Aufwanden?

hallo.

da hat man jetzt in der reform beschlossen, daß dass es nicht mehr „aufwendig“ heißen soll, weil es ja von „aufw a nd“ kommt und deshalb zukünftig aufw ä ndig heißen muß.
klingt logisch.
ein großer aufwand an zeit ist also sehr zeitaufwändig, sprich: ich muß viel zeit aufwenden.
und schon ist’s vorbei mit der logik.
sonst müßte ich ja zeit aufwanden.

also alles willkürliche flickschusterei?
oder wollte man erstmal nicht ganz so konsequent vorgehen, weil so viel logischen sprachaufbau keine der heutigen generationen verkraften würde?

gruß

michael

aufwänden

sprich: ich muß viel zeit aufwenden aufwänden.

also alles willkürliche flickschusterei?

Wieso? Es war schon ca. 100 Jahre überfällig und ging mir immer noch nicht weit genug.

http://www.mydict.com/Wort/aufwänden/

Gruß

Stefan

Hallo Stefan,

Wieso? Es war schon ca. 100 Jahre überfällig und ging mir
immer noch nicht weit genug.

Du meinst, man hätte dann konsequenterweise auch aus den Zuwendungen Zuwändungen machen wüssen? Weil sich das den beiden Nomina ‚Aufwendungen‘ und ‚Zuwendungen‘ zugrunde liegende „wenden“ ja von „Wand“ ableitet und daher natürlich sowieso „wänden“ geschrieben werden musste?

Weitere Kandidaten wären dann natürlich noch „aufgäben“ (von ‚Aufgabe‘), „aufstähen“ (von ‚Stand‘) usw. usf. - da merkt man dann doch die Nähe Mannheims als Sitz des Rates für deutsche Rechtschreibung zum Schwabeländle …

Ohne nun auf einem toten Gaul weiter herumreiten zu wollen und ohne zu leugnen, dass man durchaus auch vernünftige Regelungen eingeführt hat (z.B. in Bezug auf auf ‚ss‘ und ‚ß‘) - aber mit Logik hat diese institutionalisierte Legasthenie namens Rechtschreibreform tatsächlich nichts zu tun.

Freundliche Grüße,
Ralf

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Da die deutsche Sprache eine gewachsene ist und nicht auf der grünen Wiese sachlogisch konstruiert wurde, ist schon das Objekt der Reform nicht „logisch“. Die Reform hat versucht, einige der gröbsten Unebenheiten zu glätten oder zu systematisieren. Dass dies nur in Teilen gelingen kann, liegt wie gesagt an den zahlreichen Ungereimheiten der Sprache und an den Widerständen der Sprachnutzer.

Schon vor der 1. Rechtschreibreform 1876 forderte Jacob Grimm (ja, einer der Brüder) die Durchsetzung logischer Sprachstrukturen: Streichung des Dehnungs-h, des langen „ie“, Konsonantenverdoppelung als durchgängiges Zeichen für Kürze, heutige ß-ss-Schreibung. Am radikalsten ist seine Forderung nach der gemäßigten Kleinschreibung (nur Satzanfänge groß).

Insbesondere der letzte Punkt zeigt, wie schwer Forderungen durchsetzbar sind, die zwar in der Sache sinnvoll erscheinen, jedoch ans Eingemachte der Sprachnutzer gehen. Der Protest war damals groß, ähnlich wäre es heute, dabei würde die gemäßigte Kleinschreibung einen Großteil der Schreibfehler ausmerzen. Das Deutsche ist mit seiner Substantiv-Großschreibung schon extrem exotisch!

Die Großschreibung am Satzanfang hatte sich übrigens bereits im Althochdeutschen etabliert, im Satzinneren taucht sie erst im 13. Jh. auf, als Zeichen der Ehrerbietung (HErr, GOTT). Luther hat nur vereinzelt Majuskeln verwendet, in der Bibelausgabe von 1542 werden dann schon 80% der Substantive großgeschrieben.

Hach, ein furchtbar spannendes Thema, wie ich finde. Man sieht: „Logisch“ war die Sprache nie, dafür sind die Reformbemühungen und ihre Widerstände seit der 1. Orthographischen Konferenz 1876 bis zur 3. Orthographischen Konferenz (aktuelle RS-Reform) die gleichen.

LG Hahu

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Da die deutsche Sprache eine gewachsene ist und nicht auf der
grünen Wiese sachlogisch konstruiert wurde, ist schon das
Objekt der Reform nicht „logisch“.

Das ist natürlich richtig.

Die Reform hat versucht,
einige der gröbsten Unebenheiten zu glätten oder zu
systematisieren.

Gerade im vorliegenden Fall ist jedoch das genaue Gegenteil der Fall. Aus dem ‚aufwenden‘ hat man völlig ohne Not ein ‚aufwänden‘ gemacht, beim ‚einwenden‘ hat man es ungeachtet vorhersehbarer Einwände belassen.

Erst recht da, wo es solche (vergleichsweise jungen) Substantivbildungen wie ‚Aufwand‘ (erst im 18. Jahrhundert nachgewiesen) oder ‚Einwand‘ nicht gibt: abwenden, umwenden usw., beim einfachen ‚wenden‘ sowieso. D.h. man hat mit der Missgeburt ‚aufwänden‘ einen zusätzlichen Sonderfall geschaffen und damit die Rechtschreibung noch inkonsistenter und irregulärer gemacht, als sie es ohnehin schon war.

Gruß,
Ralf

Und nicht nur da trieb der Wahn Blüten, lieber Tychiades!

Da wäre noch der Stängel, auf dem die Pflanze steht, aber man bezog ihn lieber auf die Stange.
Auch die Gämse muß jetzt verhunzt durchs Gebirge springen, obwohl sie es seit dem 13.Jh. als Gemse tat und im mhd. noch als „gemeze“ ohne darauf Rücksicht zu nehmen, dass die Italiener sie „Camoscio“ nannten.

Hingegen hatte niemand etwas gegen „aufsässig“ einzuwänden, obwohl es sich aus „aufsetzen“ herleitet. In der Tat scheinen sich die vorderpfälzischen Sprachgewohnheiten hier doch ziemlich beitgemacht zu haben.

Gruß
Eckard

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Da wäre noch der Stängel, auf dem die Pflanze steht,

… wobei man natürlich eigentlich ‚stähen‘ schreiben müsste, von Stand (und ‚gähen‘ von Gang) …

So viel zum „Prinzip“ Ableitung vom Wortstamm.

„Willkürliche Flickschusterei“ trifft’s wirklich ganz hervorragend.

Gruß,
Ralf

hallo hahu.

Am radikalsten ist seine Forderung
nach der gemäßigten Kleinschreibung (nur Satzanfänge groß).

nNa da bin ich doch glatt dafür :wink:

Hach, ein furchtbar spannendes Thema, wie ich finde.

durchaus.

Man
sieht: „Logisch“ war die Sprache nie, dafür sind die
Reformbemühungen und ihre Widerstände seit der 1.
Orthographischen Konferenz 1876 bis zur 3. Orthographischen
Konferenz (aktuelle RS-Reform) die gleichen.

hätte der gute alte duden mal lieber gleich nägel mit köpfen gemacht! :smile:

gruß

michael

hätte der gute alte duden mal lieber gleich nägel mit köpfen
gemacht! :smile:

Duden hat sich bei der 1. Orthographischen Konferenz 1876 tatsächlich stark für die Ergebnisse eingesetzt, die vor allem dem phonetischen Prinzip folgten (schreibe, wie du hörst). Die Konferenzbeschlüsse wurden aber nicht umgesetzt - zu sehr tobte der Widerstand in der öffentlichen Debatte. Kultusminister und Schulbehörden lehnen das Konferenzergebnis (u.a.: heutige ss-ß-Schreibung, Ersetzung des „th“ durch „t“) ab.

Interessanterweise finden Teile des Beschlusses klammheimlich Eingang in die Schulbücher von Preußen und Bayern - Reichskanzler Bismarck verordnet unterdessen die Rückkehr zur alten Schreibung (die aber nirgendwo festgeschrieben ist!) und verbietet seinen Beamten bei „gesteigerter Ordnungsstrafe“ (Scheuringer 1996, S. 75), die neuen Regeln zu befolgen.

So existieren bis 1901 (2. Orth. Konf.) zwei Rechtschreibungen nebeneinaander: die preußische Schulorthographie und die von Bismarck geforderte alte Schreibung, zu sehen bspw. im BGB.

Aufgrund dieses Dilemmas fand dann 1901 die 2. Orth. Konferenz statt, wo die allseits bekannte deutsche Rechtschreibung festgelegt wurde. Viele heutige Reformgegner wissen nicht, dass also auch die bisherige Rechtschreibung Ergebnis einer staatlichen Verordnung war.

Den Konferenzteilnehmern war damals übrigens klar, dass die Festlegung der RS auch zahlreiche Ungereimtheiten einschließt (welche von Reformgegnern oft ausgeblendet werden). Die komplizierte Großschreibung wurde als unbefriedigend angesehen, die Kleinschreibung war aber gesellschaftlich nicht durchsetzbar; die Getrennt- und Zusammenschreibung wurde überhaupt nicht geregelt.
Etliche Vereinfachungen von 1876 und von Dudens erstem Wörterbuch 1880 wurden gesellschaftlich-politischen Gründen wieder zurückgenommen.

Die alte RS erlaubte eine Vielzahl von Alternativschreibungen. Im Auftrag des grafischen Gewerbes konzipierte Duden dann 1903 den Buchdruckerduden, in dem er eine Variante favorisiert - die Alternativen verschwinden so aus dem Schreibgebrauch. Duden nimmt sich auch der Interpunktion und der Getrennt-Zusammenschreibung an und wirkt so normativ auf die öffentliche Schreibe ein.

Natürlich gibt es auch Wörterbücher anderer Autoren - und auch damals stürzte sich die Presse auf Unterschiede in den WB und malte „Sprachverwilderung“ an die Wand. Auf Anfrage der Dudenredaktion legte 1955 die KMK im sog. „Stillhaltebeschluss“ fest, dass im Zweifel die Schreibung des Dudens gelte.

Seitdem gab es in Ost und West etliche Gruppierungen, die mehr oder weniger radikale Reformen forderten. Stets prallen die (in sich überaus stimmigen!) grundsätzlichen Ansichten und Prinzipien aufeinander, von der Frage der gesellschaftlichen Durchsetzbarkeit gar nicht zu reden.

Denn am „einfachsten“ wäre ja:

  • gemäßigte (oder gar komplette) Kleinschreibung
  • eine Laut-Buchstabenreform (x=ks, v=f, ck=k, q=kw, ä=e etc.), so dass ein Laut nur durch einen Buchstaben dargestellt wird, was auch ein paar neue Buchstaben bedeuten würde (für sch oder ng)
  • Systematisierung der Längenkennzeichnung

Aber wie gesagt: Die Natur kennt keine rechten Winkel. Und dem lebendigen Sprachkörper im laufenden Betrieb so radikal zu begradigen, ist schwer vorstellbar.
Andererseits: Kemal Atatürk hat dem Türkischen ein lateinisches Alphabet verordnet, das eigens den Eigenarten dieser Sprache angepasst wurde.

Hallo Hahu!

Andererseits: Kemal Atatürk hat dem Türkischen ein
lateinisches Alphabet verordnet, das eigens den Eigenarten
dieser Sprache angepasst wurde.

Sicher, aber er hat dadurch das (ungeeignete) Arabische Alphabet ersetzt. So eine „richtige“ Rechtschreibreform, die auf Grundlage desselben Alphabetes eine rein phonetische Schreibung erreicht, kenne ich nicht.
Венн вир jеццт аллес ин күриллишен Бухштабен шрайбен вүрден, данн кэме да jа аўх васс Фонетишес раўс, одер ниххт?*

Liebe Grüße
Immo

*Wenn wir jetzt alles in kyrillischen Buchstaben schreiben würden, dann käme da ja auch was Phonetisches raus, oder nicht?