Hallo Thomas,
wie immer, nicht einfach die Aufgabe, die Du mir stellst, mal schauen, wie ich damit zurecht komme.
ich fasse einmal beide Fragen zusammen:
Welche Theorien es zum Begriff „Theorie“ gibt, ist mir auch
wohl bekannt, aber was ist sie vom Wesen wirklich?
und
Der logische Ausgangspunkt dazu ist ja nichts anderes als die
„Urfrage“: Was bin ich in dieser Welt?
Beide Fragen sind mehrdeutig, und da liegt das Problem.
Ich meine nicht, daß hier á priori eine Mehrdeutigkeit vorliegt, sondern, daß man leicht dazu neigt, eine solche hinein zu interpretieren. Das deshalb, weil noch keine Denkrichtung diesen kausalen Zusammenhang als den zentralen logischen Denkansatz (wieder) aufgegriffen hat.
Wenn man vereinfacht, wird er m.E. ohnedies sofort einsichtig.
Wäre ich z.B. der einzige Mensch irgend wo, dann wäre meine erste Frage, „was und wo bin ich?“ (verbal oder non-verbal).
Und die Antwort(en), welche ich mir selber nur geben könnte, wären Vermutungen, = „Theorien“.
Was heißt, daß alle „Theorien“ sich nur aus dieser ursprünglich einzigen ableiten können.
Gleichzeitig ergäbe sich dann aber auch, daß man eine eigene, so entwickelte Theorie nie selber als auch richtig verifizieren kann. Man ist dafür immer von jemandem anderen abhängig, der sie als richtig oder falsch bestätigt. Das aber mit solchen erklärenden Mitteln, welche eben aus der dann subjektiven Sicht zur Nachvollziehbarkeit von richtig oder nicht richtig führen.
Das bloße Gegenüberstellen einer anderen „Theorie“ zur gleichen Fragestellung führt weder zum Einen noch zum Anderen, sondern nur zum Konflikt.
Beispiel: Wenn mir jemand im Zusammenhang mit der Tatsache meiner eigenen Existenz erklärt (die Theorie vorsetzt), daß mein Gehirn denken würde, dann kann ich diese Erklärung mit subjektiven Mitteln nie als richtig nachvollziehen. Die Erklärung steht dann nur dauerhaft anderen Theorien gegenüber, ohne eine Frage zu verifizieren oder zu falsifizieren.
Was ich damit darstellen wollte, ist letztlich wieder nichts anderes, als daß jede beliebige bekannte Theorie aus der Frage nach dem eigenen existenziellen Grund hervor geht (gegangen ist), diese daher nach wie vor den zentralen Denkansatz für alles darstellt.
Eine Theorie im normalen Sinne ist eine zusammenhängende
Anzahl von Sätzen. Fragt man aber nach dem „Wesen“ oder nach
ihrem „wirklichen“ Sein, dann meint man in der Regel so etwas
wie eine „Schau“ im Sinne einer Erkenntnis. Solche
Schau-Erkenntnisse haben eine eigene Problematik.
Haben sie m.E. eben nur dann, wenn man sie nicht mehr im Zusammenhang mit der Ausgangsfrage erkennt, nämlich der nach dem eigenen existenziellen Grund.
Ebenso ist die Ichfrage doppeldeutig. Du kannst danach fragen,
wer du bist, wie du bist, was du bist etc. - und je nach
Fragestellung bekommst du andere Ergebnisse, weil du eben
andere Aspekte eines Zusammenhang abfragst.
Dazu meine ich, daß sie per se nicht mehrdeutig sondern sogar eineindeutig ist. Mehrdeutig wird sie ja erst dadurch, daß man die eineindeutige Frage „was bin ich?“ mit den Fragestellungen „wie“, „wer“ etc. in eigentlich unzulässiger Weise zu vermischen beginnt.
Nun vermute ich, dass du den Zusammenhang gleich an den Anfang
stellen möchtest, und das ist eben eine solche - wie ich es
oben nannte - Schau-Erkenntnis. Solche Schau-Erkenntnis muss
nicht immer - falls du mir den Gag erlaubst - eine
Schauer-Kenntnis sein, aber in der Regel sind solche
Erkenntnisse wenig Wert, weil man sie nicht vermitteln kann,
und der Grund dafür liegt darin, dass man ja „schaut“ und
nicht begründet (in diesem Fall hätte man nämlich wieder eine
Theorie, die nur einen Aspekt betrifft).
Das wäre dann richtig, wenn man von der Annahme ausgeht, man selber wäre alleine in der Lage, sich selber auf der grundlage der eigenen Wahrnehmungsmöglichkeiten den eigenen existenziellen Grund zu erklären.
Das verneine ich aber, das ist nicht möglich.
Jede beliebige subjektive Wahrnehmung (Fragestellung dazu) kann hinsichtlich ihrer Bedeutung nur im kommunikativen Austausch mit einem anderen Menschen als das erfaßt werden, was sie wirklich ist.
Die subjektive Wahrnehmung z.B., daß man Laute artikulieren kann, führt alleine noch nicht dazu, daß man auch sprechen kann.
Ebenso, wenn man die Zahlen kennt, kann man deshalb noch lange nicht Mathematik.
Jedes beliebige Verstehen zu jeder beliebigen Frage ist daher von einem anderen Menschen abhängig. Das ist eine absolute Bedingung, die damit natürlich auch in Bezug auf die Wahrnehmung der eigenen Existenz in dieser Welt gültig ist, ja sein muß.
Logisch ist dazu natürlich, daß man subjektive Wahrnehmungen auf diese Weise dann sowohl falsch als auch richtig durch einen anderen Menschen festgelegt bekommen kann, ohne daß man dann selber in der Lage wäre, diese unterscheidende Feststellung zu treffen. Dafür wäre man wieder von einem anderen abhängig.
Nun kann es dazu aber eben nur eine einzige Erklärung geben,
welche dann auch richtig ist.
Das scheint mir nicht richtig zu sein. Welchen Grund würdest
du denn für diese Theorie anführen?
Na ja, die subjektive Erfahrung. Du kennst, so wie ich und viele andere ja auch, alle Theorien (Erklärungen) dazu. Aus den „Religionen“, den „Wissenschaften“ oder den obskursten Richtungen.
Welche davon konntest Du mit Deinen subjektiven Möglichkeiten und auf Dich selber bezogen so nachvollziehen, daß Du sie als auf Dich bezogen auch als richtig verifizieren konntest?
Ich nehme die Antwort vorweg: keine!
Bitte jetzt aber nicht sagen: Ich „glaube“, daß…
Daher muß es eine andere sein. Mit der Betonung auf: „eine“!
Denn zwei verschiedene können es nicht sein, dies würde dann ja Schizophrenie darstellen.
Das wäre dann keine „Theorie“.
Genau. Wenn es nur eine einzige richtige Antwort gäbe, wäre es
keine Theorie im Sinne einer Hypothese mehr, sondern eine
Tatsache. Solche Tatsachen kommen unendlich oft vor, aber
immer im Bereich des Empirischen, und die sprachliche
Darstellung solcher Tatsachen ist mehr oder weniger genau,
aber nie ganz exakt.
Damit kommt nun der Aspekt in´s Spiel, daß man, um eine Erklärung (Theorie) auf sich selber bezogen nicht mehr als „Hypothese“ sondern als richtig verifizieren (feststellen) zu können, sich mit dem Vertreter dieser Erklärung auseinander setzen muß. Man muß also selber auch etwas tun und nicht nur da sitzen und zuhören (s. Mathematik, z.B.).
Und das ist die Hürde, die sich keiner antun will und was letztlich dann dazu führt, daß man sagt: Du hast mir das nicht so erklären können, daß ich es verstanden habe, daher ist das, was Du sagst, falsch.
Wenn ich jetzt mich selber her nehme, dann mußte ich mich auch darauf einlassen, neben Chemie auch Medizin, Physik, Psychologie zumindest in Teilstudien zu absolvieren, um feststellen zu können, daß ich keine der dortigen Theorien in Bezug auf meinen existenziellen Grund als richtig nachvollziehen kann. Und nur deshalb kann ich jetzt aber auch subjektiv unterscheiden, wenn jemand Erklärungen (Theorien) in Diskussionen einbringt.
Das aber nur dann nicht, wenn in ihr auch das Angebot für
jemanden anderen enthalten ist, sie mit den eigenen
subjektiven Möglichkeiten auch als richtig zu verifizieren.
Das meinte ich u. a. damit, als ich schrieb, dass
Schau-Erlebnisse eine eigene Problematik haben. Sie sind nicht
kommunizierbar.
Da bin ich gegenteiliger Meinung. Jede subjektive Wahrnehmung ist kommunizierbar, die Antwort (Erklärung dafür), welche man darauf von jemandem anderen bekommt, kann dann lediglich richtig oder falsch sein.
Man kann sie mit Schmerzen vergleichen: Ich
kann mir zwar vorstellen, dass meine Schmerzen so ähnlich
sind, wie die eines anderen, aber wissen kann ich es nicht,
nämlich weil ich Schmerz nicht ausdrücken kann. Und selbst
wenn der Reiz des Schmerzes genauso messbar wäre wie etwa die
Lichtfrequenz der Farbe Weiß, bedeutet das immer noch nicht,
dass ich auf den gleichen Schmerzreiz genauso empfindlich
reagieren muss wie andere, sondern da gibt es Bandbreiten.
Hier versuche ich wieder zu verkürzen. Diese Problemstellung ist nur deshalb scheinbar eine, wenn die Voraussetzung, nämlich das richtige Selbstverständnis, nicht gegeben ist.
Liegt diese Voraussetzung aber vor, stellt sich die Frage als Problem gar nicht mehr.
Du siehst, jede Frage beginnt eigentlich immer dort.
Wird diese Logik aber außer Acht gelassen und versucht, diese
Frage auf andere Weise beantworten zu wollen, ist jeder
beliebige solcher Erklärungsversuch bereits per se falsch.
Nein, denn die versuchten Antworten in Theorien sind ja nicht
subjektiv, sondern sie beziehen sich nur auf einen Aspekt.
Damit aber sind sie für diesen Aspekt möglicherweise richtig.
Dadurch dass sie nicht für die Ganzheit zutreffen, sind sie
aber noch nicht falsch, sondern man muss immer das Umfeld, für
das sie gelten, mitdenken.
Nicht was den Aspekt „was bin ich?“ betrifft. Und ob dazu eine Erklärung möglicherweise richtig oder nicht richtig ist, ist eben erst dann subjektiv feststellbar, wenn man selber aktiv die Verifizierung oder Falsifizierung betreibt. Eine Erklärung (Theorie) nur zu besprechen (zu diskutieren) führt nicht dazu, egal, welche Frage zur Diskussion steht.
Es muß zuerst eine Annahme
sprachlich formuliert werden. Z.B.: Ich vermute, das
„Universum“ ist aus einem „Urknall“ entstanden, was in
weiterer Folge dann angeblich dazu geführt hätte, daß nach
einer ebenfalls theoretisch vermuteten Entwicklung auch ich
entstanden wäre.
Das ist dann eine „Theorie“.
Im Prinzip ja, nur funktioniert es beim Urknall nicht so,
sondern anders herum. Man findet Aspekte, die sich durch die
Urknallhypothese insgesamt ganz gut erklären lassen und nur
weniges, was der These widerspricht. Nicht der Urknall ist die
Tatsache, sondern die vielen einzelnen Aspekte der
Wirklichkeit, die sich mit diesem Modell besser erklären
lassen als mit einem anderen.
Die „Urknall“-Theorie, aus einer Unterdisziplin der Physik gibt ja vor, damit meinen wirklichen existenziellen Grund (die „Wirklichkeit“) erklären zu wollen. Und egal, was an Nebentheorien daraus hervorgeht und verschiedene Aspekte betrifft, diese Frage beantwortet sie mir nicht so, daß ich sagen könnte, sie wäre richtig.
Weil jede solche aber negiert, daß es nur eine einzige
Erklärung dieser Frage geben kann, die bereits existiert, kann
sie á priori nicht richtig sein und daher auch nie (als
richtig) „bewiesen“ werden.
Nein, auch das ist nicht richtig. Denn erstens bleibt die oben
schon gestellte Frage, warum es nur eine einzige Erklärung
geben sollte.
Wie früher schon gesagt, wenn es um die Frage „ich?“ geht und ich diese auf mich selber bezogen hinterfrage, kann es nicht zwei verschiedene geben.
Zweitens bedeutet der Nachweis, dass etwas
prinzipiell nicht als letztendlich gültig bewiesen werden
kann, noch nicht, dass das Ergebnis falsch sein muss, sondern
nur, dass man damit rechnen muss, dass sie eventuell falsch
ist.
Oder es bedeutet, daß jemand zwar die Erklärungen kennt und zitieren kann, sich aber nicht darauf eingelassen hat, aktiv, d.h. im methodischen Vergleich zu sich selber, verifizieren zu wollen, ob sie richtig oder falsch ist.
So, das war lang, aber eine interessante Aufgabe, die Du mir da gestellt hast.
Trotzdem muß ich auch hier noch einmal einer möglichen Fehlinterpretation vorbeugen.
Mein zentrales Anliegen ist es nicht, die Existenz der Theorien der Kritik zu unterwerfen. Das ist schon schwer in Ordnung, daß diese alle hervor gebracht wurden.
Was ich der Kritik unterwerfe, ist die Tatsache, daß die Theorien die „Gesetzesgrundlage“ bilden.
Denn dieser historische Unfug, an dem natürlich aber trotzdem niemand „Schuld“ ist, sollte lieber früher als später zuerst als solcher erkannt und dann langsam endlich bereinigt werden.
Denn dieses Faktum ist es, auf das ich letztlich hinaus will, weil es den alleinigen Grund für sämtliche inner- und zwischengesellschaftlichen Konflikte darstellt. Krieg, Mord, Selbstmord und was es noch an täglichen Nachrichten gibt.
Grüße
Gert