Betreuung für geistig Behinderte Tochter

Liebe Rechtskundige,

eine 31-jährige geistig behinderte Tochter wohnt im elterlichen Haus und wird dort aktuell von der Mutter betreut. Es besteht Anspruch auf Pflegegrad 1.

Der Vater ist sehr krank und wohnt deshalb im Pflegeheim. Durch die starke Belastung der Pflege und des stark belastenden Krankheitsverlaufs des Vaters, erlitt die Mutter einen seelischen Zusammenbruch. Daraufhin wurde ein Kur-Antrag für die Mutter gestellt, der von der Krankenkasse zunächst abgelehnt und nach dem Widerspruch genehmigt wurde. Die Kur-Einrichtung hat sich gemeldet und einen Termin in 6 Monaten vorgeschlagen. Der Hausarzt hat ein Schreiben ausgestellt, dass die Kur sehr zeitnah stattfinden muss, nicht erst in 6 Monaten, da der völlige Zusammenbruch verhindert werden soll. Außerdem soll eine Psychotherapie helfen. Wir mussten feststellen, dass es in der zumutbaren Umgebung keinen Termin für eine Psychotherapie gibt, frühestens in 1 – 2 Jahren.

Leider haben sich die Eltern der behinderten Tochter geschämt und haben sich nicht getraut, schon früher Gelder zu beantragen. Erst vor kurzem wurde der Pflegegrad 1 für die behinderte Tochter festgestellt. Deshalb hat sich erst ein Guthaben von 375 Euro (3 Mon. x 125 Euro), welches der Familie nicht ausbezahlt wird, angesammelt. Der Anspruch auf Kurzzeit- bzw. Verhinderungspflege besteht nicht sagt die Krankenkasse. Dieser Anspruch würde erst ab dem Pflegegrad 2 bestehen. Die Pflegekasse sagt, dass die 125 Euro monatlich (Pflegegrad 1) für die Unterbringung/Betreuung ausreichen müssen und keine weiteren Leistungen für die behinderte Tochter bereit stehen. Wo es Einrichtungen für spontane Termine abzurufen gäbe und wo Gelder/Kostenträger dafür beantragt werden können, wusste dieser KK-Angestellte nicht. Die KK schlug eine stundenweise Betreuung vor. Das reicht leider nicht aus.

Meine Fragen:

  • Wo kann die geistig behinderte Tochter wohnen, während die Mutter in Kur ist? Wo finden wir Einrichtung für die geistig behinderte Tochter, die spontan einen Betreuungsplatz frei hat? Wer kann bei der Vermittlung helfen? Wer bezahlt die zeitlich begrenzte Unterbringung mit Pflegegrad 1 für die geistig behinderte Tochter? Wo kann ein Antrag zur Kostenübernahme gestellt werden?
  • Wie kann die Kur der Mutter beschleunigt werden? Wie kann die Psychotherapie der Mutter Vorort unterstütz und beschleunigt werden?
  • Wann und wie kann das angesammelte Pflegegeld von aktuell 375 Euro für die behinderte Tochter ausgegeben werden?
  • Wer übernimmt die Kosten für die Psychotherapie?

Wir sind für jeden kleinen Rat dankbar.

Schlumpfine007

Das nennt sich ‚Kurzzeitpflege‘ bzw. ‚Verhinderungspflege‘. Esteres ist für Urlaub der normalen Pflegeperson gedacht, das zweite z.B. für Krankheit der Pflegeperson. Es sind da zwei Töpfe in der Pflegeversicherung vorgesehen, deshalb bitte nicht verwechseln. Und: ich weiß nicht, wie das bei Pflegegrad 1 ist, mein Schwiegervater hat Pflegegrad 4.

Die Krankenkasse, wenn der Arzt sie verschreibt.

Es gibt eine kostenlose Beratung vor Ort für Pflegepersonen. Die solltet ihr GANZ DRINGEND wahrnehmen. Es gibt noch erheblich mehr als ich weiß und hier schreiben kann.
Gruß
anf

Wer sammelt das an ?
irgendwie klingt es ja verrückt. Man stellt Antrag, der wird genehmigt und dann wird das Geld an den Antragsteller überwiesen, Nachzahlung plus die regelmäßigen Zahlungen.
und was soll hier anders sein ?
„Nicht an Familie ausgezahlt“ ?

Hallo,

die Mutter sollte sich schnellstmöglichst an den örtlich zuständigen sozialpsychiatrischen Dienst wenden.

&Tschüß
Wolfgang

Hallo,
also das mit dem Ansammeln beim Pflegegrad 1 ist durchaus möglich, das Besondere daran ist eben, dass es sich nicht um ein Pflegegeld handelt, wie es ab Pflegegrad 2 gezahlt wird sondern um eine Geldleistung, die nur für bestimmte Aktivitäten gezahlt wird. Die Frage ist hier, warum hat die Tochter nur Pflegegrad 1 ?.
Dazu muesste man das gesamte Gutachten kennen. Ich habe gerade einen Fall in der Familie, das wurde auch nur Pflegegrad 1 bewilligt - lt. Gutachten fehlte genau ein 3/4 Punkt (26,25) für den Pflegegrad 2 - den Widerspruch habe ich mit einer entsprechenden Begründung verfasst, das ging aber wirklich nur anhand des Gutachtens, welches übrigens von der Pflegekasse der Bewilligung beigefügt war. Mein Rat - das Gutachten nehmen und sich an die örtliche Pflegeberatung wenden (entweder bei der Stadt oder beim Kreis angesiedelt), nennt sich meistens Pflegestützpunkt - dort sitzen Menschen, die neutral und kostenlos beraten.
Zur Frage der Psychotherapie ist folgendes zu sagen - bei akuten Fällen kann, wenn vorhanden, die Ambulanz eines psychiatrischen Krankenhauses aufgesucht werden (hat Wolfgang auch schon geschrieben) - geht es um eine Therapie (Kurzzeit (25 Sitzungen) oder Langzeit (50 Sitzungen), dann muss zunächst ein handlungsbereiter Psychotherapeut gefunden werden - Name und Adressen bekommt man von der Krankenkasse oder von der Kassenärztlichen Vereinigung. Das ist u.U. regional nicht so ganz einfach, weil die Behandlungsplätze sehr rar sind - oftmals sind Wartezeiten von mehreren Wochen oder gar bis zu drei Monate an der Tagesordnung - wenn es dringend ist - siehe oben. Wenn einer gefunden wurde, dann wird nach den ersten (bis zu 5) Sitzungen ein entsprechender Antrag bei der Krankenkasse gestellt und die Kosten von dieser getragen.
Gruss
Czauderna

Eigentlich nicht. Man müsste halt wissen, was Pflegegrad 1 bedeutet. Dann würde man nicht derart seltsame ‚Antworten‘ geben.
Gruß
anf

Hallo duck313 und hallo an alle,

ich habe nochmal bei der Pflegekasse angerufen. Die sagten mir, dass das Geld für Pflegegrad 1 bei der Pflegekasse auf einem pseudo-Konto angesammelt wird. Die Familie bekommt dann irgendwelche Leistungen beglichen, wenn für die behinderte Tochter etwas gekauft wurde. Auszahlung geht nicht.

Es ist in der Tat komisch, dass das Geld nicht an die Familie monatlich ausgezahlt wird. Es ist sonnenklar, dass behinderte Menschen auch Geld kosten/brauchen. Das ist tatsächlich eine kleine Schikane.

dann wäre es ja nett gewesen, wenn man das mal genauer erklärt hätte. Was bezahlt wird und was damit geschehen soll.

ich mache es mal für Dich (und mich).

Betreuungs- und Entlastungsleistungen bei Pflegegrad 1

Pflegeversicherte mit anerkanntem Pflegegrad 1 haben Anspruch auf den neuen vereinheitlichten „Entlastungsbeitrag“ von monatlich 125 Euro für Betreuungs- und Entlastungsleistungen ihrer Pflegekasse (bisher in der Regel 104 Euro, in besonderen Fällen 208 Euro). Mit dem Entlastungsbeitrag bei Pflegegrad 1 können Sie zum Beispiel

an einer Betreuungsgruppe für leicht Hilfsbedürftige teilnehmen, die sie geistig und körperlich aktiviert,

einen Alltagsbegleiter z. B. für Gespräche oder Spaziergänge oder eine Einkaufshilfe bezahlen,

oder Haushaltshilfen engagieren, die ihnen etwa beim Putzen der Wohnung helfen oder beschwerliche Hausarbeiten wie die Gardinenwäsche übernehmen.

das Grundproblem ist doch aber offensichtlich, dass Einstufung in PG 1 und tatsächliche (oder gefühlte) Betreuungsbedürftigkeit stark abweichen, jedenfalls nach Ansicht der betreuenden Mutter und nach Ansicht von „schlumpfine“.

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Danke für deine Rückmeldung.
Hab gerade etwas dazu eingestellt, was mit dem „Entlastungsbetrag“ von 125 € z.B. bezahlt werden kann.

Hi allnetflat,

‚Kurzzeitpflege‘ bzw. ‚Verhinderungspflege‘ gibt es leider erst ab Pflegegrad 2. Somit fällt das in diesem Fall aus.

Ich habe gerade die Krankenkasse angerufen und nach der kostenlosen Beratung vor Ort für Pflegepersonen gefragt. Ich bin 3x verbunden worden. KK konnte mir nichts dazu sagen.

danke für den Tipp

Wo kann ich die bestimmten Aktivitäten nachlesen?

Ok, dann fordere ich das Gutachten an. Bis wann muss der Widerspruch gestellt werden?

Wegen 0,75 Punkten ist echt ärgerlich. Wenn ich entscheiden müsste, würde ich das so bewerten, dass der behinderte Mensch und seine Familie diese 0,75 Punkte bekommen würde.

OK, Pflegestützpunkt. Danke für den Tipp.

Der Tipp mit der Ambulanz einer psych. Klinik ist gut, danke.

hallo duck313 und hallo an alle,

das sind also die Leistungen, die über die 125.- Euro beglichen werden können. Danke.
Ja, ich denke, dass die Einstufung in PG1 etwas schwach ist.
Ich werde mir das Gutachten vom MDK bestellen und zum Pflege-Stützpunkt gehen. Ich hoffe, die Leute dort können den Käs interpretieren und mir klar darstellen, wo es hackt.

Es ist doch nichts neues, dass Geld gern auch mal zweckentfremdet verwendet wird. Und es handelt sich hierbei ja nicht um Geld, das für den normalen Lebensunterhalt ausgegeben werden kann, sondern um ganz spezielle Dinge. Und wie das in D nunmal so ist: geglaubt wird nur, was als Papier vorliegt. Also: Dinge gemäß Erlaubnisliste beschaffen/beauftragen/machenlassen, Quittung besorgen, einreichen, Geld bekommen. Keine Quittung oder Quittung für falsche Maßnahme gibt kein Geld.

Erfährt man alles durch die kostenlose Beratung vor Ort. Und noch weit mehr. Nutzt diese Beratung!
Gruß
anf

-
ich habe mal hier das Merkblatt der AOK-Hessen - da ist es gut erklärt.
Gruss
Czauderna

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Hallo,ach ja, die Frage nach dem Widerspruch hatte ich vergessen - von wann ist denn das Gutachten - wenn schon mehr als ein Monat vergangen sind und der Bescheid über Pflegegrad 1 eine Rechtsbehelfsbelehrung beinhaltete, was eigentlich selbstverständlich sein sollte, dann hilft nur noch ein Höherstufungsantrag, was aber auch bedeutet, dass es dauern wird und dass, wenn nun der Pflegegrad II zugebilligt wird, dieser erst ab Antragsdatum gelten würde.
Gruss
Czauderna