Ausdauer bei Insekten?

Hallo zusammen,

mich würde einmal interessieren, ob Insekten auch irgendwann ermatten, wenn sie sich lange anstrengen müssen, oder ob sie einfach so lange weiter fliegen/krabbeln/springen können, bis sie schlichtweg verhungern. Sind die Muskeln denen von Säugetieren ähnlich oder komplett anders ausgelegt?

Ich frage deshalb, weil ich erhlich gesagt kein besonders guter Fliegenfänger bin - zu schlechte Reflexe, falsche Technik, irgendwo haperts. Ich habe deswegen eine ganze Zeit einfach versucht, störende Mücken möglichst lange in der Luft zu halten in der Hoffnung, dass ihnen schneller die Puste ausgeht als mir die Geduld - was leider nie der Fall war.
Hat die Taktik überhaupt irgendeine Aussicht auf Erfolg? O.o

Würde mich über Antworten freuen

mfg

Frank

Hallo!

mich würde einmal interessieren, ob Insekten auch irgendwann
ermatten, wenn sie sich lange anstrengen müssen, oder ob sie
einfach so lange weiter fliegen/krabbeln/springen können, bis
sie schlichtweg verhungern. Sind die Muskeln denen von
Säugetieren ähnlich oder komplett anders ausgelegt?

Es gibt schon ein paar Unterschiede zwischen Insektenmuskulatur und Wirbeltiermukulatur, z. B. was die Innervierung anbetrifft. Aber Deine Frage geht in eine andere Richtung:

Ich frage deshalb, weil ich erhlich gesagt kein besonders
guter Fliegenfänger bin - zu schlechte Reflexe, falsche
Technik, irgendwo haperts. Ich habe deswegen eine ganze Zeit
einfach versucht, störende Mücken möglichst lange in der Luft
zu halten in der Hoffnung, dass ihnen schneller die Puste
ausgeht als mir die Geduld - was leider nie der Fall war.
Hat die Taktik überhaupt irgendeine Aussicht auf Erfolg? O.o

Wenn es um die „Puste“ geht, musst Du lange warten. Der Punkt, bei dem einem Menschen die Puste ausgeht, ist nach ca. 30 Sekunden Vollbelastung erreicht. (Das ist der Grund, warum man auf Sprintstrecken so viel schneller läuft als auf Mittelstrecken). Bis etwa zu diesem Punkt schafft es nämlich der Muskel, ohne Sauerstoff von außen Arbeit zu leisten. Dabei wird der Traubenzucker in den Zellen nicht vollständig zu Kohlnstoffdioxid und Wasser verbrannt, sondern zu Milchsäure (auf schlau: „Laktat“, daher der so genannte Laktat-Test). Die Milchsäure ist für den Muskel nicht gut (wenn es sie sich im Muskel anreichert, spricht man auch von „Übersäuerung“) und muss daher nach der Belastung durch vermehrte Aufnahme von Atemsauerstoff abgebaut werden. Deswegen „pumpt“ ein Sprinter nach dem Sprint ganz gewaltig. In dieser Zeit ist der Körper nicht besonders leistungsfähig und man ruht sich lieber aus. Bei Mittel- und Langstrecken versucht der Läufer gar nicht in diese Sauerstoffschuld zu geraten, sondern immer genau so viel Energie zu verbrauchen, wie ohne Milchsäure-Bildung bereit gestellt werden kann.

Ich glaube, dass eine Mücke oder eine Fliege nie in diesen Bereich der Sauerstoffschuld gerät. Das liegt aber nicht am Aufbau der Muskeln, sondern an der Atmung. Insekten atmen über Tracheen. Das bedeutet, dass die Muskeln alle direkt an ein „Belüftungssystem“ angeschlossen sind und der Luftsauerstoff nicht den Umweg über die Lunge und den Blutkreislauf nehmen muss. Das geht bei Insekten, weil sie so klein sind und deswegen die Transportwege so kurz. Ich finde auch, dass Fliegen auf der Flucht nicht wesentlich schneller unterwegs sind als im normalen Leben. Anscheinend gibt es für sie also den Unterschied zwischen Sprint und Langstrecke nicht.

Trotzdem werden sie irgendwann ermüden - aber vermutlich verlierst Du vorher die Geduld.

Die bessere Strategie ist meiner Erfahrung nach ruhig abwarten und sie dann zu fangen, wenn sie sich irgendwo hinsetzen. Wenn Du sie mit bloßen Händen fangen willst, versuch nicht, mit einer Hand direkt auf sie drauf zu schlagen, sondern klatsche 10cm über ihnen beide Hände zusammen. Meistens tun sie Dir den Gefallen, dass sie reflexartig genau in dem Moment zwischen Deine Hände fliegen, wenn Du zuschlägst.

Michael

Hi

Fliegen erschlägt man am besten, wenn man sich so nah wie möglich ganz langsam heranschleicht. Die Fliegen haben eine dermaßen schlechte „Bildauflösung“, dass sie das nicht vom Hintergrund unterscheiden können. Nur Bewegungen sehen sie viel viel schneller als wir Menschen (wenn eine Fliege im Kino wäre, würde sie keinen Film, sondern einzelne Bilder sehen, wie eine Diashow).

Dann hilft noch, wenn man auf einige cm drangekommen ist, eine möglichst große Fläche zu wählen, mit der man die Fliege zerdötscht.

Übrigends: den ersten „Hopser“ von der Oberfläche weg machen die Fliegen hauptsächlich mit ihren Beinen. Also kurzzeitig sind sie damit noch schneller als im eigentlichen Flug.

Manchmal klappt es auch, die Fliegen mit einem großen Stück gefalteter Zeitung in der Luft zu treffen, sodass sie herumtaumeln. Den Augenblick kann man nutzen, um sie zu killen.

Grüße

Laralinda

Vielen Dank erstmal für die ausführliche Antwort! :smile: War wirklich extrem informativ.

Ich hätte darauf aufbauend aber noch eine andere Frage. Die geht jetzt vielleicht in eine ganz andere Richtung, hat sich mir aber beim Lesen direkt gestellt:
Du hast gesagt, dass es bei Mittel- und Langstreckenläufern nicht zu einer „Sauerstoffschuld“ kommt. Das finde ich einerseits so wie du es beschrieben hast sehr einleuchtend, allerdings ist es doch trotzdem so, dass man als ungeübter Läufer nicht beliebig lang laufen kann. Irgendwo gibt es also doch einen Unterschied zwischen Laufen und Gehen. Ist das dann so, dass sich das Laktat langsam ansammelt, oder sind das andere Ermüdungserscheinungen? Liegt das dann an den verschiedenen Muskelarten (weiße und rote hab ich da noch irgendwo im Hinterkopf), am Blut oder woran?
Und wie ist das im Tierreich? Haben auch Tiere konditionelle Probleme? Das ist vielleicht eine ziemlich blöde Frage, weil die Antwort eigentlich ziemlich offensichtlich „ja“ ist - auf der anderen Seite hört man aber selten etwas von „faulen“ Tieren oder unterscheidet die Geschwindigkeit von trainierten und untrainierten Geparden. Kann man, wenn man sein Leben lang durchgehend trainiert, wie es Tiere ja quasi machen, mit seiner Ausdauer an einen Punkt gelangen, dass man ohne sich anzustrengen einfach durchgehend laufen kann? Ich finde die Vorstellung von unsportlichen Löwen, denen nach kurzer Zeit bei einer Jagd die Puste ausgeht, einfach absurd…

Vielen Dank auf jeden Fall nochmal für die Antwort.
Ich würde mich über ein Video von einem Gnu mit Wadenkrampf wirklich freuen.

mfg

Frank

Hallo!

Ich bin kein Sportphysiologe, von daher kann ich Deine Fragen nicht abschließend beantworten.

Du hast gesagt, dass es bei Mittel- und Langstreckenläufern
nicht zu einer „Sauerstoffschuld“ kommt. Das finde ich
einerseits so wie du es beschrieben hast sehr einleuchtend,
allerdings ist es doch trotzdem so, dass man als ungeübter
Läufer nicht beliebig lang laufen kann. Irgendwo gibt es also
doch einen Unterschied zwischen Laufen und Gehen. Ist das dann
so, dass sich das Laktat langsam ansammelt, oder sind das
andere Ermüdungserscheinungen?

Beides ist der Fall, denke ich. Aber während die die Übersäuerung des Muskels durch Ruhe und Atmung relativ schnell wieder rückgängig gemacht werden kann, sind die anderen Ermüdungserscheinungen längerfristig: Zum Beispiel kommt es bei ungünstiger Belastung von Muskeln zu mikroskopisch kleinen Schäden in den Muskelfaserzellen. Diese machen sich am nächsten Tag als Muskelkater bemerkbar. Wenn es Dich weiter interessiert, würde ich an Deiner Stelle mal eine Frage im Sport-Brett stellen.

Und wie ist das im Tierreich? Haben auch Tiere konditionelle
Probleme? Das ist vielleicht eine ziemlich blöde Frage, weil
die Antwort eigentlich ziemlich offensichtlich „ja“ ist - auf
der anderen Seite hört man aber selten etwas von „faulen“
Tieren oder unterscheidet die Geschwindigkeit von trainierten
und untrainierten Geparden.

Du meinst jetzt faule Individuen? (Von faulen Arten hört schon öfters. Löwen sind für mich der Inbegriff fauler Tiere, weil sie - wenn man Tierfilmen glauben darf - die meiste Zeit des Tages einfach in der Sonne liegen und nichts tun).

Faule Individuen hätten einfach keine Chance zu überleben. Falls es doch welche gibt, ändern die bald ihr Einstellung oder verhungern.

Kann man, wenn man sein Leben lang
durchgehend trainiert, wie es Tiere ja quasi machen, mit
seiner Ausdauer an einen Punkt gelangen, dass man ohne sich
anzustrengen einfach durchgehend laufen kann?

„Ohne Anstrengung“ ist sicherlich relativ, aber wie ist sonst zu erklären, dass es 100km-Läufer gibt, wenn für einen untrainierten Menschen schon ein Halbmarathon (21 km) eine unüberwindbare Distanz zu sein scheint?

Ich finde die
Vorstellung von unsportlichen Löwen, denen nach kurzer Zeit
bei einer Jagd die Puste ausgeht, einfach absurd…

Den Punkt gibt es ganz bestimmt! Wenn man einen Gepard bei der Jagd beobachtet, so muss er sich zunächst unbemerkt an die Gazelle heranpirschen, so dass die Distanz, die er bei der Hatz aufholen muss möglichst gering ist, denn konditionell ist der Gepard der Gazelle in jedem Fall unterlegen.

Michael

PS: Vor ein paar Jahren sah ich öfters unseren Nachbarn, wie er mit seinem damals noch jungen Hund das Haus verließ: Er stolz, der Hund voller Tatendrang. Nach einem ausgedehnten Spaziergang kamen sie beide dann zurück: Herrchen deutlich weniger stolz, der Hund seelig schlafend in seinen Armen.

mich würde einmal interessieren, ob Insekten auch irgendwann
ermatten, wenn sie sich lange anstrengen müssen, oder ob sie
einfach so lange weiter fliegen/krabbeln/springen können, bis
sie schlichtweg verhungern. Sind die Muskeln denen von
Säugetieren ähnlich oder komplett anders ausgelegt?

Mir fällt ein Beispiel für Bienen und Hummeln ein: Hier in Marburg gibt es eine Allee mit einer spät blühenden Art von Linden. Regelmäßig findet man unter diesen Bäumen Massen von toten Bienen und Hummeln. In der Presse wurde zeitweise von giftigen Linden gesprochen und man hat sogar gefordert diese zu fällen. Man hat aber heraus gefunden (Uni Marburg), dass den Tieren die Energie ausgegangen ist. In der entsprechenden Jahreszeit waren die Linden nahezu die einzige Futterquelle, weshalb die Insekten viel zu lange Wege riskierten. Der Weg hin und zurück und die Ablieferung des Pollens/Nektars im Stock waren insgesamt energetisch negativ, also in der Bilanz ein Energieverlust. Daher die vielen toten Tiere.
Udo Becker