Aussagekraft des Zeugnisses: gut oder schlecht?

Liebes Forum,

ich würde mich freuen, wenn ihr eine Einschätzung zu diesem Zeugnis geben könntet. Die Person, zu der das Zeugnis gehört, möchte nicht, dass weitere Details genannt werden und wüsste gern, was das Zeugnis aussagt, ohne dass jemand die Umstände im Ex-Unternehmen kennt. Die Nennung des Bereichs habe ich ausgelassen, weil die Firma sehr speziell unterwegs ist und daher Rückschlüsse möglich wären. Vielen Dank im Voraus!

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Arbeitszeugnis

Herr …, geboren am …, war vom 0X.XX.2007 bis zum XX.XX.2012 bei der … GmbH als Software-Entwickler in Vollzeit beschäftigt. Die … GmbH ist eines der erfahrensten Unternehmen im Bereich … in Deutschland. Zu den Aufgaben von Herrn … gehörten vor allem:

– Optimierung und Entwicklung von Kernfunktionalität der firmeneigenen Software „XXX“ (auf das Basis von PHP und MySQL)
–Objekt-orientierte Programmierung mittels Design-Patterns
– Vorbereitung und Durchführung von Workshops über Design-Pattern und die „XXX“
– Einarbeitung und Koordination von Mitarbeitern
– Kommunikation mit den jeweiligen Kunden verschiedener Projekte

In den letzten Jahren übernahm Herr … zudem die technische Leitung bei den Projekten „…“ und „…“ sowie das Refactoring der firmeneigenen Software. Besonders zu erwähnen ist die Mitarbeit von Herrn … beim Groß-Projekt „…“, zu seinen Aufgaben dort zählten:

  • Migration des Vorgängersystems mit komplexen interaktiven Funktionen auf eine neue hochskalierbare Systemarchitektur
  • Mitarbeit bei der Entwicklung eines neuen, rollenbasierten Berechtigungssystems
  • Entwicklung von Webservice-Schnittstellen

Herr … überzeugte durch seinen hohen Arbeitseinsatz und seine strukturierte und selbständige Arbeitsweise. Er beherrschte seinen Arbeitsbereich sicher und erweiterte stetig seine Fachkenntnisse in Eigeninitiative. Die dabei gewonnenen Kenntnisse ließ er gewinnbringend in seine täglich Arbeit einfließen.

Während der gesamten Beschäftigungszeit bewies Herr … ein hohes Maß an Verantwortungsbewusstsein, Zuverlässigkeit und Gewissenhaftigkeit. Er verfügt über eine sehr gute Sozialkompetenz und trug mit seiner zuvorkommenden und loyalen Art fortwährend zu einem harmonischen Betriebsklima bei.

Die an ihn gestellten Anforderungen erfüllte er stets zu unserer vollsten Zufriedenheit. Sein Verhalten gegenüber Vorgesetzten, Kooperationspartnern und Kollegen war jederzeit vorbildlich.

Herr … verlässt zu unserem Bedauern unser Unternehmen auf eigenen Wunsch. Wir wünschen ihm für die Zukunft alles Gute.

Datum Name

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Viele Grüße
sgw

Hallo,

ich würde sagen, dass dieses Zeugnis durchaus gute bis sehr gute Leistungen erwähnt. Jedoch, glaube ich herauslesen zu können, dass Dein Arbeitgeber der Meinung ist und war, dass Du etwas zuviel kommunizierst - gerade mit Kollegen.

Du gehst, okay… So liest sich das. Außerdem glaubt man wohl, dass man Dich besser nicht auf Kunden direkt los lässt.

Ist irgendwas vorgefallen, weshalb Dir nahegelegt wurde, selbst zu kündigen?

Grüße
Thorsten

Hallo,

ich würde sagen, dass dieses Zeugnis durchaus gute bis sehr
gute Leistungen erwähnt. Jedoch, glaube ich herauslesen zu
können, dass Dein Arbeitgeber der Meinung ist und war, dass Du
etwas zuviel kommunizierst - gerade mit Kollegen.

Heißt das übersetzt „lästern“ oder „Zeit vertrödeln“? Oder was konkret?

Du gehst, okay… So liest sich das. Außerdem glaubt man wohl,
dass man Dich besser nicht auf Kunden direkt los lässt.

An welcher Formulierung machst du das fest?

Ist irgendwas vorgefallen, weshalb Dir nahegelegt wurde,
selbst zu kündigen?

Die Person hat von sich aus gekündigt, es wurde nicht nahegelegt. Interessante Lesart. Kannst du mir auch hier sagen, woran du das festmachst?

Danke und Gruß
sgw

Hallo

Zeitraum und Kommunikationsverhalten dürften wohl das kleinere Problem sein. Eher hier:

(auf das Basis von PHP und MySQL)

Aktuell wären PHP 5.3 (mit Nachfolger 5.4) sowie MySQL 5.5 (5.6)

Besonders zu erwähnen
ist die Mitarbeit von Herrn … beim Groß-Projekt „…“, (…)

…und die Software läuft deswegen 30% schneller, verlangt weniger Systemresourcen, … ?

mfg M.L.

Liebe® sgw,

– Optimierung und Entwicklung von Kernfunktionalität der
firmeneigenen Software „XXX“ (auf das Basis von PHP und MySQL)

steht das so im Zeugnis? Bei mir ist nämlich „Basis“ Femininum, daher müsste es „(auf der Basis von PHP und MySQL)“ heißen.

Ansonsten kommt wohl nicht so sauber rüber, dass die Kooperationspartner die Kunden waren. So fällt auf, dass in Kundenprojekten zwar kommuniziert wurde, aber die Kunden im Verhalten nicht auftauchen.

Gruß, Karin

Erfolg?
Hallöchen,
abgesehen von der üblichen Frage nach glattem Ausscheide-Datum …

wenn man 4-5 Jahre irgendwo war, und sogar eine „technische Leitung“ inne hatte, erwartet man eigentlich, dass nicht nur irgendwelche Aufgaben ausgefüllt werden sondern konkrete Ergebnisse erzielt werden.
Wie sagt man so schön - „wir würden ja die Ergebnisse erwähnen, aber der Form halber muss ein Zeugnis von Gesetz wegen wohlwollend formuliert sein, so dass wir das nicht dürfen“.

– Optimierung und Entwicklung von Kernfunktionalität der firmeneigenen Software „XXX“ (auf das Basis von PHP und MySQL)
–Objekt-orientierte Programmierung mittels Design-Patterns
– Vorbereitung und Durchführung von Workshops über Design-Pattern und die „XXX“

Bis auf dem Niveau machen sowas neue Mitarbeiter meist schon nach einem Monat. Ist für die Haupttätigkeit von 5 Jahren doch etwas dünn.

– Einarbeitung und Koordination von Mitarbeitern

Was auch immer das heißt…

– Kommunikation mit den jeweiligen Kunden verschiedener Projekte

Auch schön vage formuliert.

In den letzten Jahren übernahm Herr … zudem die technische Leitung bei den Projekten „…“ und „…“ sowie das Refactoring der firmeneigenen Software.

Er kann nicht ganz unfähig sein, sonst hätte man ihm das entweder nicht gegeben oder ihn nicht jahrelang machen lassen.

Besonders zu erwähnen ist die Mitarbeit von Herrn … beim Groß-Projekt „…“, zu seinen Aufgaben dort zählten:

  • Migration des Vorgängersystems mit komplexen interaktiven Funktionen auf eine neue hochskalierbare Systemarchitektur

Das kann viel und gar nichts heißen. „sqldump ausführen und dann wieder laden“:

  • Mitarbeit bei der Entwicklung eines neuen, rollenbasierten Berechtigungssystems

ACL-Plugin installiert?

  • Entwicklung von Webservice-Schnittstellen

Weil’s dafür auch gerade keine Plugins gab, oder weil die Software zu schlecht ist, dafür Standardkomponenten zu nutzen? Oder waren das alles in der Tat so Wochen-Aktivitäten, die so aufgepuscht werden, dass sie nach richtig viel Arbeit aussehen?

Alles in allem bleibt bei jedem einzelnen Punkt die brennende Frage offen „Und mit welchem Ergebnis?“

Insbesondere ein technischer Leiter, bei dem nur Aktivitäten - ohne Scope und ohne Ergebnis - beschrieben werden, wirft viele Fragen auf.

Herr … überzeugte durch seinen hohen Arbeitseinsatz und seine strukturierte und selbständige Arbeitsweise. Er beherrschte seinen Arbeitsbereich sicher und erweiterte stetig seine Fachkenntnisse in Eigeninitiative. Die dabei gewonnenen Kenntnisse ließ er gewinnbringend in seine täglich Arbeit einfließen.

Schönes allgemeines Gefasel. Aber leider gibt hier es nichts, wovon man sich ein Butterbrot kaufen könnte. Also ein konkretes Erfolgsbeispiel.

Während der gesamten Beschäftigungszeit bewies Herr … ein hohes Maß an Verantwortungsbewusstsein, Zuverlässigkeit und Gewissenhaftigkeit.

Wenn er auch noch in irgend einem Fall Ergebnisorientierung bewiesen hätte, wäre sogar noch besser.

Er verfügt über eine sehr gute Sozialkompetenz und trug mit seiner zuvorkommenden und loyalen Art fortwährend zu einem harmonischen Betriebsklima bei.

„wer nicht bei 1 auf dem Baum ist, wird angelabert“?

Die an ihn gestellten Anforderungen erfüllte er stets zu unserer vollsten Zufriedenheit.

… aber die Anforderungen waren nicht gerade hoch?
Also, ein 5-jähriger Mitarbeiter, der ein paar 1-Wochen-Projekte bekommen hat und sich ansonsten mit Aufgaben rumprügelt, die er nach 6 Monaten schon machen könnte…

Sein Verhalten gegenüber Vorgesetzten, Kooperationspartnern und Kollegen war jederzeit vorbildlich.

Und die oben erwähnten Kunden verschweigt man?

Herr … verlässt zu unserem Bedauern unser Unternehmen auf eigenen Wunsch.

Schade, dass er endlich geht?

Wir wünschen ihm für die Zukunft alles Gute.

Kein Erfolg?

Das gesamte Zeugnis läßt sich auf 4 Worte reduzieren „Keine Erfolge zu verzeichnen.“

Und damit ist es, trotz der ansonsten sehr guten Formulierungen, eigentlich auf „Durchgefallen“ betiteln.

Gruß,
Michael

unterdurchschnittlich
Hallo,

Herr … verlässt zu unserem Bedauern unser Unternehmen auf
eigenen Wunsch. Wir wünschen ihm für die Zukunft alles Gute.

= unterdurchschnittlich. Bei uns hat er es zu nichts gebracht, daher wünschen wir ihm zumindest für die Zukunft alles Gute.

Klassisches Beispiel für Zeugnissprache.

S.J.

Vielen Dank an euch alle!
Hallo zusammen,

Klassisches Beispiel für Zeugnissprache.

Dazu fällt mir eher ein: klassisches Beispiel für ein bösartiges Unternehmen… :frowning:

Vielen Dank für eure Antworten. Ihr habt uns wirklich weitergeholfen und unsere Vermutungen bestätigt, dass das Zeugnis inhaltlich und formal eine Frechheit ist.

Viele Grüße
sgw