Bereitschaftspflege

Hallo zusammen,

hat vielleicht jemand Erfahrung mit der Aufnahme eines Pflegekindes in Bereitschaftspflege?
Wir haben noch ein Kinderzimmer frei.
Nee, viel wichtiger ist, wir überlegen schon länger, ob wir uns beim Jugendamt darüber eingehend informieren sollen.
Wir würden gerne eine Bereitschaftsfamilie für bedürftige Kinder sein.

Weiß jemand, ob dafür zwingend eine pädagogische Ausbildung von nöten ist? Diese liegt nämlich nicht vor. Wohl haben wir aber Erfahrung in der Erziehung des eigenen Kindes (3 Jahre) gemacht.

Sorry wenn ich mich jetzt so kurz gefasst habe, aber diese Frage brannte mir, quasi schon zwischen Tür und Angel, unter den Nägeln.

Danke und LG

Hallo Parxdono !
Die Regelungen und Ansprüche sind in den jeweiligen Zuständigkeitsbereichen unterschiedlich. Es kommt darauf an, wo ihr wohnt. Ihr solltet euch bei ernsthaftem Interesse mit dem zuständigem Jugendamt beraten.

Ich nehme an ihr habt euch mit dem Them gut befasst ?! Ein eigenes Kind haben ist nämlich bei Weitem nicht dasselbe, wie Kinder für eine sehr begrenzte zeit aufzunehmen, die - häufig plötzlich und praktisch gewaltsam- aus ihrer gewohnten Umgebung gerissen werden, auch wenn das zu ihrem Schutz geschieht. Meist gelangen Kinder in die Bereitschaftspflege, die Misshandlungen und/oder Vernachlässigungen erfahren haben und quasi als Notmassnahme „weg“ müssen. Diese Kinder sind verstört. Gleichzeitig dürft ihr natürlich keine wirkliche >Bindung zu ihneen ausbauen (nicht zu viel kuscheln, küssen usw.), weil die Kinder ja nicht bei euch bleiben !
Eine sehr sehr schwere, wenn auch wichtige und sehr wertvolle Aufgabe.
Habt ihr auch darüber nachgedacht wie euer Kind mit solchen Situationen klar käme ?

Das Jugendamt wird euch sicher ausgiebig beraten.
Ich wünsche euch viel Glück und gute Bertreuung !

Herzlich
jg

Hallo parxdono,

was pädagogische Ausbildungen betrifft, handhaben Jugendämter das recht unterschiedlich. Erwartet werden aber in jedem Fall stabile familiäre Beziehungen, die auch größeren Belastungen standhalten können.

Je nach akuter Bedarfslage ist bei der Informationspolitik der Jugendämter bisweilen ein wenig Vorsicht geboten. Der Einsatz als Bereitschaftspflegefamilie ist häufig kein Spaziergang und kann das eigene Familienleben ganz schön auf die Probe stellen. Das wird nicht immer so klar herausgearbeitet.

Es wird angestrebt, den Aufenthalt des Kindes nicht länger als 3-6 Monate auszudehnen, in der Praxis sieht das aber oft anders aus. Wenn gerichtliche Verfahren anhängig sind oder bestimmte Diagnoseerstellungen notwendig werden, kann das Kind auch sehr viel länger in der Familie bleiben.

Die Kinder, die man aufnimmt, sind häufig alles andere als froh darüber, aus ihrer Familie gerissen worden zu sein - auch wenn es ihnen da nicht gut ging. Viele sind nicht „geübt“ im normalen Umgang miteinander. Und gerade wenn das eigene Kind, wie in eurem Fall, noch sehr klein ist, kann es durchaus passieren, dass dieses Kind zum Ziel der Agressionen des oft traumatisierten Pflegekindes wird. Auch sonst sollte man sich aber Gedanken darüber machen, was beim eigenen Kind passiert, wenn es in jungem Alter häufigen Beziehungswechseln ausgesetzt ist.

Auch gewisse gesundheitliche Aspekte sollte man kennen: Läuse sind ein relativ harmloses „Mitbringsel“, wenn ein Kind kurzfristig einzieht. Theoretisch bestehen aber auch Infektionsmöglichkeiten für HIV und Hepatitis (Wickelkinder), die zwar gut beherrschbar sind, aber dennoch im Bewusstsein einer Pflegefamilie sein sollten. Nicht immer gibt es zum Zeitpunkt der Aufnahmen bereits medizinische Diagnosen.

Vielleicht sucht ihr mal nach einem Forum für Pflegefamilien, wo Familien von ihren Erfahrungen berichten?

Schöne Grüße,
Jule

Hi,

Danke für eure Antworten.

Ich denke, sofern das Jugendamt dies auch so sieht, daß der Zeitpunkt eigentlich recht gut passt.
So wie ich gelesen habe, sollte das Pflegekind jünger als das jüngste in der Familie lebende Kind sein. Mein Kind kommt bald in den Kndergarten, so daß den Vormittag ungeteilte Aufmerksamkeit für das Pflegekind bestünde.
Das jüngere Alter könnte die „Gefahr“ durch schlagen, beißen, treten usw. des Kindes herabsetzen.
so zumindest die Theorie.

Ob und wie unser Kind mit Aufnahme und Abschied eines Pflegekindes umgehen wird oder würde kann ich nicht sagen.
Ich denke aber, daß die es nach und mit Vorbereitung „verstehen“ (nicht im Sinne von Begreifen, eher ein Akzeptieren des jeweiligen Umstandes) würde. Sollte ich mich irren, was ja eigentlich nur die Situation zeigen kann, dann würde die Bereitschaftspflege nicht weiter stattfinden. Das psychische Wohl meines eigenen Kindes ist wichtiger.

Wenn das Haus voller Kinder ist, sie spielen, toben, quatsch machen fühle ich mich richtig wohl. Natürlich wird man ein Pflegekind nicht mit Freunden meines Kindes vergleichen können. Die Bindung fehlt und das Erlebte wird sich vermutlich auf irgendweiner Weise psychisch bemerkbar machen. Doch denke ich, daß ein Pflegekind sich hier wohlfühlen kann. Das sollte ja, denke ich, auch so sein.
Was du zum Küssen und kuscheln schreibst Jutta, selbst das denke ich,
wir uns nicht sehr schwer fallen. Unser Kind ist zwar ziemlich einfühlsam und lieb, aber sie ist kein Kuschelkind. Manchmal lässt sie es zwar zu, aber nicht regelmäßig. Ich war als Kind nicht anders.
Dadurch haben wir uns angewöhnt, Zuneigung, Nähe, Geborgenheit usw. durch Lob, Körpersprache, Berührungen und Umarmungen zum Ausdruck zu bringen. Schwerer wird es sein, ein Pflegekind vom übermäßigen Schmusen abzuhalten.

In einem speziellen Forum werde ich mich nachher noch anmelden. Ansonsten erkundige ich mich Montag mal, ob das Jugendamt einen Gesprächstermin mit uns vereinbaren möchte.

Danke und LG

Hallo parxdono,
informiere dich doch einfach mal bei deinem zuständigen Jugendamt.
Hier in Hannover, bzw Umgebung hättest du keine Chance, da keine
pädagogische Vorbildung.
Persöhnlich finde ich auch, dass euer Kind noch zu jung ist.
Die Vorposter haben dir im Prinzip schon alles dazu geschrieben,
viel mehr kann ich dir auch nicht schreiben.
Was auf jeden Fall eine Möglichkeit wäre, bewirb dich doch einfach
um ein Pflegekind. Bei uns muss man dafür bei dem Jugendamt ein Seminar über mehrere Monate besuchen, um eine Pflegeerlaubnis zu erhalten.
Diese Termine sind schonmal ganz interessant um zu sehen, ob man wirklich dazu bereit ist.
Hinterher kann man sich immer noch problemlos wieder von der Liste streichen lassen.
Tschüss Jens

Hallo,

Mein Kind kommt bald in den Kndergarten, so daß den Vormittag ungeteilte Aufmerksamkeit für das Pflegekind bestünde.

Möglicherweise wirst du dir vom Jugendamt die Frage gefallen lassen müssen, ob du einen „Baby-Ersatz“ für dein eigenes Kind, das aus diesem Alter rausgewachsen ist, suchst.

Zum anderen solltest du einberechnen, dass dein eigenes Kind ganz schön eifersüchtig werden könnte, wenn es selbst in den Kindergarten „abgeschoben“ wird, während das fremde Kind daheim bei der Mama sein darf.

Schöne Grüße,
Jule

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Die Frage nach einem „Babyersatz“, wenn das aufzunehmende Pflegekind tatsächlich jünger als das eigene Kind sein muss oder sollte, wäre absolut ok und in wenigen Sätzen zu beantworten.
Zum Beispiel, daß ein Kleinkind zur Tagesbetreuung einer berufstätigen Mutter ein „besserer“ Babyersatz wäre, weil das Kind spätestens am Abend wieder in seine Familie zurückkehren würde und uns keine schlaflosen Nächte bereiten könnte. Diese Variante würde übrigens auch mehr Geld einbringen. Nur steht uns danach nicht der Sinn.

Mein Kind könnte eifersüchtig werden wenn es den Kindergarten besucht und das Pflegekind zu Hause bliebe. Könnte aber auch anders sein.
Ich denke, es kommt auch darauf an, ob mein Kind den Kindergartenbesuch als abgeschoben werden empfindet.
Als sich meine Mutter damals um meine Schwester (und später um das Kind, daß sie von morgens bis Abends betreute) kümmerte während ich den Kindergarten besuchte, empfand ich es eher als Bereicherung.
Ich konnte mit meinen Freunden spielen und toben.

LG

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Hallo,

letzten Endes wird diese und ähnliche Fragen das Jugendamt klären.

Ich persönlich halte dein Kind für zu jung. Der Verstand eines 3-Jährigen ist noch nicht weit genug entwickeln, um das, was da passiert, rational fassen und verarbeiten zu können.

Auch wenn du jetzt mit ihm sprichst und damit quasi sein „Einverständnis“ erwirkst, heißt das noch lange nicht, dass er das Ganze auch emotional packt. In seinem Alter kann er nicht ausreichend abstrahieren, um die Tragweite und die Umstände solcher Prozesse zu beurteilen.

Für ihn bedeutet die Aufnahme eines Kindes Ähnliches, wie ein Geschwisterkind zu kriegen - mit allen positiven und negativen Emotionen, die damit einhergehen können. Er kann nicht wirklich begreifen, dass das nur ein „Kind auf Zeit“ ist. Und wenn es geht, muss er sich trennen.

Unter Umständen passiert es in der Bereitschaftspflege, dass du ein Kind für 3-4 Tage bei dir hast, es dann abgibst und wenig später ein neues Kind bekommst, das wiederum nur für einige Tage oder Wochen bleibt.

Ein 3-Jähriger ist diesem Prozedere vergleichsweise schutzlos ausgeliefert, weil sein Verstand ihm nicht ausreichend helfen kann. Die Wahrscheinlichkeit, dass er beginnt, keine Beziehung mehr einzugehen und keine Nähe zuzulassen, um sich selbst zu schützen, ist hoch. Seiner persönlichen Entwicklung tut das nicht gut, und bis du die Auswirkungen zu spüren kriegst, ist das Kind schon in den Brunnen gefallen.

Ein Kind, das mindestens 7/8 Jahre alt ist, hat hier deutlich bessere Verarbeitungsmechanismen zur Verfügung.

Schöne Grüße,
Jule