Ausgangslage der SPÖ nach dem Misstrauensvotum

Hallo!

Threadfrage an die Österreich-Interessierten: War es strategisch schlau von der SPÖ, der Regierung das Misstrauen auszusprechen?


Meine Antwort vorweg: Nein

Begründung: Zwar ist sehr gut nachvollziehbar, dass die SPÖ diese türkis-blaune Regierung seit langem ums Verrecken weg haben wollte.

Es ist aber auch so, dass sie sie unter normalen Umständen nie weggebracht hätte, und unter den gegebenen Umständen war die FPÖ schon weg.

Es hätte sich also vielleicht die Chance geboten, teilweise zusammen mit der ÖVP die Regierung bis zu den Neuwahlen zu tragen, und herauszufinden, ob das für die SPÖ irgendeinen politischen Gewinn abwerfen könnte. Das Risiko wäre sehr überschaubar gewesen.

So hat die SPÖ ausgerechnet gemeinsam mit der FPÖ (das wird ihr Kurz noch oft um die Ohren hauen, und er hat nicht Unrecht damit) die Kurz-Regierung abgesetzt.

Und welche Machtoption hat sie für den Herbst?
Keine einzige, denn die einzige Mehrheit, die realistischerweise gegen Kurz zustande kommen könnte (wenn nicht gerade ein Video auftaucht, wie Kurz in Unterhosen auf Mallorca die Republik an die Chinesen verkauft), wäre SPÖ-FPÖ, was wohl komplett ausgeschlossen ist.

Ergo geht die SPÖ völlig chancen- und aussichtslos in die Wahl. Und noch dazu mit dieser Lichtgestalt Rendi-Wagner, die für gar nichts steht … die SPÖ wird froh sein können, wenn sie nicht mehr als eine Handvoll Prozentpunkte gegenüber der letzten NR-Wahl einbüßt.

Aus meiner Sicht völlig planlos, dieses Misstrauensvotum durchzuziehen, weil einfach kein politischer Gewinn darin steckt.

Andere Meinungen?

Gruß
F.

1 Like

Ha! Im Grunde nimmst du mir die Worte aus dem Mund :stuck_out_tongue_closed_eyes:

Ich hätte ja gehofft, dass nach dem katastrophalen Ergebnis der bei der EU Wahl in der Löwelstraße mal jemand gut und lange über die Lage der SPÖ nachdenkt. Ok, nachgedacht wird da schon jemand haben, aber wie man auf die Idee kommen konnte, Pilz bei Rennen um Austrias next Misstrauensantrag auch noch zu überflügeln, versteh ich beim besten Willen nicht.

Gerade jetzt hätte die SPÖ sich hinstellen müssen um zu zeigen, dass sie es eben doch kann. Und es wäre soooo einfach gewesen. Zum Beispiel gleich am Montag einen Antrag bezüglich des Rauchverbots in der Gastronomie stellen. Da hat die ÖVP zuerst mit der SPÖ dafür, dann mit der FPÖ dagegen gestimmt, und zwar nur 'weil der blaue Partner das so wollte). Ich hätte da den Herrn Kurz beim Wort genommen und geschaut, was passiert. Da hätten dann einige ÖVP Abgeordnete zum dritten Mal abstimmen und zum zweiten Mal ihre Meinung ändern müssen. Die Verrenkung hätte ich mir gerne angeschaut…

Es hätte noch ein paar andere Möglichkeiten gegeben um zu sehen, wie weit Kurz tatsächlich an Kooperation interessiert ist und wer weiß, eventuell hätte man eine brauchbare Basis für den Herbst legen können. Aber nein, für den schnellen, billigen Kick schießt man einfach mal eben die Regierung ab, ohne auch nur den Hauch einer Alternative anbieten zu können. Das war der einzige Trumpf der SPÖ und ich sehe nichts, was die SPÖ jetzt noch großartig zu ihrem Gunsten aus dem Hut zaubern könnte.

Das personifizierte Versagen der SPÖ konnte man dann auch gut in der ZIB sehen, als eine völlig inferiore Rendi-Wagner bei Armin Wolf zeigte, dass mit dieser SPÖ kein Staat zu machen ist. Das Interview lässt sich ganz gut mit einem Zitat zusammenfassen:
„Ich weiß jetzt ehrlich gesagt nicht genau, warum Sie lachen“

Meine Prognose: Die ÖVP wird im Herbst noch stärker. Die SPÖ eher verlieren und dafür die Grünen erstarken und auch die Neos werden zulegen können. Pilz ist Gott sei Dank endgültig Geschichte und die FPÖ dürfte ebenfalls verlieren. Sollte sich erwartungsgemäß Hofer gegen Kickl durchsetzen, könnte letzterer auf dem Altar der Koalitionsverhandlungen geopfert werden und die ‚neue‘ FPÖ kann die gute Arbeit mit der ÖVP weiterführen.

Normalerweise: Ja
Nur beim Auftreten der SPÖ der letzten Jahre: Nein.

Die SPÖ ist nicht in der Lage, sich in dieser Position zu profilieren, genauso wenig, wie sie in der Lage war, die Elfmeter, die ihr in den letzten Jahren einer nach dem anderen aufgelegt wurden, zu verwerten - das Ibiza-Video mitsamt Kurz-Rede war ja sogar ein Elfer ohne Tormann, und die SPÖ hat ihn nicht nur nicht genutzt, sie ist irgendwie gar nicht bis zum Ball gekommen.

Sie will das gesamte politische Spektrum abbilden, historisch von links anfangend (was sie schon lange nimmer sind) bis zum rechten Doskozil-Rand.

MMn hätte Kern das Ruder rumreißen können, auch wenn er mit den Verlusten bei der Wahl 2017 „gestartet“ ist, aber durch das interne Richtungsgequängel war dies nicht möglich, da hätte er die Kurz-Strategie der „internen Säuberung“ sich als Vorbild nehmen sollen.

Grüße,
Tomh

Sachen gibts :smile:

So sehe ich das auch.
Die SPÖ hätte die nächsten Monate a bissl was bewirken, und dabei auch Kurz und die ÖVP a bissl vorführen und festnageln können.
Beides sicher nur in bescheidenem Rahmen, aber immerhin.

Was ich wirklich ganz krass find, und jetzt bin ich garantiert kein Moralist, dass sie schon jetzt, ein paar Tage nah Ibiza, schon wieder nur „diese FPÖ“ ausschließt, und damit die FPÖ im Grunde schlichtweg nicht ausschließt.
Vielleicht bin ich einfach zu wenig Österreicher dafür, um das zu verstehen :wink:
Ich mach mir keine Illusionen, dass die Freiheitlichen lang geschwächt sind, was die Stimmenanteile betrifft, aber ich hatte mir doch erhofft, dass sie wenigsten längere Zeit als Koalitionspartner ausfallen würden, schließlich haben sie ja noch so gut wie jede Regierung gesprengt.

Oder halt doch vielleicht ÖVP+Neos+Grüne.
Das sollte sich ausgehen, vielleicht sogar eine Zweierkoalition.

Gruß
F.

Das ist ja eigentlich das Erschreckende an der Geschichte. Vergleicht man die jetzige Europawahl nur mit der von 2014, sieht man ja gar nicht das ganze Bild. Denn in den Umfragen lagen ÖVP, SPÖ und FPÖ ziemlich nah beieinander. Die ÖVP stand bei ca. 29%, die SPÖ bei 27% und die FPÖ bei 23%, also durchaus im Bereich der Schwankungsbreite. Basierend auf diesen Zahlen verlor die SPÖ bis zur Wahl 3% und die FPÖ sogar 6%. Die Roten konnten also nicht nur nicht von der Situation profitieren, sie schafften es sogar noch, deutlich mehr Wähler bis zur Wahl zu vergraulen. Auch eine Leistung…

Ja.
Das finde ich ganz extrem verblüffend, dass die SPÖ aus diesem Ibiza-Skandal nichts machen kann, und die Türkisen, obwohl selbst indirekt mit beteiligt, das ganze Kapital draus schlagen können.

Gruß
F.

Einerseits dass, andererseits hätten sie halt auch wieder zeigen können, dass sie nach 1,5 Jahren in der Opposition ein konstruktiver Koalitionspartner sein können. Wieso man hier mit aller Macht Kurz bestätigen wollte, dass man das tatsächlich nicht will, verstehe ich wirklich nicht.

Noch besser: Sie wollte ja erst auf erneutes Nachfragen von Wolf die Position der SPÖ bestätigen, dass man mit der FPÖ keine Koalition eingehen möchte. Als ob das nach der Rhetorik während der vergangenen Legislaturperiode auch nur irgendwie eine Option wäre. Passend dazu gibt es ja diesen schönen Clip, wie Kickl Drozda im Parlament zu sich ruft und dann das gemeinsame Vorgehen besprochen wurde. Dümmer geht’s echt nimmer…

Ich würde sagen, dass es auf den internen Machtkampf ankommt. Ich sehe Hofer in der stärkeren Position und wenn man Kickl gehen lässt, könnte die Partei erstens die Illusion eines Neustarts besser verkaufen und zweitens wäre der Weg zurück zur ÖVP wieder offen.
Und die FPÖ hat es bisher noch nie geschafft, eine Regierungsbeteiligung zu Ende zu bringen :stuck_out_tongue_winking_eye:

Eine kleine Koalition wird schwierig, aber eine Dreiervariante fände ich persönlich mal eine spannende Idee.

Nein, es war politisch extrem dumm.

Es wird für Kurz sogar weiteren Aufwind bringen, weil er der SPÖ vorhalten kann, für den kleinlichen Moment die Stabilität des Landes gefährdet zu haben. Das ist sicher etwas polemisch, wird aber beim Wähler verfangen.

Kurz war allerdings auch in einer Win-Win-Situation. Ohne Rauswurf hätte er von der Stabilität profitiert und mit Rauswurf wird ihm ein gutes Wahlkampfargument an die Hand gegeben. Wobei seine Reaktion, die ÖVP zur Ruhe aufzurufen und keine Rachegelüste zu hegen, weil sie eben der Stabilität nicht dienlich sein können, noch die Kirsche auf dem Sahnehäubchen darstellt. Damit demonstrierte er deutlich, dass man sich nicht auf das Niveau der SPÖ (und der Mitläufer von der FPÖ) herabbegeben will, sondern weiterhin als Ziel den Dienst am (Wahl)Volk im Auge habe.

War zwar etwas Schmierenkomödie, aber sehr professionell, weswegen es ihm in den Augen der Wähler auch weiteres staatsmännisches Profil verleihen wird.

Sie könnten sich ja die Nahles ausleihen. Würde wohl kaum auffallen.

Auch, aber das halte ich nicht für den Hauptvorwurf.

Der Hauptvorwurf ist der, dass die SPÖ (der eigenen Wählerklientel gegenüber) wahnsinnig unglaubwürdig wird, wenn sie sich so dermaßen gegen die ÖVP-FPÖ-Koalition ausspricht, vor allem wegen der FPÖ und wegen des rechtsradikalen und staatsgefährenden Innenministers Kickl - und dann macht sie nicht besseres als gemeinsam mit der FPÖ, und in Absprache ausgerechnet mit Kickl, einer Regierung das Misstrauen auszusprechen, in der weder Kickl noch FPÖler mehr waren.

Die berühmte „Rendi-Wagner/Kickl-Koalition“, die Kurz nun bei jeder Gelegenheit anführt.

Das ist natürlich polemisch und unfair, aber es zieht halt ungemein - vor dem Hintergrund, dass es auf Landesebene rot-blaun gab/gibt, und dass die SPÖ eine Koalition mit der FPÖ jetzt nicht einmal unmissverständlich ausschließen mag.

Man möchte aber doch meinen, dass er der SPÖ gelingen hätte müssen, Kurz in den Skandal mit hinein zu ziehen, mindestens im Sinne von „der ewige Zauberlehrling halt, hat vollkommen naiv geglaubt, mit der FPÖ auf Bundesebene regieren zu können, und dann hält das grad einmal ein gutes Jahr … Kurz hat Österreich in vollem Bewusstsein gefährdet angesicht des bekannten Russenwahns der FPÖ und angesichts dessen, dass die befreundeten Geheimdienste Österreich wegen Kickl gemieden haben … und der naive Kurz gibt solchen Wahnsinnigen sämtliche Schlüsselministerien (Außen, Innen, Verteidigung) … untragbar …“.

Dafür hätte die SPÖ aber selbst einen klaren Kurs gebraucht. Das war kein Versäumnis der letzten Tage, sondern m.E. Folge einer ziemlichen planlosen Oppositionsarbeit.

Gruß
F.