Belegt die Tankrabatt-Diskussion die postfaktischen Zeiten?

Hallo,

eine Sache, die mich in letzter Zeit doch einigermaßen umtreibt ist die Diskussion um den Tankrabatt, den die Konzerne angeblich nicht weitergeben würden.

Objektiv betrachtet, gibt es kaum eine Möglichkeit diesen Vorwurf zu belegen. Trotzdem wird er im Brustton der Überzeugung quer durch alle Instanzen gedudelt. Inzwischen frage ich mich sehr ernsthaft:

Sie das alles Idioten oder einfach nur Lügner?

Ganz objektiv gibt es kaum eine Möglichkeit festzustellen, welchen Preis das Benzin ohne den Rabatt hätte. Was man als Vergleich heranziehen könnte, ist die Preisentwicklung in Nachbarländern wo es keinen Tankrabatt gab. Aber auch da sind die Preise ab dem 01.06. deutlich angestiegen. Man vergleiche einfach mal Tankstellen in Österreich oder Belgien.

Das heißt, man kann eigentlich recht gut zeigen, dass alles dafür spricht, dass die Ölkonzerne den Rabatt sehr wohl weitergegeben hat. Aber die Lüge bleibt in den Medien präsent. Interessiert sich einfach niemand mehr für Fakten? Haben wir den Punkt erreicht wo sich der alte Spruch von Goebbels manifestiert, dass man eine Lüge nur oft genug wiederholen muss, dann wird sie schon geglaubt?

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Hallo auch. :slight_smile:
Da ich im November 2020 das letzte Mal Flüssigkraftstoff getankt habe, kann ich dem Treiben zum Glück nur Kopfschüttelnd zusehen. Auch wenn es mich nicht so richtig trifft, die „Aktienpreise“ an den Tankstellen waren für mich schon immer reine Kundenverarsche. Die Kritik haben sich die Firmen also selbst zuzuschreiben. Das Problem wird mit der Begründung der gefüllten Tanks (hat man die Tage ja schon öfter gelesen) noch absurder, denn die Tanks werden ja nicht 20mal am Tag nachgefüllt. Auch der Ölpreis selbst hat nur indirekt und mit Verzögerung Einfluss. Das sind „Materialkosten“, der Endpreis hat aber viel mehr Preiskomponenten.

Der Tankrabatt hat genau das bewirkt was die Kritiker angemerkt haben: Die Nachfrage steigt, das Angebot aber nicht. Die Folge sind steigende Preise. Beim Sprit hat „der Markt“ ja grundsätzlich (wenn man die irren Intraday-Preisänderungen mal ausblendet) immer gut funktioniert. Wenn die Tanks sich nicht leeren weil keiner mehr tankt, sinkt der Preis. Zuletzt sehr deutlich spürbar im April 2020 (1. Corona-Lockdown). Da ist die Nachfrage weggebrochen, die Preise sind gepurzelt.

Es bleibt natürlich das Problem dass man alle (arbeitenden) Menschen vom Sprit abhängig gemacht hat. Wenn man also mal so eine Sondersituation ausblenden, können ungeniert die Preise geändert werden ohne dass sich jemand dagegen wehren kann. Weniger fahren hilft halt denen, die ihr Auto sowieso nur noch zum Pendeln nutzen, nicht. Alternativen (ÖPNV) wurden über Jahrzehnte kaputtgespart. Da ist man einfach sehenden Auges in die Abhängigkeit gerannt.

Dazu kommt: Die Leute, die genug Geld für Spaßfahrten haben, nehmen den anderen, die keine Alternative haben, ein begrenztes Produkt weg bzw. verteuern es unnötigerweise.

Wer elektrisch fährt ist nur indirekt betroffen, aber der Strompreis hängt gerade in Deutschland signifikant am Gaspreis, man kommt dem Irrsinn einfach nicht aus. :expressionless:

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Hallo,

Da widersprichst du dir schon selbst.

Außerdem gibt es natürlich eine ausreichende Datenbasis um zu ergründen, wie sich der Preis bewegen sollte.

Gruß,
Steve

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Das ist alles viel komplizierter, als die Bild das denkt.
So ein Konzern wie BP fördert Rohöl, veredelt es zu Kraftstoffen und verkauft es an den Tankstellen.
Branchenintern heißt das Upstream, Midstream und Downstream.

Theoretisch könnte so ein Konzern sein selber gefördertes Öl raffinieren und verkaufen, er bräuchte sich nicht an Weltmarktpreisen orientieren.

Mir wurde aber mal gesagt, dass das alles Teil-Konzerne seien und es aus bilanz- oder steuerrechtlichen Gründen gar nicht zulässig wäre, dass „BP Rohölforderung Ltd“ des Öl zum Selbstkostenpreis (plus Marge) an „BP Raffinerie AG“ verkauft und ebenso dürfe diese den Kraftstoff nicht an die „BP Tankstellen GmbH“ einfach zum guten Preis abgeben.
Also kauft die Raffinierie das Öl zum (stark steigenden) Weltmarktpreis (was zu erheblichen Gewinnen bei den Fördergesellschaften führen dürfte - die sitzen aber nunmal nicht in Deutschland) und der Tankstellenvertrieb kauft bei der Raffinerie ebenso zum Weltmarktpreis.

Ob das stimmt, weiß ich nicht.

Aber im Vergleich sieht man Folgendes:

Meine Tankstelle

Tankstelle bei Reutte, Tirol:

Und in Marseille:

Und eine in der Nähe Lissabons:

Das sieht für mich so aus, als ob bei uns der Dieselpreis in etwa so hoch wie vor vier Wochen ist, während er in den anderen Ländern um einiges gestiegen ist.

Die Tankstellen habe ich nach dem Prinzip „tippe pro Land irgendeine Stadt ein, deren Namen dir gerade einfällt und suche nach der jetzt gerade günstigsten Tankstelle“.

Alle Grafiken habe ich von www.benzinpreis-blitz.de herauskopiert.
Ich hoffe, dass denen diese kostenlose Werbung als Genugtuung für den meinen Copyright-Verstoß ausreicht.

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Nein. Ich sage, es gibt kaum eine Möglichkeit, dass festzustellen, aber ich zeige eine Möglichkeit auf, wie man sich dem Problem nähern kann. Ich schränke das aber bewusst ein, indem ich nicht sage, dass es so ist, sondern sage, dass alle verfügbaren Informationen dafür sprechen.

Dann mal her damit, woher du die nimmst. Welche Datenbasis soll das sein, die angibt, wie sich der Preis bewegen „sollte“ und wie definierst du eigentlich dieses „sollte“?

Eine der Folgen dieser Konstellation ist auch, dass eine Deckelung der Spritpreise nicht funktionieren würde. Man kann sehr wohl die Preise deckeln, aber man kann keinen Konzern zwingen seine Ware in Deutschland zu verkaufen.

Das Benzin der deutschen Raffinerien würde dann schlicht woanders verkauft werden.

Und das sorgt eben nicht gerade dafür, dass bei den Kunden der Eindruck entsteht, man würde hier Ware zu einem angemessenen Preis kaufen.

Wenn ich sehe, dass es für dieselbe Brühe in den Tanks dreißig Preisänderungen am Tag gibt, die dabei eine Spanne von 10% haben (wo die Marge doch angeblich weniger als 1 Cent pro Liter sei), dann haben die Konzerne halt jegliche Glaubwürdigkeit verloren.

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Das wurde schon bei der temporären MwSt.-Senkung untersucht:

Für den Tankrabatt wird es von Prof. Schnitzer et al sicherlich eine ähnliche Analyse geben.

Gruß,
Steve

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Wie alt ist denn wohl das Benzin, der Diesel, das/der heute verkauft wird? Was macht man eigentlich mit dem ganzen Zeug, das aus einem Liter Rohöl gewonnen wird, das nicht zu Diesel oder Benzin wird? Wenn die Mineralöl-Unternehmen ungerechtfertigt so viel verdienen und gleichzeitig der Kunde so preissensibel ist, warum prescht nicht ein Anbieter vor und erzielt seinen Übergewinn nicht über den Preis, sondern über die Menge?

Aus irgendeinem Grunde ist es vielen Menschen ein Bedürfnis, bei Themen eloquent mitzuquasseln, bei denen sie objektiv und offensichtlich über nicht mehr verfügen, als „Lebenserfahrung“ und „Bauchgefühl“. Insofern lautet die Antwort auf die Ausgangsfrage:

Manche so und manche so. Die einen lügen voraus, die anderen idiotieren hinterher.

Das ist aber nicht neu. Ich kann mich an die 70er Jahre des letzten Jahrhunderts erinnern, als an den Wirtshausstammtischen die Welt auch schon ähnlich erklärt wurde. Und ich gehe davon aus, dass das noch früher auch schon so war.

Der Unterschied ist, dass damals die Reichweite dieser Weisheiten für gewöhnlich nicht höher war als der Abstand zwischen zwei Wirtshäusern.
Heutzutage verbreitet sich der Unsinn dank sozialer Medien in Windeseile, und in den Wirtshäusern der Welt wird im Brustton der Überzeugung verkündet „ich weiß es aus dem Internet“.

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