Hallo Hallo Petra,
vorweg eine Warnung: das könnte jetzt etwas länglich werden. Da ich deinem Artikel entnehme, dass du dich nur in deiner Freizeit mit Mathe beschäftigst, versuche ich alles so genau wie möglich zu erklären. Übrigens: Respekt, Mathe als Hobby ist viel zu selten nach meinem Geschmack und sonst eigentlich fast nur unter denen verbreitet, deren Beruf auch damit zu tun hat.
Zuerst mal die Frage, ob du vielleicht eine Information vergessen hast, nämlich die, welche Sicherheit der Test hat, wenn jemand die Krankheit nicht hat. Die Sicherheit weicht nämlich in der Realität oft von den 79% bei Vorhandensein der Krankheit ab (man nennt das Sensitivität und Spezifität, siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Aidstest#Genauigkeit_de…)
Die Sensitivität ist dabei in der Regel höher, da ein falsch-positives Ergebnis besser, oder sagen wir lieber weniger katastrophal, ist als ein falsch-negatives, vor allem wegen Ansteckung anderer.
Wenn ich für die Spezifität in deinem Beispiel ebenfalls 79% nehme, komme ich nämlich auf knapp 4%, nicht auf 7. (Liebe WWWler, korrigiert mich wenn ich falsch liege)
Dann zu bedingten Wahrscheinlichkeiten:
P(A|B)
bezeichnet die Wahrscheinlichkeit, dass das Ereignis
A
eintritt unter der Bedingung, dass das Ereignis
B
bereits eingetreten ist. Das heißt, die Entscheidung, dass
B
eintritt, ist schon gefallen,
B
ist schon „passiert“, daran ist nichts zu ändern. Nun interessiert uns, wie wahrscheinlich
A
ist, wenn wir von
B
schon wissen, dass es eingetreten ist.
Wenn du zum Beispiel mit zwei Würfeln nacheinander würfelst, kannst du, sobald der erste Würfel gefallen ist, bessere Aussagen über die Wahrscheinlichkeit, dass die Summe beider Würfel einen bestimmten Wert annehmen wird, machen, als vorher.
Hast du zum Beispiel eine sechs geworfen, so beträgt die Wahrscheinlichkeit
P(Summe=2|Erster Wurf=6)=0,
denn offensichtlich kannst du in der Summer nicht mehr auf nur 2 kommen, wenn 6 schon da liegen.
Mathematisch gesehen gibt es für bedingte W’keiten die Formel:
P(A|B)=\frac{P(A\cap B)}{P(B)}
Dabei bezeichnet
P(A\cap B)
die Wahrscheinlichkeit dafür, dass
A
und
B
beide eintreten und
P(B)
die Wahrscheinlichkeit, dass
B
eintritt.
P(B)
wird, bildlich gesprochen „rausdividiert“, weil
B
ja schon passiert ist und jetzt nur noch
A
„passieren muss“.
Damit erhalten wir in unserem Beispiel
P(Summe=2|Erster Wurf=6)=\frac{P(Summe=2\cap Erster Wurf=6)}{P(Erster Wurf=6)}=\frac{0}{\frac16}=0
Der Zähler wird 0, weil nie gleichzeitig die Summe 2 und der erste Wurf 6 sein kann. Das bestätigt also unser intuitives Ergebnis.
Betrachten wir nun
P(Summe=12|Erster Wurf=6)\=\frac{P(Summe=12\cap Erster Wurf=6)}{P(Erster Wurf=6)}
=\frac{P(Erster Wurf=6\cap Zweiter Wurf=6)}{P(Erster Wurf=6)}
=\frac{P(Erster Wurf=6)\cdot P(Zweiter Wurf=6)}{P(Erster Wurf=6)}=P(Zweiter Wurf=6)=\frac{1}{6}
Die W’keit für Erster Wurf=6 UND Summe=12 entspricht natürlich der W’keit Erster Wurf=6 UND Zweiter Wurf=6, weil nur mit einer 6 in beiden Würfen die Bedingungen „6 im ersten Wurf“ UND „Erster Wurf+Zweiter Wurf=12“ erfüllt werden können.
Diese W’keit kann man durch multiplizieren der Einzelereignisse berechnen, da Erster Wurf=6 und Zweiter Wurf=6 sogenannte unabhängige Ergeinisse sind, das heißt das eine „wirkt sich nicht auf das andere aus“, das Auftreten des einen verändert die W’keit für das andere nicht („Würfel zwei interessiert es nicht, was bei Würfel eins gefallen ist“).
Für unabhängige Ereignisse
A
und
B
gilt
P(A\cap B)=P(A)\cdot P(B)
(Genaueres hier: http://de.wikipedia.org/wiki/Stochastische_Unabh%C3%…)
Insgesamt kommen wir also zu dem Ergebnis, dass die W’keit dafür, als Summe 12 zu erhalten, wenn wir schon wissen, dass wir eine 6 gewürfelt haben, der W’keit entspricht, im zweiten Wurf auch eine 6 zu würfeln. Auch das folgt, wie ich finde, er Intuition.
Für weitere Beispiele siehe hier: http://de.wikipedia.org/wiki/Wahrscheinlichkeitstheo… , meiner Meinung nach wesentlich besser, genauer gesagt ausführlicher, als der Artikel über Bedingte W’keit.
Nun zu deinem Beispiel: Was du suchst, IST eine bedingte Wahrscheinlichkeit, nämlich die W’keit, die Krankheit zu haben unter der Bedingung, positiv getestet worden zu sein.
Also:
P(krank|positiver Test)
Nach unserer Formel wissen wir:
P(krank|positiver Test)=\frac{P(krank\cap positiver Test)}{P(positiver Test)}
Schauen wir uns das mal Stück für Stück an:
P(krank\cap positiver Test)
bedeutet, die Person ist krank UND wird positiv getestet.
P(krank)
kennen wir, die beträgt 1%, also 0,01,
P(positiver Test|krank), also die W’keit, positiv getestet zu werden unter der Bedingung, krank zu sein, ebenfalls, das sind die 79% Testgenauigkeit, also 0,79.
Wenden wir nun unsere Formel für bedingte W’keit „rückwärts“ an, finden wir:
P(krank|positiver Test)=\frac{P(krank\cap positiver Test)}{P(krank)}
Setzen wir unsere bekannten Wert ein, folgt:
0,79=\frac{P(krank\cap positiver Test}{0,01}
Umgestellt finden wir
P(krank\cap positiver Test)=0,79\cdot 0,01=0,0079
,
also eine sehr kleine W’keit.
Nun haben wir schon den Zähler gefunden, fehlt noch der Nenner, der etwas komplizierter wird. Wir brauchen hier schon wieder eine Formel, die ich dir hier allerdings ersparen möchte (bei Interesse: http://de.wikipedia.org/wiki/Totale_Wahrscheinlichke…)
Ich beschränke mich lieber darauf, das hier an dem konkreten Beispiel zu erklären:
Die Wahrscheinlichkeit, dass irgendjemand (von dem wir ja nicht wissen, ob er krank ist, oder nicht), setzt sich aus zweit Summanden zusammen. Es kommt nämlich zu einem positiven Test:
a) wenn die Person krank ist und der Test richtig testet und
b) wenn die Person gesund ist und der Test falsch testet.
Die W’keit im Fall a) haben wir gerade berechnet, das war
P(krank\cap positiver Test)=0,0079
Im Fall b) verfahren wir ähnlich, wir wissen:
P(positiver Test|gesund)=1-0,79=0,21
(der Test testet Gesunde zu 79% richtig, also negativ und damit zu 21% falsch, also positiv.)
sowie
P(gesund)=1-0,01=0,99
Wie oben finden wir also:
P(gesund\cap positiver Test)=0,21\cdot 0,99=0,2079
Nehmen wir die Fälle a) und b) zusammen, das heißt, addieren wir die W’keiten, folgt:
P(positiver Test)=P(krank\cap positiver Test)+P(gesund\cap positiver Test)
und damit:
P(positiver Test)=0,0079+0,2079=0,2158
Setzen wir alles in unsere Formel von oben ein, so finden wir unser Ergebnis:
P(krank|positiver Test)=\frac{P(krank\cap positiver Test)}{P(positiver Test)}=\frac{0,0079}{0,2158}=0,036608
Also beträgt die W’keit, wirklich krank zu sein, wenn ein positives Testergebnis bereits bekannt ist, genau 3,6608%: Mit anderen Worten, den Test kann man wegschmeißen. Wie du aber im Wiki-Artikel über den HIV-Test lesen kannst, betragen hier die W’keiten nicht etwa 79, sondern 99,9 bzw. 99,8%. Wenn du Lust hast, kannst du ja mal hier die W’keit
P(krank|positiver Test) ausrechnen, wenn wir wissen, das ca. 65.000 Deutsche mit HIV infiziert sind 
Also, insgesamt muss ich sagen, du hast dir ein recht anspruchsvolles Thema ausgesucht, mach dir also keine Sorgen, wenn du nicht alle Rechnungen sofort verstehst. Solltest du noch Fragen haben, zögere nicht, ich (und andere WWWler) helfen dir gerne noch weiter!
Liebe Grüße und schönen Sonntag,
Nadine