Ausgesetzte Steuerforderung

Hallo liebe WWW-Gemeinde,

wir beschäftigen uns mit folgenden Sachverhalt:

Zur Pflege seiner behinderten Eltern muß, auf Druck des Sozialamtes, eine Beteiligung verkauft werden. Die wirtschaftliche Eigentümer sind die Eltern, der Vertrag lief aber auf den Namen des Sohnes. Fast drei Jahre nach dem Verkauf der Beteiligung und ein Jahr nach dem Tod des Vater, meldet ein Finanzamt eines anderen Bundeslandes (z.B. HH) dem zuständigen Finanzamt (z.B. NRW) , daß der Verkauf zu versteuern sei. Der Sohn legte mit dem Argument, daß er durch die Pflege der Eltern verschuldet ist, Einspruch ein. Das FA NRW sagte, daß sie keine Härte gelten lassen können, denn der Sohn hätte die lebensnotwendige Pflege der Eltern einstellen müssen, als das Restguthaben der Steuerschuld entsprach. Aber das Finanzamt HH setzte die Forderung wegen „Härte“ aus. Vor einen Jahr entschied das Finanzgericht HH, daß der Verkaufsgrund zwar ehrenhaft ist, aber steuerrechtlich nicht berücksichtigt werden darf und somit die Steuerschuld zu begleichen ist. Seit dem wartet der Sohn darauf, daß sich etwas tut. Beide Finanzämter reagieren nun nicht mehr. Das FA NRW sagt, daß sie solange nicht zuständig sind, wie das FA HH die Forderung ausgesetzt hat. Das FA HH sagt, daß die Forderung erstmal wegen der Härte ausgesetzt ist. Die Frage, wie lange noch, wird nicht vom FA HH beantwortet.

Nun meine Frage:

  1. Wie lange kann diese Aussetzung dauern bzw. wann endet sie?
  2. Verjährt die ausgesetzte Forderung irgendwann?
  3. Soweit ich weiß, laufen in der Zeit der Aussetzung die Zinsen weiter. Kann man hier etwas tun, damit der Sohn nicht irgendwann die Zinsen für mehrere Jahre zahlen muß?
  4. Darf das FA in NRW wirklich sagen, daß die Steuerschuld vorrang hat und die lebensnotwendige Pflegemaßnahmen hätten eingestellt werden müssen. Meines Erachtens hart an der Grenze zur Euthanasie, wenn nicht sogar darüber.

Gruß
Dagobert

Hallo,

Zur Pflege seiner behinderten Eltern muß, auf Druck des
Sozialamtes, eine Beteiligung verkauft werden. Die
wirtschaftliche Eigentümer sind die Eltern, der Vertrag lief
aber auf den Namen des Sohnes.:

Nach § 39 Abgabenordnung wären dann die Erträge, auch aus dem Verkauf, den Eltern zuzurechnen gewesen.

Fast drei Jahre nach dem
Verkauf der Beteiligung und ein Jahr nach dem Tod des Vater,
meldet ein Finanzamt eines anderen Bundeslandes (z.B. HH) dem
zuständigen Finanzamt (z.B. NRW) , daß der Verkauf zu
versteuern sei.:

Die Mühlen mahlen langsam. Für die Feststellung der Beteiligungseinkünfte war das FA HH zuständig.
Das FA HH kann aber erst einen Steuerbescheid erlassen, wenn die Daten aller Beteiligten vollständig vorliegen. 3 Jahre sind da durchaus noch im normalen Rahmen.

Der Sohn legte mit dem Argument, daß er durch
die Pflege der Eltern verschuldet ist, Einspruch ein.:

Schlechte Begründung. Das ändert nämlich nichts daran, dass die Steuer tatsächlich entstanden ist.
Hier hätte man durch einen Steuerberater eine erfolgversprechendere Begründung anbringen können.

Das FA
NRW sagte, daß sie keine Härte gelten lassen können, denn der
Sohn hätte die lebensnotwendige Pflege der Eltern einstellen
müssen, als das Restguthaben der Steuerschuld entsprach.:

Hieran sieht man, dass wir über einen fiktiven Fall reden, denn kein Finanzbeamter der Welt würde eine solche menschenunwürdige Argumentation verwenden.

Aber
das Finanzamt HH setzte die Forderung wegen „Härte“ aus. Vor
einen Jahr entschied das Finanzgericht HH, daß der
Verkaufsgrund zwar ehrenhaft ist, aber steuerrechtlich nicht
berücksichtigt werden darf und somit die Steuerschuld zu
begleichen ist.:

Da hat das Finanzgericht recht.
Jetzt bleibt eigentlich nur noch der Weg vor den Bundesfinanzhof. Der wird aber sicher nicht anders entscheiden.

Seit dem wartet der Sohn darauf, daß sich
etwas tut.:

und das Finanzamt wartet auf die Zahlung oder zumindest einen Ratenzahlungsvorschlag.

Beide Finanzämter reagieren nun nicht mehr. Das FA
NRW sagt, daß sie solange nicht zuständig sind, wie das FA HH
die Forderung ausgesetzt hat. Das FA HH sagt, daß die
Forderung erstmal wegen der Härte ausgesetzt ist. Die Frage,
wie lange noch, wird nicht vom FA HH beantwortet.:

und rein rechtlich haben damit auch beide Finanämter recht.

  1. Wie lange kann diese Aussetzung dauern bzw. wann endet
    sie?:

Prinzipiell kann die Aussetzung bis zur Zahlungsverjährung gewährt werden. Sie endet, wenn das Finanzamt sie schriftlich aufhebt.

  1. Verjährt die ausgesetzte Forderung irgendwann?:

Die Zahlungsverjährung beträgt 5 Jahre. Aber vorsicht, die Verjährung wird mit jeder Geltendmachung des Anspruchs durch das Finanzamt gehemmt und kann somit prinzipiell ewig andauern.
Auch durch eine Aussetzung wird die Zahlungsverjährung gehemmt, das heißt, die 5-jährige Verjährungsfrist hätte in diesem Fall noch nicht mal begonnen.

  1. Soweit ich weiß, laufen in der Zeit der Aussetzung die
    Zinsen weiter. Kann man hier etwas tun, damit der Sohn nicht
    irgendwann die Zinsen für mehrere Jahre zahlen muß?:

Zinsen entstehen durch Zeitablauf. Man kann den Lauf der Zeit nicht anhalten und somit auch nicht die Zinsentstehung.

  1. Darf das FA in NRW wirklich sagen, daß die Steuerschuld
    vorrang hat und die lebensnotwendige Pflegemaßnahmen hätten
    eingestellt werden müssen. Meines Erachtens hart an der Grenze
    zur Euthanasie, wenn nicht sogar darüber.:

Nein, nein, nein und nochmals nein!!
Ändert aber nichts an der Zahlungspflicht.

So, und jetzt doch noch Möglichkeiten, um eine solche Steuerzahlung verhindern zu können:

Es besteht die Möglichkeit einen Antrag auf Erlass der Steuerschuld nach § 227 Abgabenordnung zu stellen.

Oder aber man beantragt eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen nach § 163 Abgabenordnung.

Für beide Fälle kann das oben aufgeführte Argument der wirtschaftlichen Zurechnung von großer Wichtigkeit sein.
Die Pflege natürlich auch.

Für beide Möglichkeiten empfiehlt sich aber dringend die Einschaltung eines Steuerberaters, was eigentlich schon lange vorher hätte erfolgen sollen.

Gruß
Lawrence

Hallo Lawrence,

leider ist diese Aussage

Das FA NRW sagte, daß sie keine Härte gelten lassen können, denn der
Sohn hätte die lebensnotwendige Pflege der Eltern einstellen
müssen, als das Restguthaben der Steuerschuld entsprach.

nicht so fiktiv, wie man es sich wünschen würde.

Natürlich verwendete der Beamte eine getarnte Formulierung. Es existiert ein Schreiben vom FA NRW, in dem steht „… Ein Erlas kann nicht gewährleistet werden. Die notwendigen Mittel zur Begleichung der Steuerschuld sind bereits vor Fälligkeit zugeflossen. … Aus diesen Mitteln hätte eine Rücklage gebildet werden müssen, anstatt die Mittel restlos aufzubrauchen …“.

Aus dem gesamten Kontext geht hervor, daß mit „Mitteln“ der Verkaufserlös gemeint ist. Daß der komplette Verkaufserlös für Pflegemaßnahmen verwandt wurde und deshalb keine Rücklage gebildet werden konnte, lag dem Finanzbeamten anhand von Rechnungen vor. Die Schwiedertochter führte unmittelbar nach Erhalt des Schreibens, in Gegenwart des mithörenden Sohnes, ein Telefonat mit dem FA NRW, in dem der Beamte auf die Frage, ob mit „… anstatt die Mittel restlos aufzubrauchen …“ eine Einstellung der Pflege gemeint war, mit „Ja“ antwortete.

Aus diesem wahren Sachverhalt resultiert meine im Ursprungsthema verwandte und oben zitierte Formulierung.

Gruß
Dagobert