Ausbildung - nur Probleme

Hallo,

zur Zeit mache ich eine Ausbildung zur Industriekauffrau (2. Jahr).
Leider leider lerne ich im Betrieb überhaupt nichts. Ich habe nicht einmal etwas mit meinem eigentlichen Ausbildungsbetrieb zu tun, sondern nur mit den diversen Schwesterfirmen, die aber keine Industriebetriebe sind. In den letzten 12 Monaten wurde die ganze Firmengruppe zweimal umstrukturiert, so dass wir inzwischen so gut wie keine kaufmännischen Arbeitsbereiche mehr haben, was eine kaufmännische Ausbildung nicht gerade einfach macht. Die meiste Zeit verbringe ich mit dem Eingeben von Lieferscheinen und mit kopieren. Hinzu kommt auch noch, dass ich seit einem halben Jahr keinen Ausbilder mehr habe, da dieser die Firma verlassen hat. Ich habe bereits versucht, mit meinem Chef zu reden, doch der ist nicht bereit, etwas daran zu ändern. Er meint, dass nur die Berufsschule mir etwas beibringen müsste.
Was kann ich jetzt noch machen? Soll ich die IHK informieren?

Gruß
Lilly

Hallo Lilly,

*seufz* in so einer Firma war ich auch mal, wo man den Lehrlingen schon aus Prinzip gar nix beigebracht hat. Mit dem Scheffe reden machte auch dort keinen Sinn - ich versteh also das Problem.

Nur: wenn Du nicht einen „vernünftigen“ Ausbilder hast (bzw. Deiner keinen Nachfolger kriegt) ist’s schwierig. Dann hast Du folgende Möglichkeiten:

  • Du sitzt Deine Zeit ab, lernst im wesentlichen nix und schaffst Deinen Abschluss irgendwie, aber hast halt dann immer noch keine Ahnung.
  • Du gehst Deinen gutmütigen Kollegen auf den Keks, löcherst sie, was sie denn da tu und ob Du das auch lernen kannst etc. Nachteil: geht den Leuten ziemlich auf den Wecker und Du selber musst ständig aktiv werden. Vorteil: Du lernst was und längerfristig kannst Du diese gutmütigen Menschen ja auch entlasten (sag ihnen das notfalls *fg*).
  • Du gibst auf und schmeisst Deine Lehre hin - ach vergiss es, ich glaub wir sind uns einig, dass das ne Scheiss-Idee ist!
  • Es gibt - wie ich seinerzeit gelernt habe - sowohl an der Berufsschule wie auch bei der IHK Vertrauensleute, die Dir mit Rat und Tat zur Seite stehen und eventuell auch mit Deinem Ausbildungsbetrieb reden. Zumindest den Kontakt mit diesen Leuten solltest auf jeden Fall suchen, auch wenn Du nicht willst, dass sie mit Deinem Scheffe reden. Letzten Endes sind das die einzigen Gestalten, die Dir weiterhelfen können.
  • Weiters ist der Zeitpunkt zwar recht ungünstig, da das neue Lehrjahr ja grad begonnen hat, aber es gibt durchaus die Möglichkeit Deine Lehre in einem anderen Betrieb zu beenden. Hier ist natürlich Argumentation alles. Also nicht: „war alles doof“ sondern „aufgrund verschiedener Umstrukturierungsmassnahmen wurde der kaufmännische Teil immer geringer, so dass blafasel“. Hier solltest Du aber sehr beschleunigt in die Pötte kommen und Dich bewerben. Am besten natürlich über Mundpropaganda (vielleicht ist in Deinem Lehrjahr ja jemand ausgestiegen und Du könntest seine Lehrstelle übernehmen? Oder Du kennst jemanden, der jemanden kennt, der…?)
  • Soweit ich weiss, kannst Du auch in „Lehrbetrieben“ von der IHK Deine Ausbildung beenden. Aber ich habe schon gehört, dass das einen eher schlechten Ruf geniesst. Leider habe ich damit keine Erfahrungen, aber auch das sollte Dir der nette IHK-Mensch bzw. Vertrauensmensch an Deiner Berufsschule sagen können.

Soll ich die IHK informieren?

*grins* Weniger im Sinne von „informieren“ sondern mehr im Sinne von „Dir helfen lassen“ :wink:

*wink* und viel Erfolg

Petzi

Hallo Lilly,

Petzis Alternativenliste habe ich an Praktischem nichts hinzuzufügen. Nur mit meinen Erfahrungen kann ich Dir dienen. Vielleicht klingt dieser Satz ja jetzt etwas tönern: Das ist das (Arbeits-)Leben! Wenn Du Dich selber damit abfinden kannst, findest Du mit etwas Disziplin den richtigen Weg und somit guten Start ins Berufsleben.

Du bist lernwillig und hast Augen im Kopf. Versorge Dich selber mit der nötigen Theorie und schau Dich dann konkret in Deiner Firma um. Halte den Kontakt zu anderen Azubis - wie sieht es bei denen aus? Es ist sogar aus so einer Situation (die Firma hat Probleme) viel zu lernen! Nach Deinem Abschluss kräht kein Hahn mehr danach, was in Deiner Ausbildung alles schief gelaufen ist. Da geht es dann bei Bewerbungen nur noch um Deine Noten. Es ist aber auch so, dass es zu ganz seltenen Glücksfällen gehört, dass man eine Firma findet, in der man super-gerne arbeitet, wo alles intakt ist und die Tätigkeit mehr als Spaß macht… Vieles hast Du also selber in der Hand. Auch als Azubi. DAS eine Jahr schaffst Du ja wohl auch noch! Aber eine abgebrochene Lehre wird Dir später ungleich schwerer auf die Füße fallen, könnte sogar nachhaltig Dein weiteres Berufsleben sehr negativ bestimmen. Das solltest Du nicht unterschätzen. Erst recht nicht bei der momentanen Lage auf dem Arbeitsmarkt. Da wird Dir keiner zuhören, wenn Du (berechtigte) Kritik äußerst, sondern man wird Dir Undankbarkeit und Maßlosigkeit unterstellen - unter Umständen.

Und als Frau sowieso kann ich Dir nur empfehlen: Kämpfen-kämpfen-kämpfen!

Alles Gute
Jana

Hallo Lilly,

leider hast Du keinen besonders guten Ausbildungsbetrieb erwischt. Deshalb kommt es jetzt besonders auf Dich an! Meine Vorredner haben Dir schon viele nützliche Tipps gegeben und auch ich kann Dir nur raten, durchzuhalten.

Um einen guten Abschluss zu erreichen brauchst Du Übung! Vermutlich reicht dafür der Berufsschulunterricht nicht ganz aus. Du solltest deshalb alte Prüfungen selbstständig durcharbeiten oder spezielle Materialien zur Prüfungsvorbereitung benutzen. Wenn Du die benötigten Unterlagen in Deiner Firma nicht bekommen kannst, frage doch mal Deine Mitschüler in der Berufsschule. Es sind bestimmt auch Azubis guter Unternehmen dabei, die Dir die Sachen kopieren können. Ansonsten findest Du bestimmt Prüfungvorbereitungsunterlagen im Buchhandel. Wenn Du Fragen hast, wende Dich an nette Kollegen oder Deine Berufsschullehrer.

Wenn das nicht reicht, gibt es evtl. (je nach Wohnort) die Möglichkeit, spezielle Prüfungsvorbereitungskurse für Azubis bei der IHK zu belegen. Manche Firmen bezahlen sie sogar. Erkundige Dich doch mal bei Deiner IHK!

Leider wirst Du dadurch Freizeit und evtl. Geld opfern müssen. Aber ich glaube, dieser Aufwand ist geringer, als kurz vor Ende der Ausbildung den Ausbildungsplatz zu wechseln. Bedenke, dass eine richtig schlechte Note Deinen weiteren Berufsweg stark behindern kann. Versuche also, mindestens mit einer 3 die Ausbildung abzuschließen - auch wenn es unter den Umständen viel Mühe macht.

Viel Erfolg und viele Grüße

Anne

Hallo Lilly,

dass es in deinem Ausbildungsbetrieb nicht so toll läuft, ist natürlich doof.

Petzi hat dir ja schon einige gute Tipps gegeben, wie du vielleicht am praktischen Teil deiner Ausbildung was ändern und vielleicht sogar verbessern kannst.

Aber in Bezug auf die Prüfung will ich noch was loswerden.

Als ich vor fast 10 Jahren meine Ausbildung zur Industriekauffrau abgeschlossen habe, war zumindest angeblich die praktische Ausbildung im Betrieb noch für die Prüfung wichtig. Denn in der mündlichen Prüfung wurde ich dazu befragt. Inzwischen gibts ja eine neue Prüfungsordnung. Wie die ganz genau aussieht, weiß ich noch nicht 100%-ig. Aber ich weiß, dass man jetzt eine Präsentation statt mündliche Prüfung halten muss. Die bzw. deren Thema muss im Vorfeld bei der IHK angemeldet und von denen genehmigt werden. Der Antrag wird auch vom Ausbildungsbetrieb ausgefüllt. Insofern solltest du mindestens dadurch ein kleines „Druckmittel“ haben, dass dir dafür der Ausbildungsbetrieb (bzw. die Kollegen) hilft.

Ansonsten ist die Prüfung eher durch das, was du in der Berufschule lernst, als durch das, was du im Betrieb lernst, zu schaffen. Denn da will die IHK halt immer noch die Theorie wissen - und so läuft es eh seltenst in den Betrieben tatsächlich ab.

Für die Theorie gibt es, falls du in der Berufschule da vielleicht noch irgendwelche Probleme hast, wunderbare Literatur. Was ich empfehlen kann ist „Sicher zum Industriekaufmann“. Das Buch deckt fast alles ab, was man für die Prüfung braucht. Die alten Prüfungen der IHK helfen generell auch, es gibt halt nur bis jetzt kaum Prüfungen, die nach der neuen Form durchgeführt wurden. Die alten Prüfungen helfen aber auch, um sich an den (manchmal etwas dämlichen) Formulierungsstil der IHK zu gewöhnen.

Mach dich also nicht verrückt, zieh das eine Jahr noch durch - deine Prüfung kannst du trotzdem bestehen!

Und wegen dem praktischen Teil:
Ich musste in meiner Ausbildung auch viel kopieren und allerlei Unterlagen ablegen bzw. zig Runden durch den Betrieb drehen und Papier verteilen. Im Verkauf hab ich 3 Monate fast nur Ablage gemacht, in der Arbeitsvorbereitung 3 Monate fast nur Ausschuss ins System getippt (das mal nur als Beispiel). Das gehört dazu. Man kann halt einen Azubi nicht so ohne weiteres mal grade eben die neuen Verhandlungen im Einkauf führen lassen :wink: Auch wenn du meinst, nur Dinge zu machen, bei denen du nichts lernst… wenn man mit offenen Augen und Ohren seine Arbeit macht, kriegt man dennoch genug mit, welche Arbeit eigentlich anfällt und wie die erledigt wird. Und vielleicht hast du ja wirklich Glück, dass sich irgendwelche Kollegen bereit erklären, dir was zu zeigen oder dich helfen zu lassen (wenn du dich bei deinen Aufgaben nicht grad total ungeschickt anstellst). Man darf aber nicht vergessen, dass die Mitarbeiter oft dermaßen unter Druck (von oben) stehen, dass sie einfach keine Zeit haben, zu ihrer normalen Arbeit noch Azubis auszubilden. Wenn sich die Kollegen also nicht freiwillig drum reißen, dir was beizubringen, nimm es denen nicht gleich persönlich übel. Denn dafür gibts normal den Ausbilder im Betrieb, damit der sich drum kümmert, dass die Azubis was lernen. Dass der jetzt bei dir fehlt, ist deshalb erst recht ärgerlich. Den wirst du aber nicht herbei zwingen können.

Frag mal bei der IHK an, ob die Ideen für dich haben, wie du mehr Praxiswissen erlernen kannst. Musst ja nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen und sagen, dass der Betrieb in der Hinsicht bescheiden ist. Und falls die auch keine Lösung für dich wissen: das eine Jahr geht auch noch rum! Im nächsten Unternehmen sieht eh wieder alles anders aus…

Viele Grüße
Merlinchen

Hey Lilly,

genau das gleiche habe ich in meiner alten Firma auch erlebt. Ich bin z.Z. Auszubildender im 3. Lehrjahr und habe aufgrunddessen die Firma gewechselt, weil ich auch in meiner alten Firma nichts gelernt habe.

Bei uns gab es große Umstrukturierungen und ich habe nur den Dreck dort gemacht (10 mal am Tag Kaffee serviert, Stadtgang (Ca. 2 Std. mit dem Auto unterwegs sein und Briefe verteilen und Kontoauszüge von der Bank holen uvm., den Kaffeautomat reinigen und nachfüllen etc…) und im zweiten Lehrjahr sagte man mir, dass ich demnächst warscheinlich auch noch Papier schreddern sollte.

In den Abteilungen habe ich auch nichts gelernt, im Einkauf habe ich ein halbes Jahr nur Preislistenänderung durchgeführt.

Ich habe mich entschlossen, dann die Firma zu wechseln. Ich habe einfach bei den Betrieben angerufen und kurz die Lage geschildert (damals stand mein Betrieb aber noch auf der Kippe, hat aber noch keine Insolvenz angemeldet. Mahnungen etc. täglich) und dann sagten mir zwei Firmen (ich habe bei vier Firmen angerufen und nachgefragt) und 3 haben sogar das OK gegeben, dass ich meine Bewerbungsunterlagen losschicken könnte.

Mach das unbedingt, rufe bei anderen Firmen in der Personalabteilungen an und schildere denen das.

Ich bereue das auf keinen Fall, super Arbeitsklima, super Arbeitskollegen und 200 € verdiene ich jetzt auch als Azubi mehr :smile:.

Die IHK stand null hinter mir! Also, sie haben mir zwar gesagt, dass ich mich bewerben soll, aber Hilfe habe ich von denen überhaupt nicht bekommen. Keine Bewerbungsadressen nichts, gar nichts. Sie meinte nur, schauen Sie doch ins Internet…

Aber anrufen würde ich Sie schon, an deiner Stelle.

Ich würde einfach Firmen, die dir bekannt sind anrufen, auch große Firmen vielleicht und denen es schildern. Zusätzlich kannst du dich ja noch auf Stellenausschreibungen bewerben.

Aber, 80 % der Stellen z.B. sind gar nicht ausgeschrieben, sondern werden nur vergeben, wenn jemand nachfragt (telefonisch z.B.) oder durch Vitamin B (Beziehungen).

Ja und dann ging es ganz schnell. Bei der einen Firma, bei der ich jetzt bin, war ich beim Vorstellungsgespräch, habe denen nochmal die Lage dort geschildert und dann haben Sie das OK gegeben und mir einen Ausbildungsvertrag geschickt. Einen Monat später habe ich dort angefangen.

Ich bin zu meinem Chef gegangen und habe ihm gesagt, dass ich mit ihm
einen Aufhebungsvertrag abschließen möchte. Er hat dann wiederwollend ja gesagt und unterschrieben.

Kein Chef lässt jemanden aus dem Betrieb (wenn er eine neue Ausbildungstelle hat und der Azubi sich nicht wohl fühlt) nicht gehen, wenn der AN sich nicht wohlfühlt. Wenn du einen neuen Ausbildungsplatz gefunden hast, kannst du auch einfach sagen ich gehe und ihm die fristlose Kündigung aushändigen, was vielleicht sogar rechtens wäre, weil du nichts lernst etc…, ansonsten glaube ich nicht, dass er dich verklagen wird.

Aber mache es nur, wenn du einen festen Ausbildungsplatz hast!

Ich bereue es nicht, fühle mich super Wohl in der Firma, ein traum Arbeitsklima, super nette Kollegen halt, wesentlich netter als die von meiner alten Firma, liegt auch daran, dass in der neuen sehr viele Junge Arbeitnehmer sind.

der alte Ausbilder, aus meiner alten Firma ist auch vor einem halben Jahr gekündigt worden und so hatte ich auch keinen Ausbilder mehr. Waren wir vielleicht in der gleichen Firma *g*?

Ich wünsche Dir alles, alles Gute, du schaffst das schon.

Für Rückfragen stehe ich gern zur Verfügung. Auch unter meiner e-mail Adresse.

Liebe Grüße

Jan