Hi!
beim einbau einer radio-antenne im auto hab ich mich gefragt,
ob das prinzip des geschlossenen stromkreises auch hier
geltung hat.
Der Link von Eckhard ist leider etwas unspezifisch und geht für meinen Geschmack zu wenig auf die wirklichen Gründe von Wellenausbreitung ein. Drum versuch ich mal, das schöner darzustellen.
Die Vorstellung vom „geschlossenen Stromkreis“ gilt genaug genommen nur für sehr niedrige Frequenzen. Was ist „niedrig“?
Niedrige Frequenzen sind jene, wo die Wellenlänge = (Lichtgeschwindigkeit / Frequenz) wesentlich größer als die Abmessungen des Systems ist. Also sind zB 50Hz schon eine hohe Frequenz auf einer Überland-Hochspannungsleitung quer durch Kanada (Wellenlänge sind 6000km), hingegen sind 10GHz eine niedrige Frequenz auf einem GaAs-Halbleiter der nur 1x1mm (Wellenlänge in GaAs ca. 10cm) groß ist. Es ist also relativ. 
So, woher kommt das denn? Maxwell hat 1864 und 1873 die Theorie zum Elektromagnetischen Feld aufgestellt. Die berühmten Maxwell-Gleichungen. Sehr komplizierte und mathematisch recht anspruchsvolle Gleichungen sind das. Differentialgleichungen im 3-dimensionalen Raum und in der Zeit, um genau zu sein.
Maxwell behauptet mit seinen Gleichungen, daß ein veränderliches Magnetfeld ein Elektrisches Feld hervorruft. zB ein Magnet schnell durch eine Spule gezogen erzeugt eine Spannung an den Klemmen.
Gleichzeitig erzeugt aber ein sich änderndes Elektrisches Feld auch ein Magnetfeld. Was? Wie? Wo? Eigentlich erzeugt doch ein _Strom_ ein Magnetfeld? Ja, aber ein Strom ist ein Ladungstransport. Und wenn Ladung transportiert wird, dann ist im Quell-„Topf“ nachher weniger, im „Ziel“-Topf nachher mehr. Es hat sich also die Ladung im Quell- und im Ziel-Topf geändert.
Ab jetzt müssen wir uns ein Magnetfeld und ein Elektrisches Feld als Wolken vorstellen. Die einfach so irgendwo im leeren Raum sein können. Ohne Magnet, ohne Draht, einfach nur so sind die da.
Jetzt genau aufpassen: Wenn wir es nun schaffen, ein sich änderndes Magnetfeld zu erzeugen, das seinerseits ein elektrisches Feld erzeugt, das sich in einer ganz bestimmten Art und Weise ändert, daß es wieder ein Magnetfeld erzeugt. (das waren jetzt schon 360° Drehung). Wenn sich dieses so erzeugte Magnetfeld jetzt genauso wie das ursprüngliche Magnetfeld verhält, haben wir sozusagen ein „Perpetuum-Mobile“. Das Magnetfeld erzeugt das Elektrische Feld welches wieder das gleiche Magnetfeld erzeugt.
So ein Kunstgriff ist tatsächlich möglich! Man muß nur ein paar Bedingungen dabei einhalten. Eine dieser Bedingungen ist, daß sich dieses wobbelige Ding mit Lichtgeschwindigkeit ausbreitet. Taraaa! Das ist eine Elektromagnetische Welle.
Man kann auch wieder aufhören, das ursprüngliche Magnetfeld zu erzeugen. Dann reißt praktisch die Welle vom „Sender“ ab. Aber der schon weggeschickte Teil hat ja keine Ahnung, daß hinter ihm plötzlich nichts mehr ist. Drum breitet er sich bis in alle Ewigkeit weiter aus.
Ein Elektromagnetisches (EM) Feld ist also sozusagen eine „Wolke“ mit sich gegenseitig immer wieder erzeugenden veränderlichen Elektrischen und Magnetischen Feldern.
Jetzt gehen wir mit der Überlegung einen Schritt weiter. Was ist, wenn wir die EM-Welle zwischen zwei Metall-Platten durchleiten wollen? Metall ist ein Kurzschluss. Das heißt, es definiert eine Rand-Bedingung für unser Feld. Überall wo das Metall ist, muß die lokale elektrische Feldstärke Null sein. Daran muß sich das EM-Feld anpassen. Tut es auch, gottseidank!
Stell Dir mal ein Coax-Kabel vor. Das ist genau so eine Struktur. Nur daß die Platten rund sind. Jetzt kommt vielleicht ein kleiner Schock, also aufpassen: In einem Coax-Kabel wird nicht „der Strom in den zwei Leitern“ transportiert. Sondern es wird das Signal, genauer: die Leistung, im Zwischenraum transportiert! Im isolierenden „Dielektrikum“!
Ja! So erschreckend das für den Anfang klingt. Das Selbe gilt übrigens für _alle_ Zwei-Draht-Leiter-Strukturen. Die zwei Leiter sind also nur „Ränder“ für unsere Welle, damit sie nicht irgndwohin abhaut. Nochmal: Der Leistungstransport findet _zwischen_ den Leitern statt! Auch in Hohlleitern ist das so. Dort aber weniger überraschend. 
Wenn wir aber für jeden kleinen Schaltkreis immer gleich die Maxwell-Gleichungen lösen müssten, würde uns schnell fad werden. Darum dürfen wir uns das Leben unter ganz bestimmten Voraussetzungen einfacher machen.
Wenn nämlich unsere Schaltung selber viel kleiner als die Wellenlänge ist, dann dürfen wir so Sachen wie Ohmsches Gesetzt, Kirchhoff, … verwenden. Diese so wichtigen und berühmten Formeln sind also genau genommen nur eine „Vereinfachung“, eine Spezialisierung der allgemeinen Theorie von Maxwell auf den Spezialfall von niedrigen Frequenzen.
So, nochmal zu Deiner Antenne: Stell Dir vor, Du hast einen _Sender_. Dort kommt die Welle „irgendwie“ in ein Coax-Kabel. Damit leiten wir die Welle aufs Dach. Dort halten wir das Ende des Coax-Kabel einfach in Richtung eines Radios in der nächsten Ortschaft. Die Welle, die sich quitschfidel im Kabel durch Randbedingungen bestimmt dahinausbreitet, hat auf einmal ein offenes Ende. Glücklich beschließt sie, sich alleine, ganz ohne Randbedingungen auf die Reise zu machen. Genauso wie oben beschreiben.
Hast Du es gemerkt? Wir haben eine Antenne gebaut! Ohne sie so zu nennen. Hehe. Ein offenes Coax-Kabel ist aber eine eher schlechte Antenne. Da gibts viel bessere Strukturen. Solche sieht man auf vielen Dächern.
Am Empfänger ist es wieder genauso. Die Welle, die sich einfach so als Wolke ausbreitet, wird von der Antenne eingefangen. (genaugenommen nur ein Teil der Welle). Gleich danach muß die Welle durch Randbedingungen eingezwängt den Weg in Dein Autoradio nehmen. Sie ist immer noch eine eigenständige Welle, allerdings _geführt_ durch das Kabel.
Stromkreis brauchen wir dafür keinen. Die Welle ist ein eigenständiges Objekt. Das Gebot vom geschlossenen Stromkreis müssen wir nur einhalten, wenn wir die Vereinfachung namens „Kirchhoff“ verwenden wollen.
Hast Du das alles so verstanden? Wenn Du noch weitere Fragen hast, dann schreib sie einfach hier her.
Bye
Hansi
PS: Manche Sachen hab ich sehr stark vereinfacht und ohne die genauen Bedingungen, den Geltungsbereich und die Ursachen angegeben. Das würde aber nur zur Verwirrung beitragen. Wenn Du das wirklich ganz genau wissen willst, solltest Du zB eine Vorlesung über „Elektrodynamik“ oder „Wellenausbreitung“ besuchen.