Magnituden, Energie und Slip
Hallo Christoph,
Das macht mich jetzt aber doch etwas stutzig. So
wie ich immer gehört und gelesen habe, sagt die Magnitude
etwas über die Energie aus, die bei einem Erdbeben freigesetzt
wird, aber doch nichts über die Länge des von dem Beben
betroffenen Gebietes. Oder irre ich?
Man kann beides aus der Magnitude berechnen. Irgendwo muss der Anstieg der Energie ja her kommen - so auch aus der Groesse des betroffenen Gebietes.
In der Tat ist die meist im Fernsehen angegeben Richtermagnitude kein besonders gutes Mass, da diese besonders grosse Beben unterschaetzt. Der Grund dafuer ist, dass dafuer die Amplitude (die Staerke der Bewegung) bei einer bestimmten Frequenz gemessen wird (Richter: 0,1-1sec).
log M0
| |
|-----------\
| |\ 1/(frequenz^2)
| | \
------------|---\> frequenz
|
Grenzfreq.
Je nach Staerke des Erdbebens beginnt aber die Grenzfrequenz bei kuerzeren Frequenzen, d.h. laengeren Periodendauern. Wenn die Grenzfrequenz jetzt links von der Frequenz liegt, bei der die Magnitude gemessen wird, so bekommen wir eine zu kleine Abschaetzung fuer die Staerke; als Magnitude liest man bei diesem Diagramm den Wert auf der log M0 - Achse ab, wo die Messfrequenz das Frequenzspektrum schneidet.
Um dann eine unabhaengigere Abschaetzung fuer die Groesse zu bekommen, nimmt man das „Seismische Moment“. Das entspricht der waagerechten Linie im Diagramm, bei grossen Beben muss man da eben die ganz langen Perioden / tiefe Frequenzen anschauen.
Und aus diesem seismischen Moment kann man sich den Slip, d.h. den Versatz und die groesse der Flaeche des Erdbebens berechnen gemaess
M0 = mu * s * A
wobei mu die Festigkeit des Gesteins ist (Durschnitt 30-50 GPa), s der Versatz (kann man bei oberflaechennahen Beben nachgucken) und A die Flaeche des Bebens, d.h. Laenge * Tiefe ist.
Wenn man jetzt eine vertikale Ausdehnung des Erdbebens von sagen wir d = 10 km annimmt und aus Erfahrung weiss, dass die Laenge ungefaehr das 10000-fache des Versatzes ist, so kann man mit A = L * d die Laenge des Erdbebens ausrechenen:
L = sqrt(M0/mu)
Das seismische Moment M0 Verhaelt sich zur Magnitude Mw wie
Mw = 0.69 * log10 M0 - 6.4
Wenn man fuer Mw jetzt eine andere Magnitude (z.B. Richter) nimmt, so aendern sich die Zahlen geringfuegig - aber wie gesagt, Vorsicht bei grossen Beben.
Die steigt auf ungefaehr das 30-fache, wenn die Magnitude um 1 steigt. Die laest sich ausrechenen gemaess
log E = 1.44M + 5.24
wobei M hier die Magnitude ist und E die Energie.
All das hier auf das letzte grosse Beben in Peru angewandt (M = 8.1) kommt man auf eine Ausdehnung von ca. 200km bei 10km vert. Ausdehnung und geschaetzten 10m Versatz. Die freigesetzte Energie ist dann ca. 10^(17) Joule.
Alle diese Formeln zur Umrechnung vom einen ins andere sind keine beweisbaren Formeln sondern empirische Formeln, die durch jahrelange Erfahrung der Seismologen gewonnen wurden. Dadurch, dass man in der Seismologie nicht nur eine Magnitude kennt sondern verschiedene wird der ganze Spass auch nicht einfacher. Und es ist hierbei immer gut, zu fragen, wie exakt das ist - aber es gibt ziemlich gut ueber die tatsaechlichen Verhaeltnisse Auskunft.
Aber es gibt einen guten Grund, immer noch die Richtermagnitude zu verwenden: Sie laesst sich einfach durch „Angucken“ des Seismogramms von einer Station gewinnen.
Ich hoffe, es sind alle Klarheiten beseitigt
.
Gruss
Ingo
*der genau darueber vor 5 Tagen eine Klausur schrieb*