Hallo Werner,
Zu dieser Zeit war Judäa römische Provinz und dort im
wesentlichen das römische Steuersystem etabliert, wobei die
Römer wohl in der Regel dieses System vorhandenen Strukturen
anpassten.
das Steuersystem in den Provinzen war verhältnismäßig einheitlich, wenn auch immer wieder Veränderungen vorgenommen wurden - u.a. auch von Augustus, der die Einziehung der wichtigsten Steuern (Kopf- und Grundsteuer) nach dem Vorbild Cäsars den publicani (Steuerpächtern) entzog und in die Hände der Quästoren bzw. vor Ort der procuratores legte. Es blieben die indirekten Steuern (Stadtsteuer, Wassersteuer, diverse Wege- und Grenzzölle usw.) bei deren Eintreibung die publicani sich einheimischer Handlanger (der biblischen ‚Zöllner‘) bedienten.
Galilea stand dagegen noch unter der Herrschaft Herodes’.
Herodes Antipas’, um genau zu sein.
Dieser war aber von den Römern abhängig und ihnen Gegenüber
verpflichtet. Dabei weiß ich aber nicht welche materiellen
Verpflichtungen (Tribut?) er hatte.
Herodes Antipas zog seine eigenen Steuern ein, und zwar noch auf herkömmliche Art durch Steuerpächter - auch hier in Galiläa also ‚Zöllner‘, die jedoch nicht auf römische Rechnung arbeiteten, sondern auf die von von Herodes Antipas (und natürlich nicht zu knapp auf eigene).
Natürlich hatte Herodes Antipas wie praktisch alle römischen Klientelfürsten an Rom Tribut zu entrichten. Die Höhe schwankte stark und wurde von Seiten Roms offensichtlich ad hoc und nach vermuteter Leistungsfähigkeit der so Geschröpften festgesetzt. Einziges Hemmnis beim Anziehen der Schraube der Tributforderungen war die Vermeidung eines Aufstandes und in der Folge eines kostspieligen Krieges - was bekanntlich nicht immer klappte.
Von Cäsar weiss man, dass er aus dieser Region einen Tribut von 25% der Jahresernte einzog (mit Ausnahme jedes 7. Jahres). Was übrigens als überaus moderat empfunden wurde … Nach Cäsars Ermordung forderte Cassius Longinus (mit proprätorischem Imperium Statthalter Syriens) von Judäa, Samaria und Galiläa zur Finanzierung des Bürgerkriegs gegen Antonius einen enormen Tribut von 700 Talenten, wovon 100 auf Galiläa entfielen - was zeigt, dass diese spezielle Region wirtschaftlich vergleichsweise schwach entwickelt war. Dass die Höhe des Tributs stark schwankte, wird dadurch deutlich, dass Herodes der Große später es sich sogar leisten konnte, hin und wieder ein steuerfreies Jahr zu deklarieren.
Dass der einheimische Fürst - im Falle des Rabbi Jeschua also Herodes Antipas - von den eingenommenen Steuern Tribut an Rom zahlte, ist der Hintergrund von Mt 22,15-22. Bezeichnend ist, dass ihm in dieser Erzählung offensichtlich Pharisäer und Herodianer in seltener Einmütigkeit auf den Zahn fühlen wollen. Es geht hier also nur indirekt um Jeschuas politische Haltung zum römischen Imperium - es geht um seine Haltung zu Herodes Antipas, der an Rom Tribut zahlt. Geschichtlicher Background ist der Aufstand Judas des Galiläers (um 6 n.Chr., als Jeschua also etwa 12 Jahre alt war), der sich vor allem an der Besteuerung Judäas nach der Umwandlung in eine Provinz entzündet hatte - der aber interessanterweise in dem (nominell selbständigen) Galiläa seinen Ursprung hatte. Das Problem löste damals (sehr blutig und deutlich effektiver als ein anderes später) ein gewisser Quinctilius Varus.
In Judäa zahlten die Menschen also Tempelsteuer und Steuern an
die Römer.
In Galilea zahlte man Tempelsteuer. Welche Steuern erhob aber
Herodes? Gab es eine zusätzliche Steuer zur Deckung seiner
Verpflichtungen gegenüber Rom und welche waren das überhaupt?
Welche Steuern im einzelnen in Galiläa erhoben wurden, kann ich nicht beantworten. Man kann wohl davon ausgehen, dass es im wesentlichen dieselben wie im römischen Judäa waren - also vor allem Kopf- und Grund- sowie diverse indirekte Steuern, die auch lange vor den Römern schon von den Seleukiden erhoben wurden. Eine spezielle ‚Romsteuer‘ gab es sicher nicht - damit hätte sich Herodes Antipas selbst zu einem bloßen Steuereintreiber der Römer herabgewürdigt. Natürlich war der Tribut an Rom ein ganz erheblicher Teil der Staatsausgaben und man wusste sehr gut, dass bei Nachlässigkeit in dieser Frage die Römer selbst eintreiben würden, worauf sie meinten, Anspruch zu haben. Als es bei der Eintreibung der oben erwähnten von Cassius geforderten 700 Talente zu Schwierigkeiten kam, verkaufte dieser edle Republikaner und Freund der Freiheit kurzerhand die Bevölkerung von vier Städten in die Sklaverei. Hier, in diesem Ausnahmefall, war tatsächlich eine spezielle durch den Tribut veranlasste Steuererhebung notwendig geworden. Cassius’ Verbündeter Antipater (Vater von Herodes und Großvater Herodes Antipas’) bekam die Quittung - er wurde vergiftet.
Mein Anliegen zusammengefasst:
Welcher „Landesteil“ wurde durch welche Steuern wie stark
belastet?
Die Unterschiede dürften unerheblich gewesen sein. Es gab ja noch kein Staatsbürgerrecht im modernen Sinne und ein allzu großes Gefälle bei der Steuerbelastung hättte in diesem kulturell recht homogenen Raum zwangsläufig zu größeren demographischen Verschiebungen geführt, wodurch das Steueraufkommen besonders hoch besteuerter Territorien schon auf mittlere Sicht gesunken wäre.
Freundliche Grüße,
Ralf