Aus den Augen, aus dem Sinn

Hallo,

meines Erachtens ist der Mensch unfähig, aufgrund eingeschränkter Wahrnehmung bei der überwiegenden Mehrzahl seiner Entscheidungen ethisch richtig zu handeln.

„Aus den Augen aus dem Sinn“ führt dazu, dass alle Menschen die meiste Zeit unethisch handeln, in Bezug auf das, was sie selbst als ethisch empfinden würden, wenn die Auswirkungen ihrer Handlungen direkt bewußt wären.

Direkte Beispiele gibt es unzählige.
Die Mehrzahl der Menschen sind Fleischesser. Die Mehrzahl von diesen Menschen, so meine Meinung, würde sich jedoch gegen das Töten z.B. des Rinds entscheiden, das direkt vor ihnen steht, wenn sie alternativ ein Brot backen könnten.

Die meisten Menschen lassen ihren Fernseher auf Standby. Die Mehrzahl von diesen Menschen, so meine Meinung, würde es unterlassen Geräte auf Standby zu lassen, wenn sie die Wechselwirkung von Stromerzeugung und Umweltzerstörung verständlich und klar erleben könnten.

Vor diesem Hintergrund ist es fast müßig zu diskutieren was ethisch richtiges Verhalten wäre, weil sich sowieso so gut wie niemand daran hält. Dies gilt ebenso für ethisches Verhalten, wie es in Religionen gelehrt wird.

Gerade die klar sichtbare Diskrepanz zwischen Gelehrtem und Gelebtem führt für viele zur Einsicht, dass ein ethisches Lehrbuch in vieler Hinsicht seinen Zweck nicht erfüllt.

Mache ich einen groben Denkfehler? Bzw. welche philosophische Richtung entspricht mein Gedankengang? Ich würde gern mehr in dieser Richtung lesen.

Besten Gruß
Mathias

Hallo Mathias

Mache ich einen groben Denkfehler?

Nein.

Bzw. welche
philosophische Richtung entspricht mein Gedankengang? Ich
würde gern mehr in dieser Richtung lesen.

Nun, das, worauf du da anspielst, hat ja ganz offensichtlich mit dem Phänomen der VERDRÄNGUNG zu tun.
Dinge, die unangenehm sind, werden schneller verdrängt.
Dieses wiederum ist eine Erkenntnis aus der Psychoanalyse FREUDs, also könntest du da nachlesen. (Freud wird ja ohnedies öfters auch zu den Philosophen gerechnet, was sicherlich berechtigt ist.)
Zum Beispiel Freuds „Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse“, um jetzt nur mal eine Literaturquelle zu nennen.
Gruß,
Branden

Hallo,

meines Erachtens ist der Mensch unfähig, aufgrund
eingeschränkter Wahrnehmung bei der überwiegenden Mehrzahl
seiner Entscheidungen ethisch richtig zu handeln.

Wird ethisches Handeln zugelassen? Der Bürger hat moralisches Denken als soziale Ideale z.B. anhand der Verfassung im Sozialkundeunterricht oder am Beispiel der Bibel im Konfirmandenunterricht kennengelernt, aber im täglichen Leben werden permanent Entscheidungen von ihm gefordert, die gravierende Nachteile bei Entscheidungen für „Gutes“ androhen.

Die Mehrzahl der Menschen sind Fleischesser. Die Mehrzahl von
diesen Menschen, so meine Meinung, würde sich jedoch gegen das
Töten z.B. des Rinds entscheiden, das direkt vor ihnen steht,
wenn sie alternativ ein Brot backen könnten.

Das kann man als Bürger ausprobieren. Sage einfach „Ab heute wird vegetarisch gelebt!“ Einige Tage später lädt dich der Firmenchef zum Essen ein und offeriert eine gut dotierte Position als Ing in der Konstruktion: Sein bestelltes Essen kannst du in die Küche retour gehen lassen und der neue Job entpuppt sich als Steuerung einer High-Tech-Schlachtanlage am städtischen Schlachthof. Nun, kommt die eigene Reaktion als Familienvater und Jung-Ingenieur.

Vor diesem Hintergrund ist es fast müßig zu diskutieren was
ethisch richtiges Verhalten wäre, weil sich sowieso so gut wie
niemand daran hält.

Das Thema „Gut und Böse“ ist ja seit Adam und Eva Gegenstand der Weltliteratur. Der Verzicht auf dessen Erörterung wäre dann die perverse Tyrannei - und wer will die eigentlich wirklich?. Ein Großteil der Rechtsprechung beruht auf eine Ethik, die der entsprechenden Kultur entspricht. Es geht auch immer um das Ausmaß von bösartigen Handlungen, d.h. es wäre ein Unterschied, ob ein Mensch 1% Negativhandlungen vornimmt und sonst eigentlich ein Engel ist.

Gerade die klar sichtbare Diskrepanz zwischen Gelehrtem und
Gelebtem führt für viele zur Einsicht, dass ein ethisches
Lehrbuch in vieler Hinsicht seinen Zweck nicht erfüllt.

Erzähl’ das dem Strafgericht. Es gibt nicht nur ein Entweder-Oder, sondern auch immer die Bemühung um ethisches Handeln so weit es irgend möglich ist. Wie soll der Verzicht auf Moral aussehen? Das ist alles durchdacht worden. Momentan kommt es immer wieder in die Diskussion unter dem Motto, dass die einen Leute keinerlei Ethik beachten und andere artig gescheitelt und sittsam sich verhalten.

Mache ich einen groben Denkfehler?

Du siehst das Prinzipielle hinter der Forderung nach Verzicht auf Ethik nicht. Menschen, die von Süchten getrieben sind, wollen andere „reinreißen“ und damit schwächen. Die Staatsform „Freiheitliche Demokratie“ braucht für eigenverantwortliches Bürgerhandeln Moral. Diktaturen können aufgrund totalitärer Überwachung auf Moral im Sinne einer allgemeinen Ethik verzichten.

welche philosophische Richtung entspricht mein Gedankengang?

Perverse Tyrannei aber auch extreme Linke (Ablehnung bürgerlicher Moral).

MfG Gerhard Kemme

Hallo Mathias,

„Aus den Augen aus dem Sinn“ führt dazu, dass alle Menschen
die meiste Zeit unethisch handeln, in Bezug auf das, was sie
selbst als ethisch empfinden würden, wenn die Auswirkungen
ihrer Handlungen direkt bewußt wären.

das ist möglicherweise richtig, dennoch muss man auf jeden Fall zumindest drei Aspekte anfügen:

  1. in vielen Fällen könnten die Auswirkungen durchaus bewusst sein; sie sind aber so vielfältig, dass ein Widerspruch innerhalb der ethischen Grundsätze einer und derselben Person entsteht.
    Z.B. kann man ja problemlos gleichzeitig für Tierschutz und für medizinischen Fortschritt sein; wie verhält man sich im Falle der Tierversuche? (das war nur ein sehr einfaches Beispiel, in vielen Dingen sind die Auswirkungen weit komplexer)

  2. in vielen Bereichen ist es so, dass man gerne bestimmte ethische Haltungen in die Praxis umsetzen würde, dies aber aus ökonomischen (im weiteren Sinne, also etwa auch die Zeit einschließend, verstanden) Gründen nicht kann;
    Beispiel: eine Person kann für Umweltschutz sein, benötigt aber ein Auto um zur Arbeit zu kommen; diese Person würde gerne eine Auto mit neuester Schadstoffvermeidungstechnologie fahren, kann sich aber nur nen alten Golf mit U-Kat leisten…

  3. in ganz vielen Bereichen hängt die Auswirkung von Verhalten nicht davon ab was einzelne Personen denken und tun, sondern vom Verhalten eines Kollektivs;
    nochmal zum Beispiel eben: die Umweltschutz-Person würde gerne gar nicht Auto, sondern Bahn fahren; kann dies aber nicht, weil die Bahnstrecke stillgelegt wurde, da sie zu wenig genutzt worden ist…

Die Mehrzahl der Menschen sind Fleischesser. Die Mehrzahl von
diesen Menschen, so meine Meinung, würde sich jedoch gegen das
Töten z.B. des Rinds entscheiden, das direkt vor ihnen steht,
wenn sie alternativ ein Brot backen könnten.

Das ist ein ganz wichtiger Aspekt, den Du hier ansprichst.
In vielen Bereichen gilt der ethische Grundsatz nur dann, wenn man das „Objekt“ auf das dieser Grundsatz zielt, als gegenwärtig empfindet.

Z.B. würde hier in Deutschland kaum jemand sagen, man solle Arbeitslose verhungern lassen, weil diese halt irgendwie die falsche Ausbildung, etc. hätten, damit doch selber schuld seien;
dieselben Personen sind aber der Ansicht, dass die Entwicklungshilfe für Afrika nicht erhöht werden soll, weil die doch selbst schuld seien, wenn sie ihre Wirtschaft nicht selbst hochbrächten,…

Hier spielen noch andere Dimensionen mit hinein, v.a. die Frage, wen man zu seiner Gruppe zählt, als ein Wir betrachtet (hier: die Deutschen), und das Prinzip der Verantwortungsdiffusion (hier z.B.: „Sollen doch erst mal die Amis ihre Entwicklungshilfe erhöhen, dann machens wirs auch“).

Vor diesem Hintergrund ist es fast müßig zu diskutieren was
ethisch richtiges Verhalten wäre, weil sich sowieso so gut wie
niemand daran hält.

Das halte ich für viel zu vorschnell; ich habe versucht zu zeigen, wie schwierig das mit der Ethik ist; aber Schwierigkeit ist noch lange keine Müßigkeit.

Auf der anderen Seite hast Du natürlich auch Recht; gegen das von Dir angesprochene Standby hilft eine technische Lösung (kein Standbyknopf) bzw. eine politische Lösung besser (Gesetz gegen die Verwendung von Standbygeräten).

Für das Beispiel Standby klingt das ein bißchen absurd, aber für die oben angesprochenen „Afrikaner“ sicher nicht.

Mache ich einen groben Denkfehler?

Aus meiner Sicht machst Du keinen groben Denkfehler;
Du simplifizierst die Problematik lediglich etwas über Gebühr und kommst deshalb mit zu wenig Bedenken und zu wenig Selbstkritik zu einem Fazit, das durchaus akzeptabel ist in der Philosophie: dass man auf Ethik nicht bauen kann.

(By the way: In der Philosophie des 20. Jahrhunderts ist zweifelsfrei eine „Krise der Ethik“ festzustellen)

Bzw. welche
philosophische Richtung entspricht mein Gedankengang? Ich
würde gern mehr in dieser Richtung lesen

Da müsstest Du erst mal Deinen Gedankengang feiner nuancieren, dann könnte ich wahrscheinlich Empfehlungen abgeben; im Moment ist das Raster noch viel zu grob.

Viele Grüße
franz

Vielen Dank
Hallo,

vielen Dank für Eure Antworten.

Besten Gruß
Mathias

Hallo,

meines Erachtens ist der Mensch unfähig, aufgrund
eingeschränkter Wahrnehmung bei der überwiegenden Mehrzahl
seiner Entscheidungen ethisch richtig zu handeln.

Hallo Mathias,
Meiner Ansicht nach gibt es soviele Ethen wie Gattungen auf dieser Erde. Also ist die Ethik „artenspezifisch“. Beispiele gibt es genug !
Gruss: hardy

Hallo Mathias,
Meiner Ansicht nach gibt es soviele Ethen wie Gattungen auf
dieser Erde. Also ist die Ethik „artenspezifisch“. Beispiele
gibt es genug !
Gruss: hardy

Hallo Hardy,

ich glaube Du hast mich da ein bisschen misverstanden. Ich meine ausdrücklich, auch durch meine Beispiele dargestellt, dass jeder Mensch überwiegend im Sinne seiner eigenen persönlichen Ethik nicht richtig handelt. Dass es auf der Welt in jedem Winkel, ja von Person zu Person andere ethische Vorstellungen gibt, ist mir bewußt.

Das soll auch eine wertfreie Feststellung sein, wobei ich schon häufig erlebt habe, dass dies als persönliche Beleidigung empfunden wird.

Der Mensch will eben auch häufig perfekt sein im Sinne eines Idealbildes dass der eigenen Natur widerspricht und das Streben nach dieser Perfektion letztendlich nur zu Leid führt.

Besten Gruß
Mathias