Behandlung von Stahl für Sauergaseinsatz

In welcher Weise muß/kann Stahl behandelt werden um gegen die duerch H2S induzierte Interkristalline Korrosion unanfällig zu sein?

Hallo Fragender
Zunächst müssen wir einige Begriffsbestimmungen vornehmen.
H2S (Sauergas) induziert keine Risse, sondern der sich unter bestimmten Bedingungen für Temperatur, Feuchte und Druck bildende atomare Wasserstoff H.
Es handelt sich nicht um interkristalline Korrosion (IK) sondern um wasserstoffinduzierte Risse (HIC= hydrogen induced cracks).

Der Ablauf:
Der freiwerdende atomare Wasserstoff diffundiert in den Werkstoff und lagert sich zunächst an Gefüge Anomalien ab.
Das können Walzfehler, Einschlüsse, mechanische Deformationen oder auch z.B. Mangandisulfid Zeilen sein. Ein bevorzugtes Ziel sind Schwefel Einlagerungen jeder Art.
Daraus erkennen wir schon, dass schwefelarmer Stahl (2-Molekülen verbinden.
Die Molekül Bindung ist außerhalb der Edelgase die stabilste für Gase.
Die räumliche Größe der entstandene Moleküle überschreitet aber den von der Anomalie zur Verfügung gestellten Platz, es gibt einen Bruch.
Weil diese Brüche vorzugsweise in Walzrichtung angeordnet sind, ergibt sich in der Spätphase eine Struktur, die der von Blätterteig ähnlich sieht.

Wenn wir die Abläufe dieser Vorgänge kennen, wissen wir jetzt auch, dass eine Behandlung, die als nachträglich anzusehen ist, ziemlich nutzlos sein wird.
Es bleibt bei der Vorbeugung durch die Auswahl besonders reiner und gleichmäßig strukturierter Werkstoffe.

Eine kleine Ausnahme bilden die H2 Einlagerungen beim Schweißen, die durch entsprechende Glühungen beseitigt werden können.

Wenn noch Unklarheiten bestehen, fragen.

Gruß
Rochus

Hallo Rochus,
danke für Deine ausführliche Erklärung ->Stern.
Unsere Firma bezieht Bauteile aus USA für Hochdruckanwendungen in der Erdöl- und Erdgasindustrie (aus dem Vollen gefertigte, relativ kleine Teile wie z.B. Kugelhähne).
Als Material wird „annealed 316SS“ angegeben. Wobei ich „annealed“ mit getempert übersetzen würde. Hast Du eine Erklärung für diese Materialwahl?
Grüße
Christian

Hallo Christian

Bei Deinen Kugelhähnen handelt es sich um Stahlguss Teile, die eigentlich lösungs geglüht werden.
Das hat mit dem Sauergasproblem an sich nichts zu tun, die Bedingungen Temperatur, Feuchte und Druck stimmen i.d.R. nicht, sondeern mit einer gewissen gleichmässigen Innenoberfläche, die den „normalen“ Korrosionsangriffen besser trotzen soll.
Ich habe vor etlichen Jahren diese Armaturen im Sauergas Bereich der ehemaligen BEB öfter geprüft.

Gruß

Rochus

Hallo Rochus,
es handelt sich z.B. auch um solche Teile hier:
http://www.autoclave.com/products/sour_service_produ…
Die Innenoberfläche ist ganz normal gebohrt und nicht speziell
poliert oder so.
Es gibt diese Teile in „cold worked“ also kaltverfestigt für normale Anwendungen (z.B. Wasserstrahlschneiden) und eben in „annealed“ für SGS-Anwendungen (sour gas service). Diese Teile weisen im Vergleich aber einen geringere Druckbelastbarkeit auf. Ich vermute, dass durch das Glühen die Kaltverfestigung des Materials stark abnimmt. Aber was ich mich frage: Wieso hat dann das Material eine höhere Beständigkeit gegen Wasserstoff. Es müsste ja eine Erklärung auf „mikroskopischer Ebene“ geben, oder?
Grüße
Christian

Hallo Christian

Die gibt es, es erfolgt eine „Normalisierung“ des Gefüges, besonders im Oberflächenbereich von ca. 5 mm, mit ziemlich gleichmäßiger Verteilung der Carbon Einlagerungen und nahezu völliger Elimination der Phosphor und Schwefel Anteile.
Und damit ist die Empfindlichkeit gegen H Atome deutlich verringert.

Gruß
Rochus