Hallo!
endlich mal eine anregende Diskussion auf in diesem Brett! Wie
schön!
Finde ich auch, darum beteilige ich mich gleich mal dran.
Musik bis ca. 1750 ist Barockmusik (noch ältere Epochen
beachte jetzt mal nicht, sie werden heutzutage fast nicht mehr
gehört):
Korrigiere: Sie werden in den letzten - sagen wir mal - 30
Jahren wieder zunehmend gehört. Die „Alte Musik“-Szene ist
sehr lebendig.
Mal davon abgesehen, daß in den älteren Epochen ganz schön was los war hinsichtlich musikalischer Entwicklung: von Einstimmigkeit und Organum-Singen im Mittelalter bis hin zur Venezianischen Mehrchörigkeit - ich glaube, eine derartige Steigerung gab es so nie wieder, ungeachtet aller harmonischen und tonalen Experimente späterer Zeiten.
1750 - 1827: Klassik: Nur Haydn, Mozart Beethoven
Und Salieri? Auch wenn er Mozart nicht umgebracht hat, ein
Zeitgenosse war er doch allemal …
Zeitgenossen hatten die drei etliche, aber die kamen an das hohe Stilniveau der drei Wiener nicht heran.
Von vielen Musikwissenschaftlern werden tatsächlich nur diese
drei als Klassiker gesehen. … Um ein Klassiker zu sein, reicht es
nicht aus, im 18. Jahrhundert gelebt zu haben! Das Problem, dass
dadurch entsteht, ist freilich, dass es eine Reihe von Komponisten
gibt, die „zur Zeit der Wiener Klassik“ lebten, aber irgendwie
in keine Epoche einzuordnen sind. Das ist natürlich
unbefriedigend.
Die MUSIKALISCHE Klassik bezieht sich in der Tat nur auf die drei Wiener Meister, genauer gesagt den späteren Haydn, Mozart und (den frühen) Beethoven. Im Grunde müßte man die Zeit auf etwa 30 Jahre eingrenzen, nämlich von ca. 1780 - ca. 1810. Vor diesem Zeitraum ist der klassische Stil noch in der Entwicklung; Haydn macht eine Phase durch, über die man sich streiten kann, ob sie als musikalischer Sturm und Drang zu bewerten ist oder nicht. Und Beethoven nach 1810 weist eindeutig in Richtung Romantik, seine Musik erhält nämlich eine zunehmend metaphysische Komponente. Wichtig ist an der Stelle noch zu beachten, daß bereits 1810 E.T.A. Hoffmann in seiner berühmten Rezension von Beethovens 5. Sinfonie diesen als Vollender der ROMANTIK preist. Das spricht wohl für sich.
Berechtigte Frage nun: Was ist mit den vielen Komponisten, die Zeitgenossen der drei Wiener waren, die sogenannten Kleinmeister?
Ab Mitte des 18. Jhdts. bis weit in das 19. hinein gab es verschiedene Stile bzw. später gefundene Stilbezeichnungen, die sich zum Teil überschnitten oder nicht ganz klar voneinander abgegrenzt werden können. Galanter Stil, Rokoko, Empfindsamkeit, Sturm und Drang (eine Übernahme aus der Literatur und ein wenig fragwürdig), und dann im 19. Jhdt. vor allem der Biedermeier.
Man darf nicht vergessen, daß in dieser Zeit erst so richtig ein öffentliches, bürgerliches Musikleben entstand und entsprechend die „Musikindustrie“, und vieles, was dann gerade auch um die Jahrhundertwende komponiert wurde, war Gebrauchsmusik, auf den Geschmack des Publikums zugeschnitten und entsprechend kommerziell angelegt. Das gilt besonders auch für den Biedermeier, der seinerseits wohlgemerkt NEBEN dem romantischen Stil existierte.
Auch gibt es keine Kausalkette von stilistischen Entwicklungen, soll heißen, daß lange nicht alles, was vor 1780 entstand, zwangsläufig auf die Klassik und diese wiederum zwingend auf die Romantik zulief. Im Gegenteil: Es scheint eine Art Parallelströmung zur Wiener Klassik zu geben, die bspw. vom empfindsamen Stil zum Biedermeier verläuft. Und ganz erhebliche Teile der „Vorklassik“ liefen an der Klassik vorbei hin zur Romantik.
Berühmtes Zitat: Es gibt keinen „Gänsemarsch der Epochen“. Und so hebt sich die Wiener Trias in der Vollendung des klassischen Stils von ihren Zeitgenossen ab. An dieser Stelle benötigt man den WERTbegriff von Klassik im Sinne von Vollendung, Proportioniertheit etc., was ja schon gesagt wurde. Es ist die Erhabenheit und Einzigartigkeit des Stils, manchmal vielleicht nur der letzte Schliff, der den Kleinmeistern fehlt.
Das war wohlgemerkt auch nur ein kurzer Abriß; man kann in der Tat Dissertationen drüber schreiben, aber das mach ich vielleicht andermal *g*.
Nächtliche Grüße,
Hedwig