instrument.

Grüße

Aber genau das funktioniert nicht, da im Deutschen schon immer der Artikel genutzt wurde. D.h. bei uns ergibt sich kein Unterschied, egal ob die Ukraine jetzt sagt, dass die den Artikel haben will, oder nicht. Bei uns geht dieser Wunsch einfach in Leere. Ganz anders z.B. im englischsprachigen Raum, in dem sich der gewünschte Artikel erst durchsetzen muss/musste und damit dann ein Bewusstsein für die veränderte politische Lage durch Verwendung des Artikels geschaffen wird/werden kann.

Ein - wenn auch ziemlich entfernt - ungefähr analoger Gebrauch ist die Verwendung von „zu“ + Ortsname als Bezeichnung eines Ortes, nur wenn die genannte Stadt eine gewisse Bedeutung hat: „Zu Straßburg auf der Schanz`“, „Im Kerker zu Frankfurt am Main“ usw. aber nicht „im Dorfkrug zu Leiferde“ oder „in der Turnhalle zu Hettenleidelheim“. (außerhalb des südlichen Schwäbischen, wo das „zu“ unabhängig von der Bedeutung des Ortes ist, z.B. auch z’Schemmara oder z’Äpfenga). „In“ geht im Gegensatz dazu immer: In Straßburg, in Leiferde, in Hettenleidelheim.

Schöne Grüße

MM

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Das „zu“ ist halt etwas antiquiert, weshalb es in der Schriftsprache ernsthaft nur noch in gehobenen Kontexten (also Dingen von Bedeutung) angewendet wird

…während in den Dialekten sich so maches altertümliche bewahrt hat, ohne dass es altertümlich wäre. Die Verwendung ist nämlich nicht nur auf das südliche Schwäbisch beschränkt, sondern findet sich auch im Bairischen: z’Miaschboch oder z’Minga.

Hawediehre,
Max

Geht es dir denn um den Artikel? Oder vielmehr um die Präposition „auf“?

Also in einer slawisch-sprachigen Diskussionrunde!?

In der Nähe der Ukraine

spricht man mit Ausnahme Unganrs und Rumäniens ausschließlich (west- und ost-)slawische Sprachen. Und dort weiß man, daß z.B.
polnisch na Ukrainę
slowakisch na Ukrajinu
russisch в Украину
ins Deutsche nicht mit „in die …“, sondern „auf die …“ übersetzt wird, obwohl diese Präpositionen zwischen „in“ und „auf“ in den genannten Sprachen gar nicht unterscheiden?

Aber vielleicht hast du in dem Forum mit in diesen Ländern lebenden Deutschen gesprochen? Und deren Ur-Eltern noch wussten, daß „ukraina“ schlicht „Gegend, Landschaft“ bedeutete, also bevor es zum Namen des Staates wurde, und die vor einigen Jahrhunderten gemeinte gegraphische Gegend → „Wildes Feld“ genannt wurde? („aufs Feld gehen“ ist im Dt. geläufig, aber das hat mit „Nachbarschaft“ nichts zu tun!)

Die Präposition „auf“, eine spätere Entwicklung eines entsprechenden Adverbs, gehört zu denen mit der umfangreichsten Mannigfalitigkeit von Anwendungsvarianten. Das → Grimmsche DWB weist allein für den Akkusativ 27 Varianten auf, die fast alle mit dem ursprünglichen „oben“ bzw. „nach oben“ nichts Erkennbares mehr zu tun haben. Entsprechend auch die Varianten von „auf-“ als Partikel von Partikelverben.

So natürlich auch
„auf Reisen gehen“
„Auf Wiedersehen!“
oder
„Auf gut Glück!“ usw. usw.

Und das einmalige, von @Kreszentia gefundene Beispiel (und zwar ohne Artikel!) hat mit „in die Nachbarschaft gehen“ oder „zu den Nachbarn gehen“ nichts zu tun, wie bereits erklärt.

Die

„theoretische Frage, ob so etwas gibt“

hat also eine Antwort: Nein, gibt es nicht :slight_smile:

Schönen Gruß
Metapher

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„aufs Feld gehen“ passt schon und klingt plausibel.

Ich finde es sehr schade.

Grüße

@Metapher - Träumezerstörer seit 11/2000 :stuck_out_tongue_winking_eye:

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und auch Fantasiezertörer seit 11/2000 :innocent:

Bin doch durch und durch unschuldig. Aber sowas von! :man_shrugging:t2:

incl. die erstaunliche Variante von „von“ in dem Ausdruck :sunglasses:

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