Beruf in der Forschung?

Hallo!

Ich hoffe, dass ich das richtige Forum für meine Frage erwischt habe.
Und zwar mache ich jetzt bald mein Abitur und weiß leider immer noch nicht, was ich danach machen soll. Ich bin schon soweit, dass ich vermutlich irgendwas mit Englisch und Naturwissenschaften studieren möchte. Im Moment steht das Fach Neurowissenschaften in der engeren Auswahl. Doch, was macht man, wenn man Neurowissenschaften studiert hat? Natürlich kann man in die Forschung gehen, doch kann ich mir nicht vorstellen, wie denn so ein Arbeitsalltag eines Forschers aussieht. Was ein Jurist, Arzt oder Mechaniker im Einzelnen tut, weiß man so ungefähr, aber ich habe keine Ahnung davon, wie Berufe in der Forschung aussehen. Wer stellt einen da an? Kriegt man da spezielle Aufträge? Arbeitet man da in Gruppen oder alleine? Wie funktioniert das?
Vielleicht findet sich jemand, der mir ein bisschen mehr Klarheit über den Beruf eines Forschers verschaffen kann.

Vielen Dank schon im Voraus,
abcd

Hallo!

Forschen kann man an Unis oder in der Industrie. In der Industrie ist es natürlich sehr anwendungsbezogen und gewinnorientiert, dafür hat man (irgendwann einmal) eine feste Stelle und in der Regel einen oder mehrere Chefs, die einem genau sagen, wieviel von was bis wann erledigt sein muss. An der Uni sieht es mit festen Stellen Mau aus. Hier schreibt man Anträge, wo man seine Forschungsziele vorstellt. Mit etwas Glück wird das Forschungsvorhaben dann gefördert. Solche Projekte werden meist für 2 bis 3 Jahre ausgeschrieben. Dann muss man wieder Anträge schreiben, in der Hoffnung, dass es irgendwie weitergeht. Die Aussicht auf Förderung steigt natürlich mit dem Erfolg, den man in der vorigen Förderperiode nachzuweisen hat - das sind v.a. Publikationen eigener Ergebnisse in Fachzeitschriften. Forschen an Unis heißt als im Wesentlichen: Anträge schreiben und Publikationen schreiben. Dafür hat man weitgehend die Freiheit, sich mit den Themen und Ideen zu beschäftigen, die einen interessieren.

Viele „Forscherlaufbahnen“ verlaufen etwa so: Nach dem Studium macht man eine Doktorarbeit in zu einem Thema, was einen interessiert (ca. 4-5 Jahre), dann geht man 2-3 Jahre als „Post-Doc“ an ein Institut, wo man an diesem oder einem ähnlichen Thema weiterarbeiten kann. Dann versucht man, eine eigene Arbeitsgruppe aufzubauen und bewirbt sich um Anschubfinanzierungen. Anschließend kommen Bewerbungen auf Juniorprofessuren infrage. Die Stellen sind 5 Jahre befristet. Dann kann man sich auf W2-Professuren bewerben (wozu meist noch eine Habilitation verlangt wird). Alles immer vorausgesetzt, man hat gut publiziert und erfolg bei den Anträgen. Wenn nicht, muss man halt irgendwas anderes machen…

Wer stellt einen da an?

Eine Firma oder die Uni.

Kriegt man da spezielle Aufträge?

In der Firma schon. An der Uni mußt du weitgehend selbst entscheiden, was du machen willst.

Arbeitet man da in Gruppen oder alleine?

In Gruppen. Alleine forschen ist nicht mehr. Die Themen sind zu komplex, die Ansprüche zu hoch, als dass einer allein international konkurrenzfähig sein könnte (und in der Forschug hat man IMMER internationale Konkurrenz - da gibt es keine „Regionalliga“).

Wie funktioniert das?

Das ist wirklich sehr verschieden von Fach zu Fach.

Vielleicht findet sich jemand, der mir ein bisschen mehr
Klarheit über den Beruf eines Forschers verschaffen kann.

Forscher ist eben kein Beruf. Forschen ist etwas, was man macht, meist aus Interesse, und man freut sich, wenn man dafür eine Finanzierung bekommt. Forschung bietet keine Sicherheiten und nur in Ausnahmefällen kann man damit reich werden.

Das war jetzt nur ein Blickwinkel, es gibt noch viele andere, und ich denke, das wird hier auch noch ergänzt werden.

VG
Jochen

Hallo abcd,

Jo hat schon einiges sehr Sinnhaftes geschrieben. Reicht Dir diese Antwort?
Deine Frage erinnert mich an meine Schulzeit. Damals dachte ich, dass ja schon (fast) alles entdeckt und bekannt ist und man als Forscher ja nichts mehr erforschen kann. Die Frage: „Wie finde ich denn etwas, woran ich forschen kann?“ kam mir verdammt schwierig vor.
Soll ich von meiner Zeit als Bakterienforscher schreiben?

Die wichtigeste Voraussetzung als „Forscher“ ist die Neugier; dass man einfach mehr wissen will und dabei ist es eigentlich egal um was es geht. In Gandalfs Vita steht ein schönes Zitat vom Physiker Feynman (hoffentlich hast Du es noch dort stehen, Gandalf, sonst werd ich jetzt angepöbelt…)
zweitens ist es als Forscher von Vorteil wenn man gerne spielt und Sachen ausprobieren mag

gruss
Yps

Möchte der schönen Beschreibung von Jochen noch folgendes hinzufügen: Ein ewiges Forscherleben gibt es normalerweise nicht. Man sollte sich weiter entwickeln, also Forschungsorganisation und Anleitung junger neuer Leute (Uni) oder Management, auch innerhalb der Forschungs/Entwicklungsabteilung, evtll Produktion, Qualitätssicherung und andere Tätigkeiten (Industrie). Dafür werden immer wieder gute ehemalige Forscher gebraucht und, glaube mir, auch solche aus einer Forschertätigkeit hervorgehende Tätigkeiten sind anspruchsvoll und reizvoll.
Udo Becker

Hallo,

zweitens ist es als Forscher von Vorteil wenn man gerne
spielt und Sachen ausprobieren mag

und drittens wenn man eine hohe „Frustrationstoleranz“ hat. Es ist nämlich die Regel, dass Sachen nicht funktionieren. Das ist ein Unterschied zur Tätigkeit von „Nicht-Forschern“. Wenn bei Nicht-Forschern etwas nicht klappt, dann ist das schlimm. Bei Forschern hingegen ist das der Normalfall. Trotzdem ist es aber auch frustrierend, dass letzlich so wenig so (gut) funktioniert, wie man sich das vorstellt. Meist arbeitet man Monate und Jahre an etwas und nichts klappt wirklich, bis man -hoffentlich!- doch irgendwann Erfolg hat; und dann feststellt, das man auch in 2 Wochen zu dem Ergebnis hätte kommen können - wenn man vorher gewußt hätte wie. Aber genau das ist ja Forschung… :wink:

VG

Hallo Jo,

fazinierend Deine Ergänzung.
ich hatte auch mit „Drittens hohe Frustrationstoleranz“ angefangen, habe es dann aber wieder gelöscht, um nicht gleich einen möglichen Forscher anzuschrecken.
(bei einer möglichen Ergänzung hätte ich aber das Thema angeschnitten; beispielhaft an meiner Diplomarbeit… zum Glück ist damals Deutschland Fussballweltmeister geworden. Das half mir durchzuhalten)

gruessli
Yps

Hallo nochmal!

ich habe erst jetzt die ganzen Antworten gelesen und wollte mich sehr dafür bedanken! Es hat mir endlich etwas Klarheit verschafft :smile: Nur schrecken mich jetzt einige Punkte ab, wie zum Beispiel, dass man so wenig Sicherheit hat, dass man sich selbst Projekte ausdenken muss (jetzt kann ich noch nicht beurteilen, ob mir das gelingt) und auch, dass man anscheinend sehr viel Geduld mitbringen muss. Ich bin nämlich zugegeben etwas ungeduldig. Wer weiß, ob mir das liegen würde. Trotzdem interessieren mich Berufe in dieser Richtung, weil ich sehr gerne analytisch an Sachen herangehe. Naja, wer weiß, was die Zukunft so bringen wird.

Übrigens wäre es sehr schön, wenn Sie von ihrer Zeit als Bakterienforscher berichten würden. Würde mich sehr interessieren.

Freundlichen Gruß!