Mein Eindruck von Al-Assad junior war bisher ein eher positiver. Obwohl ich kein wirkliches Detailwissen über Syrien besitze, dachte ich bis jetzt, dass Al-Assad zwar ein Diktator ist, aber ein durchaus moderner und gelehrter Mensch, der auch bereit ist Reformen durchzuführen und mehr oder weniger im Sinne der Bevölkerung zu handeln. Ein Interview im STANDARD vor mehreren Wochen bestärkte diesen Eindruck.
Mich würde deshalb interessieren ob meine Sicht realistisch ist bzw ob sich Al Assad junior sich irgendwelche Verbrechen zuschulde kommen hat lassen?
Grüße
Chris
Menschenrechtsverletzungen gibt es sicherlich weiter in Syrien (schau mal bei ai nach). Syrien unterstützt auch die Hisbollah. Und auch mit Hussein hat er wohl zusammengearbeitet.
Aber interessant ist, was das Jahrbuch „aktuell“ zur Innenpolitik von Syrien schreibt:
Die syrische Regierung ließ im Herbst 2001 etwa 120 politische Häftlinge frei. Die meisten gehörten laut Menschenrechtsorganisationen religiösen Gruppierungen an. Die Freilassung wurde als Zeichen für den Willen des Präsidenten Assad gewertet, die Gesellschaft behutsam zu liberalisieren.
Opposition: Das syrische Oppositionsbündnis Nationaldemokratische Versammlung (NDG) kündigte im Januar 2002 an, nach mehr als zwei Jahrzehnten im Untergrund wieder öffentlich in S. auftreten zu wollen. Die NDG-Führung forderte ihre Mitglieder, die aus Angst vor Verhaftung überwiegend zurückgezogen lebten auf, in ihr normales Leben zurückzukehren. Zugleich verlangte die NDG von der syrischen Regierung die Freilassung aller politischen Gefangenen aus den Gefängnissen.
Also: sicherlich ist Assad ein Diktator und kein Judenfreund und arbeitete wohl mit dem Schlächter Hussein zusammen. Aber er ist auf einem richtigen Weg. Die Perspektive stimmt wohl.
Assad dürfte sich nur schwerlich als schlimmster Diktator nach Hussein aufbauen lassen.
ciao
Ralf
Man muss aber auch sagen, dass in Syrien immer noch gefoltert wird. Gerade heute beschreibt der SPIEGEL die Foltermassnahmen bei Mohammed Haydar Zammar.
Monatelang kauerte der 140 Kilo schwere, 1,95 Meter große Islamist nach Zeugenaussagen in einer gerade mal 90 Zentimeter breiten und knapp einen Meter hohen, lichtlosen Zelle. Ab und an wurde der Gefangene abgehalt. Dann, berichtete ein mittlerweile entlassener Mithäftling, wurde Zammar wieder einmal vernommen. In der Regel beginne ein solches Verhör in dem Gefängnis mit Kabelschlägen auf die nackten Fußsohlen. Man höre regelmäßig die verzweifelten Schreie der Gefolterten.
Man fragt sich, warum die USA Syrien noch nicht aufgrund dieser Foltermassnahmen vor aller Welt angeklagt hat.
Hierfür gibt es durchaus einen Grund: Zammar wurde in Hamburg verhaftet, in die USA ausgeliefert und - als er da nicht redete, obwohl die sicherlich auch nicht sanft vorgegangen sind - von den USA nach Syrien gebracht, damit er über seine AlQaida-Kenntnisse auspackte. Hat auch geklappt. Unter diesen Foltermassnahmen hat er geredet.
Man fragt sich, warum Deutschland nicht diese Folterpraxis der USA und Syrien vor aller Welt angeklagt hat.
Hierfür gibt es durchaus einen Grund: Die Aussage des Deutsch-Syrers wurde für einen deutschen Prozess benötigt. Also flog eine deutsche Delegation nach Syrien und befragte ihn dort. Über die Vorgehensweise der Syrer liegen keine Beschwerden von deutscher Seite vor.
Aber immerhin sagt das auch aus: die USA glauben, dass Syrien „sehr gute“ Erfahrung in der Folterpraxis hat. Es werden da also sicherlich nicht nur AlQaida-Anhänger gefoltert.
Ciao
Ralf