Berufsalltag, Erschöpfung, Ausfall, Klinik, und wieder von vorn. Wie komme ich da raus?

Ich bin 52 und seit 10 Jahren als Lehrer an einem Gymnasium (angestellt). Bereits nach 2 Jahren bekam ich einen Hörsturz, der schließlich zur Ertaubung und Dauer-Tinnitus führte; das rechtsseitige Hörvermögen beträgt noch 68% und reicht für eine übliche Unterhaltung, ist bei Umgebungsgeräuschen jedoch unzureichend. Richtungshören ist gar nicht möglich, was den Berufsalltag aufgrund der Hörsituation in der Schule sehr anstrengend macht. Die Anpassung eines Hörgeräts rechts erfolgte 3 mal (zuletzt 2016), die Geräte konnte ich jedoch im Berufsalltag nicht aushalten.

Meine zunehmende Erschöpfung (trotz mittlerweile halber Stelle) hatte bereits 2 Aufenthalte in einer Tagesklinik zur Folge, jeweils mit anschließender Wiedereingliederung nach dem Hamburger Modell. Nun bin ich wieder am Ende, Stress und Belastung schlagen sich in absoluter körperlicher Erschöpfung nieder, Ruhelosigkeit in Phasen eigentlicher Entspannung und dauernden Infekten (z.B. 2-3 mal Magen/Darm pro Jahr).

Wenn ich mich jetzt wieder in eine Einrichtung begebe, so wird das Ergebnis nach ein paar Wochen vermutlich wieder wie gehabt lauten „Ihnen geht’s ja schon viel besser“, und prompt werde ich wieder arbeiten geschickt.

Wie komme ich da raus?

Mit Dank für Deine Antwort und herzlichem Gruß,
Stephan

Lieber Stephan!

Was denkst du selbst, was dir da raushilft?

Ich hatte sofort das Gefühl, dass du aus dem Job raus musst. Vor allem wenn du nicht einmal verbeamtet bist, gibt es doch kaum etwas, was dich da noch hält.
Was hast du vorher beruflich gemacht, gibt es Alternativen, die dir bereits in den Sinn gekommen sind?

Ich bin übrigens auch Lehrerin, an einer Berufsschule, bin fast so alt wie du und habe leider schon mehrere Burnouts hinter mir, habe allerdings gelernt, mit dem Stress umzugehen. Aber auch nur unter Stundenreduzierung - und ohne Hörschaden.
Da ich hochsensibel bin hab ich eine Vorstellung davon, wie das Hören in der Klasse für dich sein muss. Mich überfordert die Geräuschkulisse eigentlich auch.

Wenn du mal privater reden magst, melde dich gern per PN.

Gruß, Diva

hi Stephan,
nur ganz kurz, weil es schon so spät ist: mir scheint, Du und Deine „Therapeuten“ basteln lediglich an den Symptomen herum (Hörgeräte, Tagesklinik, Hamburger Modell), anstatt nach den Ursachen Deiner „Erschöpfung“ zu suchen. Mit 42 Jahren als Gymnasiallehrer anzufangen bedeutet für mich, Du hast vorher etwas anderes gemacht, und das nicht so ganz kurz.
Denk mal über eine (stationäre) Psychotherapie nach (psychosomatische Klinik) und das nicht nur „ein paar Wochen“, sondern wirklich intensiv. Danach vielleicht Berufswechsel? Schlecht hören sieht für mich nach Berufsunfähigkeit aus.
Diva hat Dir ja schon Anregungen gegeben, dem schließe ich mich an.
Gruß und Mut zu Entscheidungen wünscht Dir
synapse

Hi,
Ich bin auch lehrerin.
Deine körperlichen Probleme haben höchstwahrscheinlich keine körperliche, sondern eine seelische Ursache. Ein Aufenthalt in einer tagesklinik hilft da nicht. Ich empfehle auch den Aufenthalt in einer psychosomatisch Klinik sowie danach ( und vielleicht schon davor) Psychotherapie. Die ganz eigene Art von Belastung im Lehrberuf muss man erstmal aushalten (auch wenn mein Klinikaufenthalt nicht durch den Beruf verursacht war, habe ich rundherum profitiert)
Die Franzi

Hallo,
der von Dir beschriebene Leidensweg kann nicht mit einfachen Antworten „a la Beruf wechseln“ oder „Psychosomatischer Klinik“ gelöst werden!

Zunächst muss mal untersucht werden, ob der erste Tinnitus mitsamt Hörsturz nicht derart schlimm war, dass daraus Begleit- oder Folgeerkrankungen entstehen! Man ist allzu leichtfertig dabei, zu sagen „klar, das ist jedes Mal das Gleiche“. Das stimmt nicht! Jedenfalls nicht immer.

Eine erste vorsichtige Einschätzung: Du hast offenbar den Beruf gewechselt. Und das in einem fortgeschrittenen Alter (auch wenn die heutige Gesellschaft das nicht wahrhaben will. 40 ist nicht das neue 30!). Du musstest dich also messen mit zehn Jahre jüngeren und deinen alten aus dieser Zeit stammenden Ambitionen. Nicht selten lautet beides „Leistung und Optimierung“. Verbunden mit einem Berufsleben, das sich - auch im Lehrerberuf - in den letzten zehn Jahren dramatisch gewandelt hat, führt das zu Stress und Frustration. Das auf Dauer macht krank und das hast du vermutlich erlebt.

Der Tinnitus ansich ist ein Smptom für eine Vielzahl von Erkrankungen und keineswegs immer „seelisch bedingt“. Den kriegen auch Bundeswehrsoldaten, neben denen eine Granate hochgeht oder die zu nahe an einem MG3 standen. Beides ist ziemlich real laut!

Ein Tinnitus ansich (genau genommen die dahinter steckende gar nicht so selten organische Erkrankung!) richtet aber immensen weiteren Schaden an. Du beschreibst das schon: derartiger Hörverlust erhöht den Stresslevel, zieht Resourcen ab und erschöpft!

Der erste Weg lautet hier sicher etwas mit psychotherapeutischer Therapie, zB einer sog. „kognitiven Verhaltenstherapie“ - auch Tinnitus-Therapie genannt. Auch hier sollte man sich vor vorschnellen psychotherapeutischen Analysen in Acht nehmen! Es gilt jemanden zu finden, der zuhört und sich erst langsam eine umfassende Meinung bildet! Du selbst kannst versuchen, dich mit geeigneten Maßnahmen vor der ständigen Erschöpfung besser zu wappnen. Techniken dazu gibt es vielfältige und die sind leider immer ein wenig „Mode der Zeit“. Derzeit sind MBSR-Techniken oder Yoga total „hipp“, vielleicht ist das was für Dich.

Ein Klinik-Aufenthalt kommt nur in Frage, wenn Dich Dein Beruf derart belastet, dass er bei der Genesung stört! Du willst aber anscheinend genau Techniken erlernen oder Leidensreduzierungen erfahren, die Dir dessen Ausübung weiter ermöglichen. Dafür ist es „tendenziell grundfalsch“, sich völlig aus dem Beruf rauszuziehen. Wie willst Du sonst Techniken direkt testen und anwenden oder aktuelle schlechte berufliche Erfahrungen Deinem Therapeuten mitteilen, wenn Du keine mehr machst?

Ganz „am Ende“ kann dann rauskommen, dass Deine Berufswahl falsch war. Aber erst dann, nicht vorher!

Ich hoffe, das hilft ein Wenig.

Gruß vom
Schnabel

Oder Regelstudienzeit überzogen

Nein, ich habe nicht die Regelstudienzeit überzogen, sondern:

  • Abitur
  • Studium Elektrotechnik, TU Hamburg-Harburg
  • 4 Jahre als Ingenieur tätig
  • 8 Jahre im Bildungsbereich auf Honorar
    … und dann Lehrer für Mathe/Physik geworden, weil es davon zu wenige gibt

Danke für Deine Antwort.

Ja, wahrscheinlich ist ein solcher Klinikaufenthalt der nächste logische Schritt. Ich schrecke nur davor zurück, weil ich nicht gerne von zu Hause weg bin und gerade meine Tochter (18) zu mir gezogen ist.

Außerdem bin ich davon überzeugt, dass eigentlich nicht ICH krank bin, sondern das (Schul-)System, aber das kann ichh ja nicht ändern.

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Du musst Dich nicht rechtfertigen. hab ich wieder den „Ironie“-Button vergessen zu setzen ?
Eigentlich schade um dein Ingenieur-Studium.

Hi,

eine psychosomatische Klinik ist stationäre psychotherapie. Die meisten Leute kommen dort an und wollen eine Erklärung für den Hörsturz, die Schlaflosigkeit, die Verdauungsstörungen, die Rückenschmerzen finden, für die sich keine organische Ursache finden ließ. Deswegen heißt die Klinik psychosomatisch. Und die kennen sich mit psychotherapeutischen Verfahren aus, keine Angst, und bieten auch verschiedenste Methoden zur Stressbekämpfung.
Und der Stress im Lehrerberuf besteht nicht in der Konkurrenz mit jüngeren und aaus Optimierung - darauf war unser UP sicher orbereitet. Er besteht in Multitasking, Fristen, und Verantwortung sowie selbständigem Zeitmanagement.

die Franzi

Hallo Stephan, ich kann dir nur raten: Geh zu den Spezialisten. Für Tinnitus. Etwa nach Prien am Chiemsee, Klinik Roseneck. Selbstverständlich haben auch die das Ziel, deine Alltagsfähigkeit wieder herzustellen - aber du wirst sehr ausgiebig über deine beruflichen Aussichten nachdenken können. Ich glaube, du suchst hier auch nach einer Art Freibrief, um einfach mal eine Weile gar nicht zu arbeiten. Tja, warum nicht? Aber lass dir helfen von Leuten, die alle Facetten deines Problems kennen.

(sorry, zuerst an falscher Stelle gepostet)
Hallo Stephan, ich kann dir nur raten: Geh zu den Spezialisten. Für Tinnitus. Etwa nach Prien am Chiemsee, Klinik Roseneck. Selbstverständlich haben auch die das Ziel, deine Alltagsfähigkeit wieder herzustellen - aber du wirst sehr ausgiebig über deine beruflichen Aussichten nachdenken können. Ich glaube, du suchst hier auch nach einer Art Freibrief, um einfach mal eine Weile gar nicht zu arbeiten. Tja, warum nicht? Aber lass dir helfen von Leuten, die alle Facetten deines Problems kennen. ---- Ich selbst (gleichen Alters) betrachte mich auch noch viele Jahre nach dem Aufenthalt als geheilt. Einen Umgang mit mir selbst auf der Basis von Selbstliebe habe ich zwar erst in den Jahren danach gelernt, und ich lerne noch. Aber die Basis wurde dort geschaffen.

Hey, das ist doch super. Deine Tochter bekommt nach einigen Wochen einen erholten Vater, und die Wohnung steht nicht leer. Daheim ist es schön, vor allem wenn man es wirklich genießen kann. Ja, das System ist nicht toll. Aber jetzt geh doch mal in Ruhe und mit Abstand nachschauen, ob du trotzdem weiter drin arbeiten magst oder nicht. Frischauf!

Du findest also dass

kein ausreichender Grund sind und es ihm nur um einen „Freibrief“ für eine Auszeit geht?

Ehrlich: Ich lade ich herzlich ein, mal eine Woche bei mir im Unterricht mitzugehen.
Du wirst nicht glauben, wie schnell dein Tinnitus wieder da ist.
Lehrer immer wieder als faul darzustellen, wenn man nie selbst in diesem Beruf gearbeitet hat, finde ich ignorant und Wiederholung macht diese Behauptung nicht wahrer.

Abgesehen davon glaube ich kaum, dass es hier nur um Tinnitus geht, wenngleich der hier absolut erschwerend hinzukommt: Der UP schrieb

und

was im Unterricht, wenn alle durcheinander reden, eine absolute Katastrophe ist, die das Gehirn schlichtweg nicht verarbeitet bekommt.

Du magst einen Tinnitus gehabt haben, das macht dich aber nicht zum Experten für komplexere Fragestellungen.

Gruß

Hallo Stephan,
wer neue Ergebnisse bekommen will, muss neue Lösungen versuchen. Daher hast du recht, es wird vermutlich wieder nur kurzfristig etwas bringen, wenn du in eine Klinik gehst. Was ich nicht verstehe, ist, dass man dir kein Rezept für Psychotherapie verpasst hat. Du brauchst jemanden zum Aufarbeiten, Reden, Coachen, Leben planen. Mach nicht einfach so weiter wie gehabt.
Alles Gute,
Andrea

hallihallo, das hast du gänzlich missverstanden, das Wort „faul“ kann ich beim besten Willen nirgendwo in meinem Post entdecken.
Manchmal möchte man halt, dass jemand sagt: Hey, du siehst ja selber, dass es jetzt mal reicht. Mach am besten mal ne richtige Pause!
Ich bin vielleicht keine „Expertin für komplexere Fragestellungen“. Aber das ist doch der Sinn dieser Seite, dass Menschen fragen und andere antworten!
Und bitte, wie kommst du darauf, dass ich nie Lehererin war? Steht das irgendwo?

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