Es hat mich auch gewundert, dass hier seit meinem unbeabsichtigten „Sturm im Wasserglas“ außer einer kleinen Sexdiskussion nichts mehr passiert ist. Sind wir tatsächlich sprachlos? Am vorigen Wochenende war ich mit jungen Künstlern zusammen, wir kannten uns bis dahin auch nur virtuell, hatten jedoch schon so etwas wie virtuell/reale Freundschaften begonnen. Es war so eine herzliche, offene Athmosphäre bei Kaffe und Kuchen und meinen selbst hergestellten orientalischen Gabelspezialitäten, wie ich sie nicht erwartet hatte. Ich fühlte mich ausgesprochen wohl - trotz des großen Altersunterschiedes. Und die Gespräche und neuen Impulse gingen nicht aus.
Voraussetzung dafür war meiner Meinung nach, dass wir einander ja schon ein wenig kannten über unsere Vita und Kunstwerke und die sachbezogenen Forumspostings. Man wusste so ungefähr, mit wem man es zu tun haben würde.
Dass hier nichts rechtes zustande kommen will, liegt meines Erachtens in der Anonymität, die oft als großer Vorteil gepriesen wird. „Man kann sich trauen, auch intime Dinge vorzubringen“, ist wohl ein Argument dafür. Intime Dinge, natürlich hauptsächlich der Sex oder Beziehungskrisen. Dafür gibt es doch das Brett „Lust und Liebe“.
Ich hingegen sehe mehr Nachteile in der Anonymität. Weshalb sollte ich das, was mich wirklich bewegt, einer Masse ohne Gesicht preisgeben? Wie kann ich auch nur annähernd darauf hoffen, dass es unter diesen unbekannten Wesen auch solche gibt, die mich überhaupt verstehen wollen oder können? Dieses Thema wurde hier schon einmal im Zusammenhang mit mir kurz gestreift.
Zusammenfassend möchte ich behaupten: Hier passiert nur etwas Vorantreibendes, wenn wir einander ein wenig persönlicher kennen, wenn hinter den Pseudonymen tatsächliche Menschen hervortreten - in irgendeiner Form. Es geht dabei nicht um Namen und Anschriften sondern um Denkweisen, charakteristische Merkmale, Vorlieben, Schwächen und dergleichen. Das kann ja auch zwischen den Zeilen sichtbar werden.
Damit ihr wisst, mit wem ihr es bei mir zu tun habt, mache ich einfach mal einen kleinen Anfang und gebe von mir eine Tagebucheintragung von Ende Juni preis.
Auf meiner Holzbank vor dem Haus:
Ausruhen, nachdenken, der Stille des dörflichen Abends lauschen:
im Hintergrund das späte Singen einer Kreissäge, die sich durch frisch eingefahrene Buchenstämme frisst, damit der Holzstapel an der Wand wieder aufgefüllt werden kann, rechts neben mir die leisen Stimmen der Nachbarinnen, die sich beim Gießen der jungen Salatpflanzen austauschen in ihrer weich klingenden Mundart, weiter oben das Knattern eines heim gelenkten Traktors, links unten die fröhlichen und aufgeregten Stimmen der Fußball spielenden Kinder und um mich herum das Flattern und Geschrei der vier dreisten Elstern, die sich in meinen Tannen eingenistet haben und von dort aus im Sturzflug auf den halb leeren Napf meiner alten Schäferhündin herfallen, dabei weder mich noch meinen Hund beachten, ein Bröckchen stibitzen und mit starkem Flügelschlag zurück in die sich biegenden Äste fliegen, dazwischen der Ruf einer Mutter nach ihrem Sohn, der heimkommen soll, erst freundlich, dann immer lauter und fordernder und schließlich ein unwilliges: „Ja, was ist denn ?“ und: „Ich komm ja schon!“ des Gerufenen, - Laute wie aus einer längst vergangenen Zeit.
Und schauen:
Die Wildkräuter, die sich immer wieder in meiner Auffahrt ansiedeln, das satte Grün des Kirschlorbeers neben mir, der zuerst in der lehmigen Erde nicht wachsen wollte, die Rosenstöcke neben der Hautür ( in meiner Abwesenheit beinahe den Schnecken zum Opfer gefallen und mühsam wieder hochgepäppelt), der schmale Pfad zum Haus, auf dem liegen gelassene Stöckchen an die Kleinsten des Dorfes, die hier am Nachmittage gespielt hatten, erinnern, gegenüber die große Wiese, in der die schwarze Katze aus dem Oberdorf minutenlang still vor einem Mauseloch verweilt, die aufsteigenden Ruwernebel, die den Wald an den gegenüberliegenden Bergwänden beinahe verhüllen und in fahles Licht tauchen, darüber die trockenen Bergwiesen mit den einzeln stehenden Büschen und Bäumen von Ollmuth, gekrönt von der versinkenden Abendsonne an einem fast wolkenlosen, zart blau - grauen Himmel, über den wie Kometen die Kondensstreifen der Flugzeuge von und nach Luxemburg ziehen, ein Bild des Friedens – jedenfalls an diesem Sommerabend.Von meiner etwas erhöhten Warte schaue ich auf die Häuser der Nachbarn in der Burgstraße. In jedem Haus verbirgt sich eine eigene Geschichte, eine von Freude, Liebe, Zuwendung aber auch von Krankheit, Kummer, Tod und Streit.
Meine Gedanken verdunkeln sich mit der eingebrochenen Dunkelheit, ich fröstle ein wenig, stehe auf und will ins Haus gehen, da sehe ich es. Ich sehe, was ich seit meiner Kinderzeit vermisst hatte ohne es zu bemerken: Vor den nun schwarz stehenden Tannen flackert hier ein winziges Lichtlein auf und da eins und da und da noch eins. Wie Elfen schweben sie über meine Wiese, steigen auf und nieder und scheinen zu einer unhörbaren Musik zu tanzen: Glühwürmchen –und wie viele es sind! Und nun steigt auch noch der Vollmond hinter den Tannen empor. Es ist wie im Märchen. Lange schaue ich dem lautlosen Treiben zu, und mit einem Lächeln im Herzen gehe ich spät in der Nacht ins Haus.
Konnte man mich ein wenig erkennen?
Liebe Grüße und traut euch mal, etwas zu erzählen, was euch beispielsweise Freude gemacht hat, denn das geht am einfachsten.
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