Auflösung eines Staus

Hallo zusammen,

ich hoffe, ich bin hier richtig. Also. Wenn ich manchmal auf dem Weg von der Arbeit nach Hause im Stau stehe, überlege ich immer dies und das, manchmal auch unnütze Theorien. Seit einigen Tagen denke ich immer an das Thema, warum ich stehe : der Stau.

Ich weiss, dass es mittlerweile x Ausarbeitungen und wahrscheinlich schon Diplomarbeiten gibt, warum ein Stau entsteht und wie man ihn ggf. vorhersagen kann. Das meine ich nicht, ich meine das eher mathematisch (darum bin ich hier im Brett)

Ich nehme als Beispiel eine dreispurige Autobahn mit Vollsperrung. Hinter der Sperrung hat sich ein Stau von genau 10 km Länge gebildet, als vorn die Fahrt wieder freigegeben wird.

Weil man im Stehen ja einen kürzeren Sicherheitsabstand hat als im Fahren, baut sich der Stau ja nicht schlagartig ab. Um einen Sicherheitsabstand von 50 Metern zum Vordermann einzuhalten, kann sich (nach meiner Schätzung) ca. alle 3 Sekunden pro Spur ein Auto aus dem Pulk nach vorn lösen.

Wenn sich pro Spur in jeder Minute 20 Autos auflösen, so entspricht das einer Länge von ungefähr 80 Metern. Bis der letzte, der im „ursprünglichen“ 10-km-Stau stand, loskommt, dauert es also rund 2 Stunden.

So weit, so schlecht. Schauen wir mal ans Ende.

Während der letzte im (ursprünglichen) Stau zwei Stunden wartet, bleibt er natürlich nicht der letzte, sondern bekommt von hinten nette (und hoffentlich bremsende) Gesellschaft.

Ich habe jetzt zwei Theorien und bitte darum, mir die zu bestätigen oder mir zu sagen, wo ich falsch liege :

  • Ein Stau pflanzt sich auch dann nach hinten (von der Unfallstelle weg) fort, wenn er sich vorn auflöst.
  • Wenn pro Spur alle 3 Sekunden neue Autos von hinten in den Stau fahren, löst er sich nie auf, auch wenn das eigentliche Hindernis längst beseitigt ist (weil die vorn nicht schneller wegkommen als hinten neue dazukommen). Umkehrschluss : ein Stau kann sich erst dann auflösen, wenn der „Nachschub“ deutlich unter 20 Autos/Minute/Spur liegt.

Vielen Dank im voraus, dass ihr euch mit meinen Gedankenspielen beschäftigt !

Gruss Hans-Jürgen
***

Hallo,

Vielen Dank im voraus, dass ihr euch mit meinen
Gedankenspielen beschäftigt !

ich habe mal einen Artikel gelesen, der sich mit den Gemeinsamkeiten zwischen Staus und Fußgängergruppen auf dem Bürgersteig beschäftigte. Da gab es verblüffende Korrelationen. Fußgänger- und Fahrzeuggruppen bewegen sich nach den gleichen Gesetzmäßigkeiten, d.h. es entstehen Ballungen und freie Zonen, z.B wenn ein langsamer Mensch eine langsame Gruppe überholt. Davor entsteht eine Lücke, während sich dahinter ein Verkehrsgerinsel :wink: bildet.

Zur Frage der Auflösung eines Staus: Viele Staus haben quasi einen Kristallisationskern, wie z.B. Polizei, Feuerwehr oder Gelblicht (ADAC) auf der Gegenfahrbahn. Die Autofahrer auf der anderen Spur bremsen leicht ab und schon reicht der Abfluß nicht mehr aus. Ich denke, das hat jeder von uns schon einmal erlebt. Kaum ist das „Ereignis“ erreicht, läuft der Verkehr wieder flüssig. So ein Stau löst sich auf, wenn das Hindernis sich entfernt bzw. unauffällig wird, d.h. die Lampen ausgehen.

Staus, die aufgrund hohen Verkehrsaufkommens entstehen (z.B. an Autobahnkreuzen), lösen sich idR erst auf, wenn der Zufluß nachläßt, also z.B. zum Ende des Berufsverkehrs hin.

Dann gibt es noch eine dritte Variante, wenn nämlich eine Autobahn an der Belastungsgrenze befahren wird. Ich habe die Zahlen nicht mehr ganz genau im Kopf, aber ich meine das wären 40.000 Autos je Fahrspur und Stunde. Hier reicht es für die Staubildung schon aus, wenn ein einzelner Fahrer unnötig bremst.

Dies kann zur Folge haben, daß nachfolgende Fahrer auch bremsen und sich der Durchsatz unter die kritische Größe verringert. So ein Stau löst sich auf, wenn a) die Verkehrsdichte abnimmt oder b) einige Fahrer diesen Knoten auflösen, indem sie aufs Bremsen verzichten und stattdessen ausrollen lassen. Die Alarmwirkung für nachfolgende Fahrzeuge entfällt und der Verkehr nimmt wieder an Fahrt auf.

Soviel aus der „lameng“.

Gruß,
Christian

Moin

Ich weiss, dass es mittlerweile x Ausarbeitungen und
wahrscheinlich schon Diplomarbeiten gibt

Ich weiss nicht ob die Software frei zugänglich ist, aber es gibt auch ernst gemeinte Stau-simulatoren die das unterschiedliche Verhalten der unterschiedlichen Autofahrer mit einrechnen.

  • Ein Stau pflanzt sich auch dann nach hinten (von der
    Unfallstelle weg) fort, wenn er sich vorn auflöst.

Richtig.

Der Stau pfanzt sich schon nach hinten fort wenn er sich noch gar nicht auflöst. Selbst wenn es gar nicht zum völligen Stillstand kommt gehen die meisten Modelle von einem „Entwickeln nach hinten“ aus. (mit 5-15 km/h, je nach Theorie und Autor).

  • Wenn pro Spur alle 3 Sekunden neue Autos von hinten in den
    Stau fahren, löst er sich nie auf, auch wenn das eigentliche
    Hindernis längst beseitigt ist (weil die vorn nicht schneller
    wegkommen als hinten neue dazukommen).

Richtig.

Umkehrschluss : ein
Stau kann sich erst dann auflösen, wenn der „Nachschub“
deutlich unter 20 Autos/Minute/Spur liegt.

Auch richtig (über die tatsächlichen Zahlen kann man sich streiten).

Deshalb setzen Verkehrsleitsysteme Geschwindigkeitsbegrenzungen schon weit vor Stauenden. Weniger Geschwindigkeit => weniger Wagen pro Minute => schnellere Stauauflösung. Wenn alle Fahrer die beherzigen würden, wäre der Stau schon völlig verschwunden wenn sie an der Stau-„stelle“ ankommen. Da die meisten aber wie blöde weiterheizen, fahren sie ins Stauende und kommen zum stehen. Das Bremsen und Anfahren kostet mehr Zeit als das langsam durchfahren … und schon lebt der Stau ein bisschen länger.

(Ausnahmen bestätigen die Regel: wenn du vom luxemburger Verkehrsleitsystem zum langsam fahren aufgefordert wirst hängt das meistens nicht mit einem Stau zusammen.)

cu

Hallo Zusammen,

Zur Frage der Auflösung eines Staus: Viele Staus haben quasi
einen Kristallisationskern, wie z.B. Polizei, Feuerwehr oder
Gelblicht (ADAC) auf der Gegenfahrbahn. Die Autofahrer auf der
anderen Spur bremsen leicht ab und schon reicht der Abfluß
nicht mehr aus. Ich denke, das hat jeder von uns schon einmal
erlebt. Kaum ist das „Ereignis“ erreicht, läuft der Verkehr
wieder flüssig. So ein Stau löst sich auf, wenn das Hindernis
sich entfernt bzw. unauffällig wird, d.h. die Lampen ausgehen.

bei vielen Staus dieser Art, oder selbst wenn eine Fahrbahn ein paar meter verent ist, ist der Zufluss klein genug, um den Stau auch wieder verschwinden zu lassen. Das „Problem“ verursachen dann die meisten Fahrer aus unkenntnis. Beispiel:

2 Reihen Fahrzeuge schieben sich mit 60 an eine Unfallstelle der Gegenseite heran. In dem Augenblick, wo sie den Kristalisationskern erreichen, realisiere sie aufgrund der „spannenden Situation“ und weil sie ja eh langsam fahren müssen, ca. 2-3 Sekundne zu spät, dass vor ihnen „plötzlich“ frei ist und sie gas geben könnten. Beobachtet dass mal, im Durchschnitt jedes zweite Auto verpennt seinen Beitrag, den Stau von vorne aufzulösen.

Gruß
achim

P.S.: Ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen, dass ich keine Groll dagegen hege, oder dass ich diese Fahrer für Idioten halte. Es ist den meisten schlichtweg nicht bewusst, da man sowas in der Fahrschule NICHT lernt. Es ist niemandem klar, dass wir mit diesen 2 Sekunden die Gaffer auf der Gegenfahrbahn sind, die wir im Radio immer wieder kopfschüttelnd und verständnislos verteufeln.

Hallo Hans-Jürgen,

hier bist Du absolut richtig. Das Thema wir in der Physik im Rahmen der Transporttheorie (die erstmal nix mit Autos zu tun hat) behandelt.

Hier ein kurzer Abriß des Themas: http://www.ivt.ethz.ch/news/archive/schreckenberg.pdf
Alternativ hier Erläuterungen:
http://www.wdr.de/themen/forschung/physik/ameisen_ve…

Liebe Grüße,

Max

@all : vielen Dank für die tollen Antworten (owT)
owT

Anfahren an der Ampel
Mir fällt beim lesen dieses Threads noch etwas anderes ein, was ich mal gehört habe.
Und zwar das man die Schlange an einer Ampel schnellstmöglich auflösen würde, wenn beim Halten jeder einen Absatnd von sieben Metern (? so hab ich die Zahl im Kopf?) einhielte, anstatt direkt bis auf die Stoßstange des Vordermanns aufzufahren. So könnte auch der letzte gemeinsam mit dem ersten losfahren, wenn die Ampel auf grün schaltet.