Auswirkungen der Prädestinationslehre

Liebe Experten,
ich hatte schon auf dem Gymnasium Schwierigkeiten damit, die These zu verstehen, daß die Calvinistische Prädestinationstlehre den Kapitalismus gefördert hat (Max Weber). In Bezug auf Tugenden wie Strebsamkeit, Verzicht e.t.c. leuchtet mir dies zwar ein. Aber wenn andererseits jemand fest daran glaubt, daß seine Auserwählung durch Gott von vorneherein festgelegt ist, dann lohnt sich eigentlich die Mühe doch gar nicht, sein Leben der Arbeit zu widmen. Auserwählt ist auserwählt - letztendlich auch dann, wenn man in seinem Leben in erster Linie Vergnügungen und nicht der Arbeit nachgegangen ist. Dies könnte doch eigentlich auch gerade der Grund für einen überzeugten Fatalismus sein.

Viele Grüße
Rosinas

Hallo,

daß die Calvinistische
Prädestinationstlehre den Kapitalismus gefördert hat (Max
Weber).

nur wer an Max Weber glaubt

Aber wenn andererseits
jemand fest daran glaubt, daß seine Auserwählung durch Gott
von vorneherein festgelegt ist, dann lohnt sich eigentlich die
Mühe doch gar nicht, sein Leben der Arbeit zu widmen.

Nun gehört diese Überlegung eher in das Brett Religionswissenschaften.
Die spezielle widersprüchliche Lehre einer Religion kann nie in dem
Sinne ausdiskutiert werden, daß da irgend eine Erkenntnis daraus
gewonnen werden kann.Warum sollte irgend Jemand sich einen solchen
„Schuh anziehen“, der ihn dann drückt.Man kanns doch lassen.
Gruß VIKTOR

Hi

Dies könnte doch eigentlich auch
gerade der Grund für einen überzeugten Fatalismus sein.

Oder für große Entspanntheit.
Zumindest muss man nicht aus Gründen des mangelnden Selbstwertgefühles strampeln wie im Hamsterkäfig. :wink:
Gruß,
Branden

Hey Rosinas,

die Vorbestimmung hängt mit der Emanation zusammen.
Epheser 1, Vers 4
Der Leib Christi (seine Leibesglieder, 1. Kor. 12,12-) sind vor Herabwurf der Welt auserwählt worden.

Ein Gläubiger hält an seiner Erwählung fest, deshalb entwickelt er
aber keine fatalistische Einstellung, vielmehr lernt er durch die große Dankbarkeit von sich wegzuschauen, und kann dadurch anderen
helfen.

Hallo Rosinas,

die Theorie von Max Weber ist längst überholt, widerlegt ad acta.
Er hat nämlich seine Theorie nicht auf Äußerungen oder Schriften von Calvin selbst gestützt, sondern vor allem auf Beispiele aus Nordamerika und England.
Dass der Calvinismus ein besonderes Arbeitsethos verlangt und geschaffen hat, ist unbestreitbar; freilich ähnelt das sehr dem lutherischen und ist insoweit eigentlich nichts Besonderes.

Die Prädestinationslehre ist bei Calvin eigentlich ein Versuch, die verfolgten Hugenotten in Frankreich zu trösten: Sie sollen gewiss werden, dass sie in allem Leid und aller Bedrängnis dennoch nicht aus Gottes Hand fallen.
In der reformierten Orthodoxie hat sich diese Lehre dann aber verselbständigt bis dahin, dass auf der Synode zu Dordrecht 1618-19 diese Lehre so scharf gefasst wurde, dass Jesus nur für die schon vor aller Zeit Erwählten gestorben sein.
Weil das der holländische Jurist und Staatsmann Oldenbaarneveldt nicht mitmachen konnte, wurde er hingerichtet.

Die Prädestinationslehre hat in den verschiedenen Kirchen Calvinscher Prägung uns Provenienz sehr unterschiedliche Wichtigkeit; manche haben sie fast vollkommen über Bord geworden. Sie spielt im Leben und in der Predigt auch dezidiert reformierter Gemeinden kaum noch eine Rolle.

Gruß - Rolf

Auswirkungen der sozialen Rahmenbedingungen der PL
Liebe Rosinas!

Calvinistische Prädestinationslehre …
Dies könnte doch eigentlich auch
gerade der Grund für einen überzeugten Fatalismus sein.

Meines Erachtens hätte diese Frage in den ‚Sozialwissenschaften‘ bleiben sollen, da hätte sie auch hingehört, weil es hier in erster Linie um die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen der Prädestinationslehre geht, nicht um ihren reinen religiösen Gehalt.

Diese Prädestinationslehre umfasst ja (zumindest in seiner Popularwirkung) weit mehr als nur den Gedanken der Prädestination (auf den man in der Tat rein logisch und psychologisch auch mit Fatalismus reagieren könnte.)

Sie umfasste v.a. eben auch den Gedanken, dass man an innerweltlichen Zeichen, wie dem Berufserfolg, ablesen könne, ob man denn auserwählt sei oder nicht.

Zudem konnte sie im Europa/Nordamerika dieser Zeit auf Werthaltungen und Mentalitäten aufbauen (z.B. den Wert der Askese und auch den der Arbeit als solcher), die anderen und tiefreichenderen Quellen entstammen als nur der Prädestinationslehre selbst.

Zum dritten fiel die die erfragte Form der Prädestinationslehre historisch auf eine wirtschaftliche Produktionsweise, die man als Proto-Kapitalismus bezeichnen muss, in der die Menschen bereits freigesetzt waren von festen Bindungen an ihren Stand und Herrn.

btw: aus diesem Grund lehne ich auch Max Webers Erklärungsweise ab; er erklärt mehr oder weniger das, was er schon voraussetzt; der Protestantismus ist bestenfalls ein Katalysator der Entwicklung des Kapitalismus; allerdings lässt sich m.E. Weber durchaus auch schon so verstehen.

So, nun mein logizistischer Erklärungsansatz:

  1. Ich glaube an die Prädestinationslehre, und damit auch daran, dass ich unter anderem und vor allem an meinem beruflichen Erfolg ablesen kann, ob ich erwählt bin .
  2. Ich will erwählt sein. Das ist ja der Punkt, dem man bei keiner Prädestinationslehre mit Unentschiedenheit begegnen kann.

Aus 1. und 2. ergibt sich logisch zwingend 3.: Ich kann mich demzufolge nicht erwehren, stets nach Zeichen meiner Erwähltheit zu suchen.

  1. Da unter (proto)kapitalistischen Konkurrenzbedingungen eine fatalistisch-zurücklehnende Haltung fast notwendig (zumal in dieser Aufbauphase des Kapitalismus!) ganz innerweltlich zu beruflichem Misserfolg führen musste, konnte eine Haltung wie „ich lehne mich ganz entspannt zurück und warte ab, ob ich auserwählt bin“ schlichtweg bereits auf rein logischer Ebene nicht funktionieren, weil sie zwingend zu beruflichem Misserfolg führte, der eben als sicheres Zeichen der Nicht -Auserwähltheit galt … Widerspruch

Anders gesagt: Wenn also durch diese Randbedingungen der Prädestinationslehre der Fatalismus als Haltung bereits ein Zeichen der Nicht-Auserwähltheit ist , dann kann man unmöglich der Prädestinationslehre mit einer fatalistischen Haltung entgegentreten und abwarten, ob man auserwählt sein wird

Schon aus rein logischen Gründen funktioniert dies nicht, denn wenn Fatalismus als Ausdruck von ‚non-A‘ gilt, kann der Fatalismus nicht mehr ein Audruck von ‚entweder A oder non-A‘ sein.

_ ℂ Λ ℕ Ð I Ð € _

Nachtrag mangels Editfunktion

ich hatte schon auf dem Gymnasium Schwierigkeiten damit, die These zu
verstehen, daß die Calvinistische Prädestinationstlehre den
Kapitalismus gefördert hat (Max Weber).

Man darf -ganz so wie Rolf es richtig erklärt hat- auf keinen Fall glauben, Weber habe versucht, den Kapitalismus direkt aus dem Gehalt des Calvinismus abzuleiten. Es ging ihm immer einzig und allein darum, wie der Calvinismus/Protestantismus von den Menschen gelebt worden ist.
Von daher war es natürlich kein „Fehler“ von ihm, sich nicht auf die Schriften Calvins zu stützen, sondern beispielsweise auf das Tagebuch Benjamin Franklins, denn es ging ihm ja um soziologische Analysen, nicht um theologische.

_ ℂ Λ ℕ Ð I Ð € _

Hallo,

die Probleme werden Dich bis an Dein Lebensende begleiten. Ein Gott, der so widersprüchliche Schriften uns hinterlassen hat, kann nur ein von Menschen gemachter Gott sein. Für mich gibt es keinen Gott und somit auch keine Vorherbestimmung.

LG
Michael

die Probleme werden Dich bis an Dein Lebensende begleiten.

Prophetische Rede? Oder auch eine Art von Prädestination?

Ein Gott, der so widersprüchliche Schriften uns hinterlassen hat,

Meines Wissens waren Calvin und Weber keine Götter, sondern Menschen.

Für mich gibt es keinen Gott

Jeder kann glaube, was er/sie/es mag, aber…

und somit auch keine Vorherbestimmung.

…woher kommt der logische Rückschluß, Vorherbestimmung müsse an die Annahme einer göttlichen Macht gekoppelt sein?

Gruß, Martinus…