Bedeutung Arbeitszeugnis

Ich habe heute von meinem ehemaligen Chef ein Arbeitszeugnis bekommen. Ich habe nun Angst das dies ein schlechtes Zeugnis ist. Mein Chef war eigentlich immer zufrieden mit meiner Arbeit, so hat er es immer gesagt. Nur als ich dann schwanger wurde und in meiner Elternzeit nicht ohne Vergütung arbeiten gekommen bin, fing er an mich aufs übelste zu mobben. Ich denke das sich das im Zeugnis wiederspiegelt. Für eure Hilfe bin ich jetzt schon sehr dankbar. Gruß

Wo siehst du Negatives?

Es ist ein gutes Zeugnis, lediglich die Formulierung „Dem üblichen Arbeitsanfall war sie gewachsen“, deutet darauf hin, dass die Einsatzfreude noch Luft nach oben hatte.

Hast du irgendeine Ahnung von Arbeitszeugnissen?

Hallo @marapa,

Ich halte mich selber bestenfalls für einen engagierten Amateur auf diesem Gebiet, aber ich lese in Bezug auf die beurteilte Person (dich) nichts von „motiviert“, „engagiert“, „effizient“ oder „erfolgreich“.
Persönliche Erfolge fehlen.
In schwierigen Situationen „das wesentliche zu erkennen“ - kein Wort, dass die Situation auch gemeistert wurde.
Aufgaben „planvoll durchdacht“ ausgeführt, „in hohem Maße präzise“ agiert - sie hat sich große Mühe gegeben, immer nur das absolut nötigste zu tun.
„Dem üblichen Arbeitsanfall war sie gewachsen“ - Autsch.
Die Leistungen finden unsere volle Anerkennung - kein Wort von Zufriedenheit.
Und die Schlussformel halte ich für katastrophal. Kein Bedauern, kein Wunsch für die „private und berufliche Zukunft“.

Und da steckt bestimmt noch mehr drin. Ich hoffe, dass ein paar von den Fachleuten hier noch mitlesen und sich qualifiziert dazu äußern.

Mein Rat: Zeugnis nehmen und von einem Anwalt für Arbeitsrecht beraten lassen!
Nicht nur in einem Internetforum nachfragen, dafür ist das Thema zu wichtig.

Gruß,
KHK

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Im Berufsleben mehrfach beworben und mich mit dem Thema beschäftigt. Ist allerdings etliche Jahre her, inzwischen scheinen auch mäßige Arbeitskräfte (ich meine nicht marapa) per Lob zu Boden genutscht werden.

Es gibt eine weithin anerkannte Zeugnissprache, die sich einem Amateur, der sich mal irgendwo beworben hat, nicht unbedingt erschließt.

Ergänzend zu den Ausführungen von @KeinesHerrenKnecht:

  • „Ihr Auftreten (…) war korrekt.“ Die übliche Formel im Bereich von gut/sehr gut lautet: Ihr/sein Verhalten gegenüber Vorgesetzten, Kollegen und Kunden war stets einwandfrei.
  • „Sie fand ausnahmslos gute Lösungen.“ Kein Wort darüber, ob und wie diese umgesetzt wurden.

Für mich liest das so, daß da jemand zwar Probleme und Lösungen erkannte und fand, aber bei der Umsetzung aufgrund fehlender Phantasie und Kreativität scheiterte, weil sich immer akribisch an Pläne, Vorgaben und Abläufe gehalten wurde. Das im Zusammenhang mit der Beförderung zur stv. Marktleiterin ist tatsächlich eher nicht gut.

Wobei ich aber gar nicht ausschließen will, daß das Zeugnis in dieser Form gar nicht absichtlich so schlecht ausgestellt wurde, sondern dem Autor einfach nur die Kenntnisse fehlten, das Zeugnis korrekt abzufassen. So ein schlechtes Zeugnis darf eigentlich gar nicht passieren, weil sich der Autor damit selber ein Zeugnis über sein schlechtes Urteilsvermögen ausstellt. Schließlich wurde die Arbeitnehmerin nach eineinhalb Jahren auf die neue Position befördert und zwar im Zweifel von ihm selbst bzw. der Person, nach deren Vorgaben das Zeugnis erstellt wurde.

Gruß
C.

Es bleibt hier offen, was die „Rechtsvorgängerin“ gemacht hat und was schon im aktuellen Unternehmen war.

Abgesehen von der mehrfachen Betonung, dass die Mitarbeiterin zu langsam für ihren Job war („Dem üblichen Arbeitsanfall war sie gewachsen“ - „sehr sorgfältig und planvoll durchdacht“ - „ruhig, überlegt, zielorientiert und in hohem Maße präzise“ - „Zuverlässigkeit zeichnete den Arbeitsstil aus“) und dass der „Rechtsnachfolger“ erwartet hätte, dass sie mehr Schwung in die Bude bringt („Sie verstand es … zu guten Leistungen zu motivieren.“) an einigen Punkten merkwürdig widersprüchlich und ziemlich holperig. Das fällt schon auf den Verfasser des Zeugnisses zurück.

Ein Werk aus dem Zeugnisgenerator wäre da vorzuziehen - damit lassen sich zwar keine richtig guten Zeugnisse ausstellen, aber immerhin ordentliche, die dann ohne weiteres lesbar sind.

Schöne Grüße

MM

ich finde das klingt gar nicht negativ. Klar hätte er bestimmte Dinge anders Formulieren können aber allgemein sieht das für mich ok aus

Hallo,

zum einen ist es nicht OK, sondern schlecht und zweitens will man kein Zeugnis haben, das „OK“ ist, sondern ein gutes oder sehr gutes.

Willkommen bei wer-weiss-was (Experten- oder meinetwegen Wissensforum).

Gruß
C.

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Der Bundesgerichtshof hat schon vor längerer Zeit entschieden, dass „das Zeugnis nicht nur der Wahrheit entsprechend, sondern auch mit verständigem Wohlwollen abzufassen“ sei. "
(BGH, 26.11.1963 - VI ZR 221/62)

Deswegen lesen sich alle Formulierungen in Arbeitszeugnissen erstmal positiv.
Statt Lob oder Kritik gibt es nur mehrere abgestufte Arten des Lobes, von denen die schwächsten als Kritik zu verstehen sind.
Für jemanden, der mit der Materie nicht vertraut ist, bieten sich Fallstricke ohne Ende.

Wird dem Arbeitnehmer bescheinigt, er habe „zur vollen Zufriedenheit“ oder „stets zur Zufriedenheit“ des Arbeitgebers gearbeitet, wird das der Note „befriedigend“ zugerechnet, teils einer Zwischennote „voll befriedigend“ oder auch als „gutes befriedigend“ oder „gehobenes befriedigend“ verstanden. In gleicher Weise werden den Graden der Zufriedenheitsskala – ausgehend von einer durchschnittlichen Leistung – Aussagen wie über- oder unterdurchschnittlich zugerechnet. Danach setzt die Endnote „gut“ voraus, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer mehr als die „volle Zufriedenheit“ bescheinigt. Das kann durch Berücksichtigung des für die Beurteilung besonders wichtigen Zeitmoments geschehen, mit dem der Arbeitgeber die Beständigkeit der Leistungen charakterisiert. „Gut“ im Sinne der Zufriedenheitsskala ist ein Arbeitnehmer nur dann, wenn ihm bescheinigt wird, er habe „stets“, „immer“ oder „durchgehend“ zur vollen Zufriedenheit des Arbeitgebers gearbeitet.

Urteil des BAG vom 18.11.2014, 9 AZR 584/13 mit Verweis auf das Urteil des BAG vom 14. Oktober 2003, 9 AZR 12/03. [4]

Gruß,
KHK

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Liebes Julchen,
vermutlich bist du keine Expertin für Arbeitszeugnisse. Ich auch nicht, wir wissen beide nicht, wie neue Arbeitgeber diese lesen. Darum sollten wir beide uns hier mit Ratschlägen eher zurückhalten, glaube ich…
Bestimmt gibt es andere Bretter, in denen du dich gut auskennst und dein Wissen einbringen kannst.
Karl

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Ist es das wirklich?
In einer Zeit, bei der Zeugnisse aus vornehm geheuchelteter Lobhudelei bestehen und teils vom AN selber geschrieben werden, halte ich diese Zeugnisse für nur sehr bedingt relevant.

Das vorliegende Zeugnis wäre bei korrekter Benutzung der deutschen Sprache im Schnitt eine Bewertung mit der Note „Gut“. Da Zeugnisse aber wohlwollend zu schreiben sind, kannst du getrost aus jedem „Gut“ ein „Befriedigend“ machen und jedesmal, wenn irgendetwas nicht ausdrücklich positiv erwähnt wurde, ist das als „wäre eigentlich ungenügend, also lasse ich besser weg“ zu bewerten - oder der Verfasser hat wirklich etwas vergessen. Man weiß es nicht.

Daher lese ich mir viel lieber die Fakten durch, den Werdegang, die Erfolge.
Innerhalb von vier Jahren von der Verkäuferin zur stellvertretenden Marktleiterin - in einem großen Markt mit zig Beschäftigten wäre das super. In einem kleinen Netto-Markt auf dem Land mit drei Vollzeitkräften und einer Heerschaar von Aushilfen eher nicht.
Eine Ausbildereignungsprüfung ist gut - aber die Ausbildung gehörte dann ja gar nicht zu ihren Aufgaben? Warum?

Der Schlusssatz ist ja nochmal durch Weglassen einer Floskel ein Tritt in den Allerwertesten.
Da würde man „weiterhin viel Erfolg“ wünschen - hier hätte man auch noch krasser „Glück“ wünschen können.

Also ja, dieses Zeugnis hat eine gewisse Aussage - und diese ist definitiv nicht gut.
Aber trotzdem ist es wertlos: Ist das ein gewollter Hieb vom alten Arbeitgeber oder hat er sich nur unglücklich ausgedrückt? Und wenn die negativen Elemente gewollt waren - sind es tatsächliche Kritikpunkte oder ist es nur „Nachtreten“ eines Chefs, mit dem man im Clinch war?