Hallo!
Wie nennt man Abweichungen von der normalen
Stimmlage, die unbewusst oder halbbewusst
eingesetzt werden, um einen bestimmten
Personentypus darzustellen?
Ganz allgemein gibt es für solche Abweichungen den Begriff der Prosodie. Diese wird ganz alltäglich dazu eingesetzt, über Tonhöhenschwankungen die Bedeutung von Sprechakten zu konkretisieren. Eine Aussage zum Beispiel endet mit fallender Tonhöhe, eine Frage endet mit steigender Tonhöhe, und einzelne Wörter oder Silben können zum Zweck der Kontrastierung immer durch Anhebung der Grundfrequenz hervorgehoben werden:
„ICH besitze ein blaues Auto (und nicht meine Frau).“
„Ich besitze ein BLAUES Auto (und kein grünes).“
Die Tonhöhe, die jemand anschlägt und die
andere als künstlich oder aufgesetzt
empfinden, ist ja eigentlich weder eine Sache
der Phonetik noch der Intonationsforschung.
Das würde ich so nicht sagen - wenn wir den Satzteil „die andere als künstlich oder aufgesetzt empfinden“ mal weglassen, denn in den meisten, zumindest in vielen, Fällen soll dies ja nicht bemerkt werden, und in dem Bereich wird die Sache zum Objekt der Forensischen Phonetik, einfacher ausgedrückt: Kriminalistische Sprechererkennung.
Die messbaren Eigenschaften der menschlichen Stimme sind zwar nicht so einzigartig wie zum Beispiel die Anordnung der Blutgefäße im menschlichen Auge, aber auch unsere Vokaltrakte, der Bereich zwischen Kehlkopf und Lippen, sind einzigartig genug, um ihre Filterfunktion auf so wenige Frequenzbereiche runter zu brechen, um zwar keine eindeutigen Beweise, aber stichhaltige Indizien zur Erkennung eines Sprechers zu liefern.
Oder besser gesagt: Zur Wiedererkennung, da das Verfahren bedingt, dass man eine vergleichende Aufnahme hat, z.B. die Lösegeldforderung am Telefon einerseits kann mit der Aufnahme aus der Vernehmung des Verdächtigen verglichen werden. Oder ein Tonband von 2005 wird mit einer Videoaufnahme von 2001 verglichen, um Anhaltspunkte dafür zu erhalten, ob der Sprecher auf dem Tonband tatsächlich Osama bin Laden ist (da es Gerüchte gab, er sei längst tot).
Nehmen wir also z. B. Henry Kissinger, der
seine Stimme sehr künstlich in den Bass
gedrückt hat
Evolutionär bedingt klingen dunkle Stimmen vertrauenswürdiger. Man redet oft von der „Pastorenstimme“. Man sagt etwas solches auch so mancher Fußballkommentatorin nach, sie würde dunkler sprechen, um als Frau in dem Männergeschäft eher für voll genommen zu werden (als ob Frauen grundsätzlich weniger Ahnung von Fußball haben müssten).
Hier wiederum könnte man eine Überschneidung in den Bereich der Logopädie sehen, der Sprechausbildung. Man korrigiert damit Fehler wie Stottern oder Lispeln, perfektioniert den Redefluss von Nachrichten- und Synchronsprechern, aber man kann auch, siehe Kissinger, den Sprecher an ein populäres Ideal heranführen (was eigentlich als arglistige Täuschung gelten sollte).
Entsprechend natürlich, zur Betonung der
Weiblichkeit, die hohe Stimme bei Frauen
oder Frauen-Imitatoren. Und der
Tonverlauf, der als ‚typisch schwul‘
empfunden wird.
Ein Mensch kann grundsätzlich alle menschlich gemachten Laute imitieren. Für die Unterhaltungsbranche gelten natürlich ganz andere Maßstäbe, da auch eine „schlechte“ Imitation wiederum einen eigenen Unterhaltungswert haben kann.
Grundsätzlich haben Männer eine tiefere Stimme als Frauen und diese wiederum tiefere Stimmen als Kinder. Dies hängt zum einen mit der Länge und Masse der Stimmlippen zusammen, zum anderen mit der Länge und dem Volumen des Vokaltrakts. Je größer die Stimmlippen sind, desto tiefer ist die Grundfrequenz, ein größerer Hohlraum verstärkt tiefere Frequenzen als ein kleiner. Längere Klavierseiten klingen tiefer als kurze, eine Tuba kommt ganz anders rüber als eine kleine Jazztrompete.
Es tut mir leid, dass ich keine große Hilfe sein kann.
Beim Thema Forensik kann ich sie an Prof. Dr. Angelika Braun verweisen, die an der Uni Trier lehrt. Sie ist in dem Bereich das, was man eine Koryphäe nennt.
Ich selbst habe für September eine kleine Studienreihe initiiert, um mich mit dem Thema der verstellten Stimme eingehender zu befassen, weil ich zuwenig darüber weiß, wobei es mir allerdings um die Synchronsprecherei geht, mit der Frage, ob die verschiedenen Personendarstellungen nur durch oberflächliche Grundfrequenz- und Formantenänderungen zu Stande kommen, oder ob die SprecherInnen in der Lage sind, ihre Stimmen so anzupassen, dass man sie auch durch eingehende Analysen nicht mehr der selben Quelle zuordnen kann.
Mit besten Grüßen,
Dominik Schwarz