Ugh.
bevor da noch mehr Unsinns-Antworten kommen (denn das ist
definitiv kein „sehr gutes“ Zeugnis) *seufz*
Das sehe ich auch so; allerdings wäre meine Argumentation eine andere.
Herr XY wurde nach dem Ausbildungsplan in allen
Fachabteilungen, welche die Kenntnisse und Fertigkeiten des
Berufsbildes vermitteln, ausgebildet.
[…]
Und das ist mir zu wenig. Da müsste noch ein bisschen
konkreter stehen, was man Dir dort so alles beigebracht hat.
Das sehe ich ein wenig anders, denn der Ausbildungs(rahmen)plan beschreibt schon, welche Kenntnisse und Fertigkeiten das sind. Der Zeugnisaussteller setzt voraus, dass der Leser weiß, was das Berufsbild Industriekaufmann mit Dingsundbums beinhaltet - und das halte ich für legitim, denn sonst wird das Zeugnis extrem lang.
Also wat-weiss-ich denn: „Export: erstellen von Zollpapieren
für die Lieferung unserer Nasenbohrer nach Timbuktu und den
Export auf Mond, Mars und Venus“, „Produktion: Einblicke in
die vollautomatisierte Fertigung unserer Nasenbohrer,
Bestandteil war Programmieren mit SPS-Dingsda sowie der
Versuchsdurchführung von der neuesten Nasenbohrergeneration“
Wenn die entsprechenden Punkte nicht Bestandteil des Rahmenplans sind, dann ja. Sonst siehe oben.
Herr XY erledigte die anfallenden Aufgaben sowie
Problemstellungen die nicht Bestandteil des normalen
Ausbildungsplans sind, stets zu unserer vol lsten
Zufriedenheit.
Hmm, das mit dem „nicht Bestandteil“ find ich merkwürdig.
Ich auch. Vor allem, weil oben keine solchen Aufgaben aufgeführt sind! Das ist verklausuliert: „Was er lernen musste, haben wir ihm mit Mühe beigebogen; alles, was darüber hinausging, haben wir uns weise verkniffen - deswegen können wir ihm in der Beziehung auch nichts nachsagen“.
„Da er so höllisch interessiert war und uns lauter wirklich
durchdachte Fragen gestellt hat, haben wir ihm dann noch lauter
weitere Sachen beigebracht, weil wir einfach Freude hatten, diesem
motivierten Kerl was beizubringen.“
Hätten wir gern getan, aber es war nicht drin, siehe oben.
In den oben aufgeführten Fachabteilungen nutzte Herr XY die
Gelegenheit, sich für ihr Berufsbild praktisch auszubilden,
seine Kenntnisse zu erweitern und zu vertiefen.
Er nutzte die Gelegenheit - aber leider völlig erfolglos. Das
heisst, er ist schon zu allen Fortbildungen gegangen, aber war
hinterher genauso doof wie vorher.
Das würde ich bei einem Ausbildungszeugnis nicht ganz so kritisch aufnehmen - mal abgesehen von der plötzlichen und unerwarteten Geschlechtsumwandlung, die den Delinquenten sowieso dazu berechtigt, eine neue Zeugnisversion anzufordern.
Zur Ergänzung der praktischen Ausbildung besuchte Herr XY die
Kaufmännische Berufsschule in XY.
Muss das wirklich in ein Lehrlings-Zeugnis rein? *grübel*
Ja - weil es auch innerbetriebliche Berufsschulen gibt … und weil das Bestandteil der Ausbildung war (mit ~ 25% der Ausbildungszeit ein nicht ganz unwesentlicher). Quatsch ist aber die Formulierung „Zur Ergänzung …“ - Berufsschule ist unabdingbarer Bestandteil einer Berufsausbildung nach dem BBiG und mitnichten nur eine Ergänzung.
Herr XY hat stets interessiert die ihm gebotenen Möglichkeiten
wahrgenommen, sich gründliche und umfassende Fachkenntnisse
anzueignen.
war auf Fortbildungen hat aber nix genutzt.
Nee, das würde bei einem Ausgelernten so stimmen; bei einem Azubi bezieht sich das auf den Einsatz in den Fachabteilungen. Inhaltlich teile ich deine Einschätzung aber.
Wir schätzten Herrn XY als einen sehr zuverlässigen und
korrekten Auszubildenden.
OK, er war pünktlich und hatte den Hosenstall in der Öffentlichkeit geschlossen. Mehr nicht. Vernichtend! „Korrekt“ würde ich im Gesamtzusammenhang sogar interpretieren als „gekommen wie ein Baron, gegangen wie ein Maurer“ oder noch schlimmer „hatte seinen eigenen Vorteil stets gut im Auge“.
Er hat die ihm übertragenen Aufgaben stets gewissenhaft,
pünktlich und jederzeit zu unserer vollsten Zufriedenheit
erledigt.
im Gesamtzusammenhang ist dieser Satz der blanke Hohn.
Vielleicht noch nicht mal: vielleicht hat derjenige gemeint, dass das Azubum praktische Arbeiten durchaus vernünftig ausführen konnte im Rahmen seiner extremen Beschränktheit (sorry, klingt so!), dass aber die Lernfortschritte (Industriekaufmann hat zwangsläufig sehr hohe Kenntnisanteile!) nicht den Erwartungen entsprachen.
Wegen seines freundlichen Wesens und seines höflichen und
hilfsbereiten Verhaltens war er bei den Vorgesetzten, den
Mitarbeitern und seinen Mitauszubildenden anerkannt und geschätzt.
Mitarbeiter (also Untergebene) wird er wohl als Azubi eher
keine gehabt haben.
Das würde ich auch nicht so verstehen. Kollegen sind die Mitauszubümse - die, die ihn auszubilden sich diverse Wölfe holten, sind die Mitarbeiter - des Unternehmens (das Unternehmen ist Ausbildender). Von daher stimmt das schon so.
Keine Gesamtnote?
Ich würde aus deren Weglassen auf eine Note der Marke „gerade mal so auf die Menschheit losgelassen“ schließen. Wenn die Prüfung besser als mit Gesamtnote 3 bestanden wurde, muss das im Zeugnis erwähnt werden. Außerdem würde es mich auch nicht überraschen, wenn die Prüfung nicht im ersten Anlauf geschafft wurde - sonst müsste da eine entsprechende Formulierung rein „vorzeitig“ (sehr positiv!) oder „zum vorgesehenen Zeitpunkt“ (positiv). Wenn tatsächlich eine Gesamtnote schlechter als 3 in der Prüfung erzielt wurde, ist das Weglassen als Wohlwollen zu interpretieren.
Und jetzt kommt der Hammer: nix weiter? Kein Bedauern, dass
man den Herrn leider nicht übernehmen kann? Keine besten
Wünsche für die Zukunft? Kein Kommentar, dass das
Arbeitsverhältnis mit dem heutigen Tag seiner Abschlussprüfung
endet? Keine Unterschrift? Boah, das zeigt, dass man wirklich
heilfroh ist, den Herrn loszuwerden.
Das ist so.
In Summe eine miese Vier: jemand, der entweder den falschen Beruf gelernt hat oder der ein völlig unmotivierter, desinteressierter Knoten ist. Nix mit „Sehr gut“ oder so.
Aga,
CBB