faszinierende Begegnungen
Hi Blue Smiley,
Ihr begegnet einem Menschen, vielleicht nur sehr kurz, vielleicht
für einen kurzen Zeitraum, regelmäßig oder nur ein einziges
Mal. Und dieser Mensch lässt euch gedanklich nicht mehr los.
Was ist eine [sc.solche] Begegnung?
Was passiert in so einem Moment?
Was ist das für eine Art Faszination?
Eine Antwort auf diese deine Fragen wäre sicher in der Sprache der Poesie leichter in Worte zu fassen, als in der Sprache der Philosophie oder Psychologie.
Ja, es gibt diese Begegnungen. Sie passieren einem im Lebenslauf selten mehr als ein einziges Mal und immer schlägt der Blitz bereits im ersten „Augenblick“ ein. Auch, wenn einem das nicht unmittelbar schon so bewußt ist: Die Gewißheit von dem, was IST, verliert sich nicht mehr - und bei manchen solcher Begegnungen auch NIE mehr.
Wie du sagst: Liebe ist es nicht, nicht immer, nicht unbedingt. Verliebtheiten schlagen auch wie der Blitz ein, aber sie erreichen an Tiefe kaum das, was du hier andeutest. Verliebtheiten, Lieben, haben ihre Quelle meist in besonderen Eigenschaften, in Resonanzen, in Stimmen, in Bewegungen und ähnlichem. Und meist ist damit der Wunsch nach gemeinsamer Lebensform verbunden.
Aber hier spielt sich etwas anderes ab - zumal es ja gar nicht unbedingt auf Gegenseitigkeit beruhen muß (wenn das noch dazukommt, dann haben die „Betroffenen“ wohl einen Hurrican der Stärke 5 zu bewältigen
was nicht gerade leichtes Spiel sein wird). Und, wie du ebenfalls bemerkst: Hier kommt es im Unterschied zur Verliebtheit gar nicht vordergründig auf die zeitliche Dimension an - die Intensität ist unabhängig von physikalischen Bedingungen, sogar unabhängig von körperlichen Bedingungen, und sogar unabhängig von den Medien des Austausches: Der Austausch ist immer „alltäglich“ (im wörtlichen Sinne) gegenwärtig - und aufhören tut es nur, wenn einer ganz bewußt das „Licht“ ausschalten würde.
Es gibt halt Dinge zwischen Menschen, die tiefer eingreifen, tiefer unter die Haut gehen, als Verliebtheit. Ebenso, wie es Zwischenmenschliches gibt, das eine viel stärkere Anziehungskraft ausübt, als etwa sexuelle Begierde.
„Seelenverwandtschaft“ ist eines der wenigen Wörter, die die Sprache so unmittelbar dafür zur Verfügung stellt. Du fühlst genauso wie der Andere, du denkst, urteilst genauso, reagierst auf Herausforderungen genauso wie er, die „Em-pathie“, das Hinein-Fühlen ist nahezu grenzenlos, das „Selbst“ sieht sich wie in einem Spiegel verdoppelt.
Es ist aber ebendeshalb keineswegs etwas, das allein im Anderen, in dem, was dir begegnet, zu Grunde liegt: Es ist vielmehr eine Dimension auch in dir selbst, eine Saite in dir wird zum Klingen gebracht, die dir selbst bis dahin verborgen war. Deshalb geschieht es ja unerwartet, unverhofft. Es ist keineswegs eine Erfüllung einer schon im Fundus deiner bewußten Wünsche und Sehnsüchte enthaltenen Form der Wechselwirkung.
Darin mag das Faszinierende solcher Ereignisse liegen: Du entdeckst gar nicht wirklich (nur) einen Anderen, sondern du entdeckst etwas Fundamentales, Ungeahntes in dir selbst. Deshalb ist die Faszination auch relativ unabhängig von den von dir aufgezählten Varianten der Häufigkeit dieser realen Begegnung. Es ist etwas Ungeahntes aus dir selbst, das „bloß“ subjektiv war, nun objektiv, real geworden. Deine Selbstgewißheit, das Selbst-Ideal, oder besser: die Idee deiner selbst, ist um die Dimension der Realität reicher geworden.
Deshalb läßt einen diese neue Realität auch nicht mehr los.
Nein, „Liebe“ ist es nicht, aber „keine Liebe“ ist es auch nicht.
Liebe sucht Nähe und verträgt keine physische Distanz, und Abwendung des Anderen wäre „lediglich“ Schmerz. Dies hier aber unterscheidet kaum zwischen Distanz und Nähe: Distanz ist hier kein Widerspruch zur Nähe, Letztere wird durch Erstere nicht negiert, nicht in Frage gestellt, und Abwendung des Anderen wäre etwas, für das das Wörtchen „Schmerz“ zu banal ist.
Du siehst, alles bloß words, words, words. Es gibt nun mal Dinge im Menschen - wo nur Sprachlosigkeit bleibt. Fühl dich glücklich, wenn dir so etwas begegnet ist.
Gruß
Metapher