Avidya vs. prajna

"avidya ist also der Gegenbegriff zu prajña.

Wichtig im Saccaka-Sutta ist, daß mit der Befreiung von der avidya zugleich auch ein Bewußtsein des Befreitseins sich einstellt." (Metapher)

Diese von Metapher im Artikelbaum der Eingangsseite gemachte Aussage, birgt einige Zweifel.

Mir ist als Gegenbegriff zu avidya (Unwissen) - vidya (Wissen) bekannt. Zumindest sind das die klassischen vedischen Begriffe. Wobei Wissen das Wissen um die Einheit allen Seins darstellt und das Unwissen eben dessen Verlust. So wird es auch in den Upanischaden verstanden.

prajna, bezeichnet dagegen laut Mandukya Upanischade, einen der vier Zustände des Selbstes oder Brahmans. Es kann also kein Gegenbegriff zu avidya sein, sondern bezeichnet einen Zustand innerhalb von vidya.

Buddha wird also diese beiden Begriffe im Sinne des Veda verwandt und so beibehalten haben, da sich das auch mit seiner ursprünglichen Lehre deckt.

Die Frage die Demetrius stellt und von Metapher nicht vollständig beantwortet wurde, läßt sich laut aurobindonischer Erkenntnis wie folgt beantworten:

Anfang der Frage:

_Upanischaden:
(Sprecher B:smile:
12 „In blinde Finsternis gehen ein, die das Nichtentstehen verehren. In noch größere Finsternis, die am Entstehen sich genügen lassen.
13 Man verkündet es (das Eine‘) als verschieden vom Entstehen, man verkündet es als verschieden vom Nichtentstehen. So haben wir gehört von Weisen, die es (das,Eine‘) uns erklärt haben.‘

(Sprecher A:smile:
14 Entstehen und Vergehen - wer beide als zusammengehörig kennt, der erreicht, nachdem er durch Vergehen zum Tod übergesetzt ist, durch Entstehen - Unsterblichkeit.‘ "_
Ende der Frage.

[Nichtentstehen = Nichtwissen (von Gott).]

Der Text weist auf einen Dritten Zustand (den der Unsterblichkeit) hin, der unberührt von den beiden anderen besteht. Dieser wird nicht durch die Ablehnung der Welt, sondern durch die Hinwendung zur Welt und durch diese (Unwissenheit) erlangt. Das ist ganz wichtig und das muß auch Buddha gewußt haben.

Eine bloße Abwendung von der Welt (Nirvana) kann also niemals die Lehre Buddhas gewesen sein, sondern eher eine Erfüllung in der Welt durch Nirvana. Ersteres führt zu dieser ‚größeren Finsternis‘ der Upanischaden.

Irgendwelche Einwände?

gruß
rolf

Hi!

Ich würde mich freuen wenn du, bevor du hier weiter predigst, noch auf die offenen Fragen deiner letzten Predigt eingehen würdest.

Grüße
Dusan

Rätselraten

Diese von Metapher im Artikelbaum der Eingangsseite gemachte Aussage …

Auf was für einer Eingangsseite siehst du irgendeine Aussage??

Es zeugt von einem mit- und hinreißenden Kommunikationsinteresse, einen Satz aus einem x-beliebigen Posting aus dem Jahre 2001 ohne Verlinkung zu zitieren. Ich hol das mal grad nach:
http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv…

Upanischaden:

Auch hier: Es ist immer sehr angenehm (höflich gesagt), zu einem Zitat auch die Quelle anzugeben, z.B. daß hier von der Ischa Upanischad die Rede ist.

[Nichtentstehen = Nichtwissen (von Gott).]

Ach ja? Und warum ist dann, wenn es dasselbe ist, in Vers 9 der Ischa Upanischad parallel und symmetrisch zum „Nichtentstehen“-Vers, und damit separat und additiv, von „Nichtwissen“ die Rede? Warum zitierst du nicht gleich Vers. 9?

Das ist ganz wichtig und das muß auch Buddha gewußt haben.

Ganz sicher. Aber was willst du damit nun sagen?

Eine bloße Abwendung von der Welt (Nirvana) kann also niemals
die Lehre Buddhas gewesen sein

Wo hat das denn wer behauptet?

Irgendwelche Einwände?

Gegen was?

Gruß

Metapher

[Nichtentstehen = Nichtwissen (von Gott).]

Ach ja? Und warum ist dann, wenn es dasselbe ist, in Vers 9
der Ischa Upanischad parallel und symmetrisch zum
„Nichtentstehen“-Vers, und damit separat und additiv, von
„Nichtwissen“ die Rede? Warum zitierst du nicht gleich Vers.
9?

Sind das nicht unterschiedliche Übersetzungen? Wenn man die von Sri Aurobindo liest, wird es deutlicher.

„Into a blind darkness they enter who follow after the ignorance, they as if into a greater darkness who devote themselves to the Knowledge alone.“

Daraus kann man leicht Unwissen und Wissen ableiten. Also vidya und avidya.

Das ist ganz wichtig und das muß auch Buddha gewußt haben.

Ganz sicher. Aber was willst du damit nun sagen?

Das Buddhas Lehre möglicherweise mißverstanden wurde.

Eine bloße Abwendung von der Welt (Nirvana) kann also niemals
die Lehre Buddhas gewesen sein

Wo hat das denn wer behauptet?

Die gängige Auffassung von Nirvana, ist doch Verlöschen.

gruß
rolf

Hallo Rolf,

Mir ist als Gegenbegriff zu avidya (Unwissen) -
vidya (Wissen) bekannt. Zumindest sind das die
klassischen vedischen Begriffe. Wobei Wissen das
Wissen um die Einheit allen Seins darstellt und das
Unwissen eben dessen Verlust. So wird es auch in den
Upanischaden verstanden.

Zunächst einmal bedeutet skrt. ‚vidya‘ Wissen in allgemeinster Form - d.h. vor allem aus empirischer Erfahrung gewonnenes Wissen. ‚Vidya‘ kann auch im Sinne von ‚Fertigkeiten‘ verstanden werden - ein geschickter Handwerker etwa besitzt spezielles ‚vidya‘, das er übertragen und weitergeben kann. Drittens - als Bedeutungsübertragung der zweiten genannten Bedeutung - kann ‚vidya‘ bestimmte paranormale / yogische Fähigkeiten bezeichnen.

Im buddhistischen Kontext begegnet der Begriff ‚vidya‘ vor allem in tantrischen Schulen (also geschichtlich verhältnismäßig jungen(!) Entwicklungen), wo er esoterische Kenntnis bestimmter Praktiken (z.B. mantras) beschreibt.

Wenn in den Upanischaden von ‚vidya‘ die Rede ist, so ist damit ein spezielles, ‚spirituelles‘ Wissen gemeint - d.h. jedoch beileibe nicht, dass dies dasselbe ‚Wissen‘ ist, auf das sich Buddha mit seinen Lehren bezog. Ebenso, wie ‚vidya‘ in den Upanischaden eine spezielle, umgrenzte Art des Wissens bezeichnet, so bezeichnet ‚avidya‘ im Kontext des buddhadharma eine spezielle Art des Nichtwissens - nämlich die des Nichtwissens von den aryasatya, den vier edlen Wahrheiten. Wurzel dieses Nichtwissens ist eine kognitive Fehlhaltung - die Illusion von der Substanzhaftigkeit des Ich und der durch das Ich erfahrenen Phänomene. Hier - in der anatman-Lehre - liegt der entscheidende und unüberbrückbare Unterschied des buddhadharma (oder anatmavada) zu brahmanischen oder hinduistischen Heilswegen.

Dieses ‚avidya‘ ist nach buddhistischer Auffassung also nicht einfach Abwesenheit oder Mangel von Wissen, es ist ‚falsche Sicht‘ (ditthi), die unmittelbar zu karmischen Konsequenzen führt, da sie ein Handeln bewirkt, das auf falschen Voraussetzungen beruht. Insofern ist dieses ‚avidya‘ wesentlich als ein ethisches Nichtwissen zu verstehen. Geläufiger als der Begriff ‚avidya‘ ist daher der Begriff ‚moha‘, Verblendung oder Täuschung. Unmittelbar aus der kognitiven Fehlhaltung, aus moha heraus, entstehen die grundlegenden dualen Antriebe menschlichen Handelns - lobha (Gier, Lust, Anziehung) und dosa (Hass, Unlust, Abstoßung).

Zur Überwindung von avidya / moha wird der achtfache Pfad (astanga marga) gelehrt, der sich aus drei Aspekten zusammensetzt: sila (ethisches Handeln), dhyana (Geistesschulung) und prajna (Weisheit). So wie lobha und dosa avidya / moha nachgeordnet sind, sind sila und dhyana prajna nachgeordnet. So, wie moha eine spezielle Art von avidya ist, ist prajna eine spezielle Art von vidya, das eben dieses spezielle avidya überwindet.

prajna, bezeichnet dagegen laut Mandukya Upanischade,
einen der vier Zustände des Selbstes oder Brahmans. Es kann
also kein Gegenbegriff zu avidya sein, sondern
bezeichnet einen Zustand innerhalb von vidya.

Es ist wenig hilfreich, buddhistische Lehre mit Hilfe der Upanischaden erklären zu wollen. Mit seiner anatman-Doktrin steht der buddhadharma in direktem Gegensatz zu den Upanischaden - da gibt es kein beständiges ‚Selbst‘, keinen atman und auch keinen brahman. Er entstand und entwickelte sich zeitgleich und in Auseinandersetzung mit den mittleren und späten Upanischaden und hat seine eigene Terminologie. Gerade bei den älteren Upanischaden wiederum ist von einer einheitlichen (angeblich „klassisch vedischen“) Terminologie (die Buddha hätte übernehmen können) noch gar nicht zu sprechen.

Dies wird gerade bei der oben zitierten Aussage von Dir deutlich - zwar kennt auch der buddhadharma eine solche Vierzahl von brahmavihara (‚göttliche Verweilzustände‘ - nicht ‚Verweilzustände des brahma‘), jedoch gehört prajna mitnichten dazu - es handelt sich vielmehr um maitri, karuna, mudita und upeksha (liebende Güte, Mitleid, Mitfreude, Gleichmut). ‚prajna‘ hingegen gehört als oberste zum System der sechs (oder zehn) paramitas (der ‚Tugenden‘, der ‚Hinüberführenden‘); auch diese sind wie die brahmavihara im wesentlichen ethisch-moralische Qualitäten (die durch die Praxis des achtfachen Pfades entwickelt werden), nicht gnostische.

Buddha wird also diese beiden Begriffe im Sinne des Veda
verwandt und so beibehalten haben, da sich das auch mit seiner
ursprünglichen Lehre deckt.

Willst Du uns hier ernsthaft über die „ursprüngliche Lehre“ Buddhas belehren? Die kennst Du doch überhaupt nicht - und Du wirst sie durch das Studium von Aurobindos Schriften oder den Upanischaden auch nicht kennenlernen.

Freundliche Grüße,
Ralf

Hallo Rolf,

„Into a blind darkness they enter who follow after the
ignorance, they as if into a greater darkness who devote
themselves to the Knowledge alone.“

aber das ist doch jetzt wieder Vers 9, nicht 12 - was sollte da jetzt klarer werden? Offensichtlich ist doch von zwei verschiedenen Dingen die Rede - von ‚Nichtwissen‘ (in 9) und von ‚Nichtentstehen‘ (in 12). Die Antwort, wieso Du meinst, beides gleich setzen zu können, bist Du uns schuldig geblieben.

Daraus kann man leicht Unwissen und Wissen ableiten. Also
vidya und avidya.

Da brauchst Du nichts abzuleiten - das (vidya und avidya) steht da. In diesem Vers 9, auf den Dich Metapher hingewiesen hat.

Apropos klarer - man kann Vers 12 der Isha Upanishad auch anders übersetzen, z.B. so:

12. In blinde Finsternis eingeht,
Wer ein Werden zu Nichts geglaubt,
In blindere wohl noch jener,
Der ein Werden zu Etwas glaubt.
13. Verschieden ist es von Werdung,
Von Nichtswerdung verschieden auch,
So haben von den Altmeistern
Die Lehre überkommen wir.

Und da wird dann Deine Gleichsetzung

[Nichtentstehen = Nichtwissen (von Gott).]

zu ‚Werden zu Nichts‘ = Nichtwissen (von Gott). Schon sehr merkwürdig. Auch nach Swami Paramananda, der ‚the unmanifested‘ und ‚manifested‘ übersetzt (They fall into blind darkness who worship the Unmanifested and they fall into greater darkness who worship the manifested) macht das keinen Sinn.

Ich will jetzt nicht über den Wert unterschiedlicher Übersetzungen streiten - dazu fehlt mir die Kompetenz. Wie Du zu Deiner Gleichsetzung kommst, würde mich allerdings in der Tat schon interessieren. Aus dem Text der Isha Upanishad heraus wirst du das wohl kaum begründen können.

Das Buddhas Lehre möglicherweise mißverstanden wurde.

Buddhas Lehre wurde mit Sicherheit missverstanden - das wird sie auch heute noch. Fragt sich nur vom wem. Wie Du das freilich aus einem Upanischaden-Text ableiten willst, ist mir schleierhaft. So etwas scheint mir eher eine Ursache für Missverständnisse zu sein.

Die gängige Auffassung von Nirvana, ist doch Verlöschen.

Mag sein. Die entscheidende Frage dabei ist - was verlischt?

Freundliche Grüße,
Ralf

Hallo Ralf

Gut, ich habe verstanden, daß der Begriff prajna der Upanischaden einen anderen Inhalt hat, als im Buddhismus. Auch scheint es zwei Begriffe davon zu geben, - einmal pràjna und einmal prajnà.

Mit allem anderen was Du sagst, bin ich auch einverstanden z.B. die Interpretation von vidya und avidya.

Außer vielleicht in dem einen Punkt, daß Du die Upanischaden oder einige, zeitgleich mit den Lehren Buddhas setzt. Laut Traditionen der Inder sind diese weitaus älter. So könnte man schließen, daß Buddha wenn er diese Begriffe vidya und avidya verwendet, es im vedischen Sinne getan hat. Die späteren buddhistischen Lehrkörper vielleicht nicht mehr.

Fast alles was Du erklärst, ist aber bereits der Lehrkörper der diversen Schulen, die nach Buddha entstanden sind und vielleicht auch nur der einer bestimmten Sekte. Mit Buddhas ursprünglicher Lehre, ist doch lediglich das Dhammapada gleichzusetzten, oder nicht?

gruß
rolf

Wenn wir natürlich zwei verschiedene Übersetzungen vor uns haben, dann können wir noch tagelang diskutieren :wink:

Ich stelle hier mal den Vers 12 der Version von Sri Aurobindo vor.

  1. Into a blind darkness they enter who follow after the Non-Birth, they as if into a greater darkness who devote to the Birth alone.

Der Begriff Nicht-Geburt versteht sich mit dem Bestreben aus dem Kreislauf von Tod und Geburt herauszukommen. Im Gegensatz zur Geburt, der Unwissenheit, die kein Verlangen hat, aus ihrem Zustand herauszukommen, sondern ihn genießen möchte.

Was hier interessant ist, das Wege dieser Art, bereits vor Buddha bekannt waren.

gruß
rolf

Hallo Rolf,

Gut, ich habe verstanden, daß der Begriff prajna der
Upanischaden einen anderen Inhalt hat, als im Buddhismus. Auch
scheint es zwei Begriffe davon zu geben, - einmal
pràjna und einmal prajnà.

wenn ich es recht verstehe, sind lediglich die Konnotationen etwas verschieden - prAjna betont mehr den intellektuellen Aspekt, also Gelehrsamkeit, Wissen, Intelligenz. prajnA hingegen mehr Unterscheidungsfähigkeit und Urteilsvermögen. Im buddhistischen Kontext wird idR der zweite Begriff gebraucht.

Außer vielleicht in dem einen Punkt, daß Du die Upanischaden
oder einige, zeitgleich mit den Lehren Buddhas setzt. Laut
Traditionen der Inder sind diese weitaus älter.

Nun, über das Alter des Veda sind wir geteilter Meinung, wie wir bei anderer Gelegenheit schon einmal festgestellt haben. Da steht „Traditionen der Inder“ gegen die Forschungsergebnisse der Indologie.

So könnte man
schließen, daß Buddha wenn er diese Begriffe vidya und
avidya verwendet, es im vedischen Sinne getan hat. Die
späteren buddhistischen Lehrkörper vielleicht nicht mehr.

Worauf stützt sich Deine Annahme, Buddha habe diese Begriffe anders verwendet, als jene, die in seiner Tradition lehrten? Die Bedeutung dieser Begriffe erschließt sich aus dem Kontext - und eben diesen habe ich versucht, in meinem letzten Posting zu umreißen. Wenn Du diese Begriffe „im vedischen Sinne“ umdeutest, werden sie im Kontext buddhistischer Lehre dysfunktional, die Lehre selbst widersprüchlich.

Die Lebenszeit Buddhas war eine äußerst kreative Epoche indischen Denkens - es gab nicht nur Buddhas Zeitgenossen Mahavira (den Gründer der Jaina) und die ‚Eternalisten‘, es gab auch Materialisten und es gab Denker, die zwar einen samsarischen Zyklus lehrten, aber jegliches karmisches Wirken verneinten. Die ‚Eternalisten‘ wurden zur beherrschenden Strömung des sich entwickelnden Hinduismus - das heisst aber nicht, dass alle sich ihrer Terminologie bedient hätten.

Fast alles was Du erklärst, ist aber bereits der Lehrkörper
der diversen Schulen, die nach Buddha entstanden sind
und vielleicht auch nur der einer bestimmten Sekte. Mit
Buddhas ursprünglicher Lehre, ist doch lediglich das
Dhammapada gleichzusetzten, oder nicht?

Die schriftliche Fixierung buddhistischer Lehre erfolgte etwa ein halbes Jahrtausend nach Buddhas Lebzeiten. Vorher gab es eine mündliche Tradition der Überlieferung, die sich natürlich jeder wissenschaftlichen Untersuchung entzieht. Es ist also ein völlig hoffnungsloses Unterfangen, wissenschaftlich zweifelsfrei rekonstruieren zu wollen, was „Buddhas ursprüngliche Lehre“ war. Was man tun kann, ist Folgendes - man kann die Geschichte der unterschiedlichen historischen buddhistischen Schulen untersuchen (wobei die Datierung z.T. erhebliche Probleme bereitet) und man kann die überlieferten Texte der einzelnen Schulen vergleichen. Bei Übereinstimmungen kann man davon ausgehen, dass hier Überlieferungen wiedergegeben werden, die älter sind als der Zeitpunkt der Aufspaltung dieser Schulen. Man kommt so zu einer relativen Stratigrafie der Texte.

Unabhängig von dieser Untersuchung kann man freilich auch die zentralen Lehraussagen der buddhistischen Schulen vergleichen.
Auf diese Weise kann man einen allen buddhistischen Schulen gemeinsamen ‚Kern‘ der Lehre herausarbeiten - dieser hat zum Beispiel eine knappe Formulierung im buddhistischen Bekenntnis der DBU gefunden, bei dessen Überarbeitung im Jahr 2004 ich zugegen sein durfte.

Die Aussagen, die ich hier gemacht habe, sind diesem ‚Kern‘ zuzuordnen, nicht „einer bestimmten Sekte“ - sie sind gemeinsames Gedankengut aller buddhistischen Schulen. Dass dies die ‚ursprüngliche Lehre‘ ist, ist freilich nicht beweisbar. Das Gegenteil freilich genauso wenig.

Das Dhammapada ist sicher ein sehr alter Text, wie schon seine Verbreitung zeigt - außer dem bekannten Palitext gibt es eine Prakrit-Version (Dhamapada) aus Gandhara sowie eine Version in (hybridem) Sanskrit unter dem Namen Udanavarga. Der Text wird von allen buddhistischen Schulen hoch geschätzt und er widerspricht auch ihren Lehren nicht. Die stratigrafisch älteste Textschicht findet sich freilich hauptsächlich in der Vinaya-Sektion der überlieferten Textkanones - also bei den Ordensregeln, der Geschichte ihrer Entstehung (hier gibt es Doubletten zu verschiedenen Sutra-Texten) und bei ihrer Kommentierung.

Freundliche Grüße,
Ralf

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Was hier interessant ist, das Wege dieser Art, bereits
vor Buddha bekannt waren.

Buddha selbst hat sich nur als ‚Wiederentdecker‘ des Dharma bezeichnet. Auch das Gravitationsgesetz hat bereits vor Newton existiert …

Er spricht (im Mahapadana Sutta) namentlich von sechs Buddhas, die ihm vorangingen. Als unmittelbaren Vorgänger nennt er Kasyapa - und unter diesem Namen kennt die vedische Tradition einen ihrer Rsis. Allerdings ließ Buddha auch keinen Zweifel daran, dass der Dharma zu seinen eigenen Lebzeiten längst wieder vergessen war …

Gruß,
Ralf

Die gängige Auffassung von Nirvana, ist doch Verlöschen.

Mag sein. Die entscheidende Frage dabei ist - was
verlischt?

Hi.

Was verlischt? Der Wind, also: die Begierden. Nirvana ist die „Windstille“. Die Begierden verlöschen, die entstehen, wenn sich der Geist an die Formen des Körperlichen fesselt, um aus ihnen Lust zu saugen. Nirvana „ist“, wenn der Geist die Formen transzendiert und zurück zu sich selbst findet.

Gruß

Hallo Horst,
das ist so nicht ganz vollständig - Du beziehst Dich zu einseitig allein auf lobha.

„Auslöschung von Gier, Auslöschung von Hass, Auslöschung von Täuschung: dies wird Nirvana genannt.“(Jambukhādaka-Samyutta 1, SN38).

Es ‚Verwehen‘ also lobha (Gier, Lust, Anziehung) und dosa (Hass, Unlust, Abstoßung) durch die Überwindung / das Verwehen von avidya / moha. Dieser Zustand ist das sog. klesha-parinirvana, das von geistigen Trübungen befreite Nirvana - ein durchaus diesseitiger Zustand. Es ist keine „Abwendung von der Welt“, wie Rolf meinte, sondern es bedeutet, die Dinge so zu sehen, wie sie sind und adäquat zu handeln.

Mit dem Zerfall der Geist-Körper-Einheit (der 5 skandhas, namarupa) tritt dann das skandha-parinirvana ein. Da avidya überwunden ist, ist der Kreislauf wechselseitig bedingten Entstehens (pratityasamutpada) durchbrochen, es entstehen keine karmischen Formationen (samskara) mehr, mithin auch kein punarbhava (‚Wieder-Werden‘).

Freundliche Grüße,
Ralf

Hi, Ralf.

Es ist keine
„Abwendung von der Welt“, wie Rolf meinte, sondern es
bedeutet, die Dinge so zu sehen, wie sie sind und adäquat zu
handeln.

Allerdings.

Ich finde es interessant, wie gut du in diesen Dingen bewandert bist. Bist du Student oder Doktor der Religionswissenschaften/Philosophie/Philologie oder was? Ich würde gern gelegentlich mal Sachfragen an dich richten. Ich verweise bei dieser Gelegenheit auch auf meine im Brett Esoterik gestellte „Kritische Frage zum Thema Wiedergeburt“.

Gruß

Hallo Horst,
ich übe einen technischen Beruf aus, beschäftige mich allerdings schon etliche Jahre intensiv mit dem Buddhadharma - sowohl theoretisch als auch praktisch (was sehr viel wichtiger ist). Ich gehöre als Laie (zaike) einer Soto-Zengemeinschaft in der Überlieferungslinie Kobun Chino Otogawas an (falls Dir das etwas sagt), versuche aber durchaus, auch über den Tellerrand meiner eigenen Schule hinauszuschauen.

Für das Interessengebiet ‚Buddhismus‘ habe ich mich hier kürzlich nach langem Zögern als ‚Experte‘ eingetragen, obwohl es so etwas mE nicht gibt - auf dem Gebiet bleibt man lebenslänglich Anfänger :wink:. Eigentlich nur um anzuzeigen, dass ich mir zutraue, einschlägige Fragen einigermaßen kompetent beantworten oder zumindest an kompetentere Leute weitergeben zu können.

Freundliche Grüße,
Ralf

Hi.

Danke für die Antwort. Ich komme mal auf dich zurück.

Gruß

Horst