Bergman: Suizidale Dirigenten?

Hallo!

Neulich lief im Fernsehen der Film „Die Treulosen“ (2000). Zugrunde liegt das Buch von Ingmar Bergman.

Im Film begeht ein Dirigent Selbstmord. Dazu ist es noch zu erwähnen, daß der Mann offensichtlich erfolgreich ist. Er dirigiert im Konzert z.B. die Fünfte von Bruckner, was nicht jeder Teilnehmer dieses Forums von sich behaupten kann.

Die Frage: Gibts es Suizide unter Dirigenten überhaupt? Ein Beispiel vielleicht?

Gruß

etwas off-topic
Hallo peet!

Dazu ist es noch zu
erwähnen, daß der Mann offensichtlich erfolgreich ist. Er
dirigiert im Konzert z.B. die Fünfte von Bruckner, was nicht
jeder Teilnehmer dieses Forums von sich behaupten kann.

Stimmt, aber ist das ein Kriterium für Erfolg? Wird nicht von allen mittelmäßigen Dirigenten behauptet, sie seien große Bruckner-Dirigenten? Jochum, Karajan, …
[persönliche Einschätzung und nicht ganz ernst gemeint :wink:]
Vielleicht sollte ich mal Bruckner dirigieren?

Die Frage: Gibts es Suizide unter Dirigenten überhaupt? Ein
Beispiel vielleicht?

Warum sollten sich Dirigenten-Beruf und suizidale Neigung gegenseitig ausschließen? Dagegen ist keine Bevölkerungsschicht wirklich gefeit.

Aber es stimmt, spontan fällt mir erstmal kein Fall von Suizid bei einem Dirigenten ein. Komponisten scheinen da schon eher mal zu tiefen Depressionen zu neigen (Tschaikowski, B.-A. Zimmermann, …).

Das hat aber sicher auch mit dem von dir schon erwähnten Kriterium des Berufserfolgs zu tun. Jemand der in seiner beruflichen Karriere erfolgreich ist erlebt sicher weniger Auslöser für eine suizidale Krise als ein „Looser“. Damit ergibt sich eine ähnliche Erklärung wie für die Tatsache, dass Dirigenten ein so hohes Durchschnittsalter erreichen. Das hat auch nichts damit zu tun, dass der Dirigentenberuf so gesund wäre, sondern damit, dass die Betrachtung von Dirigenten eine vorsortierte Stichprobe darstellt.

_"Das gleiche Auswahlprinzip ist vremutlich auch für die vermeintlich höhere Lebenserwartung von Musikern verantwortlich, die periodisch in den Medien für Gesprächsstoff sorgt. So hatte man etwa in den USA einmal eine Lebenserwartung für Orchesterdirigenten von 73,4 Jahren ermittelt, 4 Jahre mehr als für den Rest der männlichen Bevölkerung, mit dem impliziten Rat der New York Times (in der Ausgabe vom 5. Dezember 1978): Lebe länger! Werde Dirigent!

Pustekuchen, sogt wieder der Statistiker. Ein männlicher Säugling mit angeborener Begabung zum Dirigenten lebt im Mittel keine Minute länger als ein Baby ohne Musiktalent. Zumindest gibt es keinen Anlaß zur Annahme des Gegenteils. Beider werden z.B. mit gleicher Wahrscheinlichkeit mehr als 30 Jahre alt. Auch nach dem 30. Geburtstag ist die restliche Lebenserwartung mit derzeit etwa 47 Jahren für beide gleich. Die vermeintlich höhere Lebenserwartung der Musiktalente kommt nur dadurch zustande, daß alle diejenigen aus der Stichprobe herausfallen, die in jungen Jahren schon gestorben sind. Nur Gott im Himmel weiß, wieviele Karajans so der Welt entgangen sind. Würden auch die früh verstorbenen Musiktalente in die Rechnung mit eingebracht, wäre die Lebenserwartung von Musikern vermutlich keinen Tag größer als für andere Leute.

Auch hier hat man also das Pferd von hinten aufgezäumt, d.h. nur die erfolgreichen (in diesem Fall die Überlebenden) gezählt. Mit der gleichen Methode könnten wir ‚beweisen‘, daß Bankdirektoren, Universitätsprofessoren oder katholische Bischöfe länger leben als andere. Das ist zwar wahr, aber keine Folge des Berufs, sondern der Tatsache, daß man dergleichen Posten in der Regel erst in fortgeschrittenen Jahren übernimmt."_

aus: Walter Krämer, So lügt man mit Statistik. ISBN: 3492230385 Buch anschauen

Grüße
Wolfgang

Hallo Peet,

ich habe bei Google „dirigent selbstmord“ eingegeben und auf der ersten Seite gleich ein Beispiel gefunden: http://www.aeiou.at/aeiou.encyclop.n/n217687.htm .

Ich weiß nicht, ob Bernd Alois Zimmermann dirigiert hat, aber wenn, dann wäre auch er ein Fall: http://www.theater-schauspiel-oper.de/komponistenz.html
(auch auf der Googleseite).

Wenn du weiterblätterst (evt. auch unter „dirigent freitod“) findest du sicher noch mehr.

Herzliche Grüße

Thomas Miller

Keinesfalls off-topic
Hallo Wolfgang,

nett dich zu lesen :smile:

In dem Film ist der Selbstmörder eben ein erfolgreicher Dirigent. Und deine Überlegungen bestätigen mein Bedenken. Ich fand diesen Strang unglaubwürdig und wollte mich prüfen lassen. Dem Beispiel von Thomas Miller *wink* mit Oskar Nedbal werde ich noch nachgehen. In der Erinnerung habe ich den Mann eher als Komponisten. Die Fünfte von Bruckner hat er ganz bestimmmt nie dirigiert. :smile: B.A.Zimmermann ist tatsächlich ein großer Komponist und kein Dirigent.

Ich frage mich, was hat Ingmar Bergman dazu geführt, diese unwahrscheinliche Biografie eines Dirigenten zu erfinden. Noch einmal mehr das Böse im Menschen auf die Spitze zu treiben? Looser im Privaten kann dem Schwert des Richters Bergman nicht entweichen? Und wenn es dadurch unglaubwürdig wird?

Liebe Grüße

P.S. Wer sind für dich Bruckner-Dirigenten?

Hallo peet,

nett dich zu lesen :smile:

Ganz meinerseits :wink:

In dem Film ist der Selbstmörder eben ein erfolgreicher
Dirigent. Und deine Überlegungen bestätigen mein Bedenken. Ich
fand diesen Strang unglaubwürdig und wollte mich prüfen
lassen.

Den Bergmann-Film kenne ich nicht, also kann ich nur sehr allgemein reden.
Platt gesagt müssen für eine suizidale Krise halt zwei Punkte zusammenkommen:

  • depressive/melancholische Grundhaltung, Selbstunsicherheit und
  • aktuelle Frustrationserlebnisse.
    Wenn die depressive Grundhaltung sehr stark ist genügen kleinere Umweltfrustrationen als Auslöser, wenn die Umweltfrustrationen sehr massiv sind, „genügt“ auch eine schwache depressive Haltung.
    Umweltfrustrationen müssen aber nicht allein aus dem Berufsleben kommen; Beziehungsstress, Verlust eines geliebten Menschen oder auch politische Situationen (Nazi-Reich!) kommen als Auslöser genauso in Frage.

Das nur als Hintergrund, weil ich nicht weiß, wie Bergmann den Suizid motiviert. Ein erfolgreiches Berufsleben macht einen Suizid vielleicht weniger wahrscheinlich, schließt ihn aber sicher nicht aus. Der Rest der Diskussion ist was fürs Psychologie-Brett.

Schöne Grüße
Wolfgang

P.S. Wer sind für dich Bruckner-Dirigenten?

Am ehesten noch Celibidache. Aber Bruckner ist sowieso nicht mein Favourite, bin eher Mahlerianer.

Bruckner

P.S. Wer sind für dich Bruckner-Dirigenten?

Am ehesten noch Celibidache.

Absolut richtig! Je langsamer, desto in der Regel näher an Bruckner. Gerade die Fünfte bei Furtwängler und Celibidache zu vergleichen ist sehr aufschlussreich. Die Tradition Jochum/Karajan/Wand ist aber viel erfolgreicher, warum nur?

Aber Bruckner ist sowieso nicht
mein Favourite, bin eher Mahlerianer.

Und wer ist für dich für Mahler zuständig? :smile:

Liebe Grüße
P.S. Über die Suizidgründe im allgemeinen müssen wir nicht weiter diskutieren. Da stimme ich dir völlig zu. Ein überzeugendes Beispiel zugunsten Bergmans Filmfigur haben wir aber in der Tat nicht gefunden.

Die Frage: Gibts es Suizide unter Dirigenten überhaupt? Ein
Beispiel vielleicht?

Hallo, Peet,
auszuschließen ist das nicht, wenn ich auch gerade keine Beispiele präsent habe.
Zu bedenken aber ist die Persönlichkeitsstruktur eines Dirigenten. Wer diesen Beruf ergreift ist in der Regel eine stabile Persönlichkeit, die eher selten von Selbstzweifeln geplagt wird. Die Selektion von Charakteren mit suizidaler Neigung geht also offenbar der Berufswahl voraus. Etwa so wie man unter Malern wohl eher selten Farbenblinde finden wird.
Grüße
Eckard.

Mahler (endgültig off-topic)
Hi,

Und wer ist für dich für Mahler zuständig? :smile:

Schwer zu sagen, weil ich da ziemlich viel vergleichend höre und eher versuche die Spezialitäten eines Interpreten zu erkennen, statt sie in eine Rangreihe zu bringen.

Bernstein und Kubelik waren mein Einstieg. Vieles an den Interpretationen kann ich heute nicht mehr nachvollziehen, aber sie haben mein Mahler-Bild eine Weile doch sehr geprägt, v.a. Lenny mit seinen Schriften über Mahler.

Simon Rattle und Benjamin Zander finde ich in letzter Zeit recht gut. Daniel Harding habe ich ein paarmal live mit Mahler erlebt und fand es sehr überzeugend. Michael Gielen mag ich auch sehr gern, aber da bin ich voreingenommen, weil ich bei M2 und M8 unter ihm im Chor mitsingen durfte.
Gilbert Kaplan als Spezialist für M2 ist für mich nach wie vor ein Wunder; ich bin sehr gespannt auf seine Neueinspielung mit den Berlinern.

Und Uri Caine’s Mahler-Paraphrasen finde ich (größerenteils jedenfalls) auch schlicht genial.

Breite Palette also.

Grüße
Wolfgang

völlig off topic
huhu :smile:

die google queen hat mal wieder zugeschlagen :smile:
Hab zwar nichts gefunden, was deine Frage beantwortet, aber statt dessen diesen link: http://elvispelvis.com/causesofdeath.htm

immerhin kann man nach Todesart suchen :smile:

Gruss
Marion

Guten Abend, Wolfgang,

für mich waren Bruno Walter, später Barbirolli und (live) Maazel für Mahler maßgeblich.
Gilbert Kaplan sowie Benjamin Zander kenne ich dafür gar nicht. Was hättest du über sie sagen können, warum schätzst du sie so hoch? Bis jetzt habe ich noch nie Aufnahmen mit Wyn Morris gehört. Kennst du sie?

Rattle und Harding spielen für meine Begriffe in verschiedenen Klassen :smile: Und der Unterschied zwischen sehr guten und nicht guten Konzerten/Aufnahmen bei Rattle ist mir noch zu groß. Vielleicht wird da noch mehr, wer weiß…

Liebe Grüße

Guten Morgen, Wolfgang und peet

also zu Mahler gehört für mich zuerst Bernard Haitink und das Amsterdamer Concertgebouw-Orchester, dann auch Otto Klemperer und die Londoner - meist etwas zu langsam, aber prächtig.
Und schließlich Celibidache, aber nur einmal live in Tübingen.

Fritz

noch völliger offer topicer
Hallo Marion,

na warte mal ab, du, googglle quuueeen! :smile:

Ich weiß schon, wie ich deine nächstbeste Frage hier beantworte *g*

Liebe Grüße

die google queen hat mal wieder zugeschlagen :smile:
Hab zwar nichts gefunden, was deine Frage beantwortet, aber
statt dessen diesen link:

Guten Morgen peet, und auch Fritz,

die ältere Dirigentengeneration, Walter und Klemperer, hatte ich mal bewusst nicht erwähnt, weil ich irgendwie doch glaube, dass der zeitliche Abstand bei jüngeren Aufnahmen den Interpreten doch hilft, unbefangener an GM heranzugehen. Aber natürlich haben sie sehr wichtige Aufnahmen hinterlassen. Und wenn schon der Name Barbirolli fällt, darf natürlich auch Jasha Horenstein nicht unerwähnt bleiben, vom dem mittlerweile erfreulich viel wiederveröffentlich worden ist.

Gilbert Kaplan sowie Benjamin Zander kenne ich dafür gar
nicht. Was hättest du über sie sagen können, warum schätzst du
sie so hoch?

Benjamin Zander spielt die Mahler-Symphonien mit dem Philharmonia für Telarc ein. Bis jetzt sind 4, 5, 6 und 9 erschienen. Die Serie ist schon allein wegen Telarcs überragender Aufnahmetechnik sowie Zanders Einführungsvorträgen (die als kostenlose Bonus-CDs beiligen) bemerkenswert. Vor allem aber zeigt sich Zander als profunder Mahler-Kenner, der es schafft eine Menge von Partitur-details herauszuarbeiten, die ich so bei anderen Dirigenten noch nicht gehört habe.

Gilbert Kaplan, der Amateur-Dirigent der nur die Zweite von Mahler dirigiert, wird auch von der Fachwelt längst nicht mehr als Spinner belächelt. Immerhin ist er jetzt für die Int. Gustav-Mahler-Gesellschaft Ko-Editor der revidierten M2-Partitur in der krit. Gesamtausgabe. Seine Aufnahme von M2 mit dem LSO zeigt, wie sehr er dieses Werk verinnerlicht hat, wie genau er es versteht Spannungsverhältnisse und Tempo-Relationen aufzubauen (soweit man halt Mahlers Intentionen aus der Partitur ablesen kann). Nur die Solistenbesetzung ist nicht optimal. Wie gesagt, seine Neueinspielung mit den Berliner Philharmonikern kommt nächsten Monat bei Deutsche Grammophon raus, und ich bin sehr gespannt!

Bis jetzt habe ich noch nie Aufnahmen mit Wyn
Morris gehört. Kennst du sie?

Ich kenne von ihm nur Das klagende Lied. Zu wenig, um mir ein eigenes Urteil zu erlauben. Auf alle Fälle finde ich’s sehr konsequent, dass die spätere Fassung in der zweisätzigen Form spielt, nicht die dreisätzige Mischfassung wie die meisten anderen Dirigenten.

Rattle und Harding spielen für meine Begriffe in verschiedenen
Klassen :smile:

Das könntest du noch genauer erläutern. Harding steht natürlich ganz am Anfang seiner Karriere, gewiss, aber die darf man mit großem Interesse verfolgen! Ich habe unter ihm zuerst M10 mit dem RSO Frankfurt gehört, und das war ein Konzert mit dem er sich vor den Großen seiner Zunft nicht zu verstecken brauchte!

Und der Unterschied zwischen sehr guten und nicht
guten Konzerten/Aufnahmen bei Rattle ist mir noch zu groß.
Vielleicht wird da noch mehr, wer weiß…

Da hat er was mit Bernstein gemeinsam :wink:

Ach ja, die besten Links zu Mahler-Aufnahmen:

http://www.musicweb.uk.net/Mahler/index.html
http://mapage.noos.fr/vincent/us.html
http://ccins.camosun.bc.ca/~dbarker/gm/
http://www.netaxs.com/~jgreshes/mahler/

Grüße
Wolfgang

Hallo Wolfgang,

du hast mich überredet. Ich bestelle mir Aufnahmen von den Dirigenten, die du soooo empfohlen hast. Und weh dir, wenn sie mich nicht überzeugen. *g*

Nur schade, daß von Wyn Morris es leider nur LPs gibt… :frowning:

Liebe Grüße

Hallo peet,

du hast mich überredet. Ich bestelle mir Aufnahmen von den
Dirigenten, die du soooo empfohlen hast.

Wow, ich fühle mich geehrt! *g*

Und weh dir, wenn sie
mich nicht überzeugen. *g*

Hab’ ich je eine Garantie abgegeben? *wunder*

Nur schade, daß von Wyn Morris es leider nur LPs gibt… :frowning:

Oh, die Wyn Morris-Aufnahmen waren doch mal kurzzeitig als CD erhältlich! Ich glaube, bei IMP? (muss mal n bisschen googlen)
Sind natürlich längst aus dem Katalog gestrichen, aber second-hand müsste es doch das eine oder andere geben?

Liebe Grüße
Wolfgang

Er dirigiert im Konzert z.B. die Fünfte von Bruckner, was nicht
jeder Teilnehmer dieses Forums von sich behaupten kann.

Ach, nicht???

:wink:))

Levay