Aufsichtsratsvorsitzender als Auftragnehmer?

Schönen Guten Tag allerseits,

ich bin mir sicher, diese Info steht irgendwo leicht zugänglich zur Verfügung… nur weiß ich anscheinend nicht, wo und wie ich danach suchen soll. Danke für Euer Verständnis!

Darf der Aufsichtsratsvorsitzende einer AG gleichzeitig deren Auftragnehmer im Alltagsgeschäft sein?

Es gibt ja immer wieder Konstellationen, in denen ein Päarchen (Geschäftsführer eines Unternehmens und Anwalt) versucht, in zwilichter Weise an Geld von kleinen Unternehmern zu kommen (z.B. betrügerische Abmahnungen etc.).

Nun wird in diesem Fall von einem Anwalt versucht, das Geld einzutreiben, der gleichzeitig Aufsichtsratsvorsitzender der Firma ist. Ist das erlaubt?

Danke für Eure Antwort!
Viele Grüße, Véronique

hi,

ich bin mir sicher, diese Info steht irgendwo leicht
zugänglich zur Verfügung… nur weiß ich anscheinend nicht, wo
und wie ich danach suchen soll. Danke für Euer Verständnis!

also ich hab jetzt eine zeitlang recherchiert (kreuz und quer): ich find nix diesbezüglich.
klar ist, dass mitgliedschaft im aufsichtsrat und im vorstand einer gesellschaft einander ausschließen: schließlich ist es aufgabe des aufsichtsrats, den vorstand zu kontrollieren.

Darf der Aufsichtsratsvorsitzende einer AG gleichzeitig deren
Auftragnehmer im Alltagsgeschäft sein?

das ist - vermute ich - nirgends verboten, also erlaubt. nichtsdestoweniger ist es (= finde ich es) äußerst problematisch. denn wenn der aufsichtsratsvorsitzende als unternehmer aufträge vom vorstand entgegennimmt, wird ja sein interesse, den vorstand zu kontrollieren, beeinträchtigt.

es ist aber ungefähr so problematisch, wie wenn jemand, der aus dem vorstand ausscheidet, in den aufsichtsrat wechselt - und dort im rahmen der kontrolle steuern kann, wie mit - äh: - „unglücklichen“ praktiken des ehemaligen vorstands umgegangen wird. aufdecken, zudecken, abschieben …
und dieser wechsel zwischen vorstand und aufsichtsrat ist ja (leider!) völlig üblich.

Es gibt ja immer wieder Konstellationen, in denen ein Päarchen
(Geschäftsführer eines Unternehmens und Anwalt) versucht, in
zwielichter Weise an Geld von kleinen Unternehmern zu kommen
(z.B. betrügerische Abmahnungen etc.).

Nun wird in diesem Fall von einem Anwalt versucht, das Geld
einzutreiben, der gleichzeitig Aufsichtsratsvorsitzender der
Firma ist. Ist das erlaubt?

ich fürchte / nehme an: ja. leider.

formell: man holt sich in den aufsichtsrat einen „fachmann“, der sich „auskennt“.

vermutlich handelt es sich um ein beispiel, an dem man zeigen könnte, wie unvollständig im handelsrecht kontrolle geregelt ist. unser kapitalismus ist ziemlich „frei“; wenn wer sagt, er sei durch gesetze geregelt und „gezähmt“, dann stimmt das kaum.

m.

Das ist doch was ganz normales.

das ist - vermute ich - nirgends verboten, also erlaubt.
nichtsdestoweniger ist es (= finde ich es) äußerst
problematisch. denn wenn der aufsichtsratsvorsitzende als
unternehmer aufträge vom vorstand entgegennimmt, wird ja sein
interesse, den vorstand zu kontrollieren, beeinträchtigt.

Dann vergisst Du aber, dass der Aufsichtsrat die Vertretung des Eigenkapitals ist. Er repräsentiert also den Eigentümer der AG. Und der kann sehr wohl übergeordnete Interessen haben, zum Beispiel keinen Gewinn oder sogar Verlust zu erzielen. Entsprechend ist das sogar ein übliches Konstrukt für Beteiligungsgesellschaften, dass der zuständige Vorstand oder der Vorstandsvorsitzende der Muttergesellschaft den Vorstand des AR inne hat.
Und wenn die Beteiligung dann hauptsächlich Zulieferer ist, möchte man nicht, dass die Beteiligung Gewinne auf Kosten der Mutter macht. Dann ist das Ganze aber auch meist mit einem Beherrschungsvertrag verbunden, wenn die Beteiligung weisungsgebunden ist.

Beteiligungen an Zulieferungen sind eine übliche und sinnvolle Angelegenheit. Insbesondere wenn die Muttergesellschaft vom Zulieferer abhängig ist. Mit der Sperrminorität sichert man sich dagegen ab, dass der Zulieferer nicht mal schnell von der Konkurrenz übernommen wird oder strategisch plötzlich in die falsche Richtung geht (z.B. sich anderen Geschäftsfelder widmet.) Umgekehrt weiß dann auch der Zuliefer, dass der Auftraggeber ein langfristiges Interesse an Zusammenarbeit hat. Gibt dann oft Überkreuzbeteiligungen.

Ciao, Allesquatsch

hi nochmal,
drehen wirs einmal um …

ein straßenbauunternehmer stellt fest, dass er zu wenig aufträge bekommt, weil ihm ein planungsbüro fehlt. er selbst will nicht planer sein und aus bestimmten gründen (z.b. um auch an andere planungsaufträge zu kommen), gründet er (vielleicht mit anderen gemeinsam) nicht eine abteilung in seiner firma, sondern ein eigenes planungsunternehmen.
er selbst will & kann nicht in den vorstand dieses unternehmens (zu wenig zeit, zu wenig kompetenz), aber als besitzer des unternehmens geht er als eigentümervertreter in den aufsichtsrat, um den überblick zu behalten.
(insgesamt eine in vielen branchen völlig übliche vorgangsweise.)

jetzt wärs natürlich absolut kontraproduktiv, wenn er als aufsichtsrat und damit eigentümervertreter keine aufträge „seiner“ planungsfirma entgegennehmen dürfte. es war ja gerade der zweck der firmengründung, für sein bauunternehmen aufträge zu lukrieren.

also: ich bin mir mittlerweile sicher, dass die konstruktion rechtlich hält. unsauber ist sie per se trotzdem, weil die unvereinbarkeit von kontrolle und beauftragung bleibt und v.a. dann schlagend wird, wenn die eigentumsverhältnisse nicht so simpel wie oben sind.

in deinem fall hat der anwalt vermutlich auch das abmahnungsunternehmen (mit-)gegründet und sich dafür einen vorstand besorgt (sozusagen „angestellt“, aber eben nicht wirklich!), damit er an aufträge herankommt. nun sitzt er als eigentümervertreter im aufsichtsrat und schaut drauf, dass der vorstand die aufträge schon an die richtigen anwälte vergibt.
um mit gerhard polt zu sprechen: „ja, das geht.“

m.