Bewegungsfreundliche Schule kontra Schulsport

Sport ist Mord!

Hallo,

Da hier so viele Sportlehrer versammelt sind, erzähle ich mal, was mich früher am Sportunterricht gestört hat. Ich bin überhaupt nicht gegen Schulsport, denke aber, unsere Sportlehrer waren ziemlich unfähig. Es wurde nichts erklärt, es wurde nirgendwo langsam an irgendetwas herangeführt, es wurden Unterschiede zwischen Schülern nicht beachtet.

Die Noten waren übrigens ok, schlechter als 3-4 wurde nicht vergeben (und das war über die ganze Zeit hinweg meine Notenspanne). Ich gehörte eindeutig zu den schlechtesten in Sport, obwohl ich heute keineswegs unsportlich bin. Ich bin jetzt 40, mache Ju-Jutsu im Verein (mal sehen, wie lange noch), fahre mit dem Rad zur Arbeit, gehe schwimmen und Schlittschuhlaufen, das hat sich allerdings erst Jahre nach der Schule herausgebildet. Die Schule hatte mich erstmal vom Sport weggebracht und mir vermittelt, ich sei völlig unsportlich. Wobei wir als Kinder immer Gummitwist und Seilspringen gespielt hatten, da war ich gut, aber das zählte offiziell irgendwie nicht als Sport.

Die Probleme: ich war die jüngste und gleichzeitig die grösste der Klasse, etwas ungeschickt und eher ängstlich (obwohl wir sehr wohl draussen auf den Feldern und sogar im Wald spielen durften, es waren die 70er Jahre auf dem Dorf). Ich war damals aber eher eine Leseratte mit schlechter Körperhaltung, die schon mal die Treppe herunterfiel, sich trampelig bewegte und sogar einige nervöse Ticks (wie Arme hochwerfen oder so) entwickelte - hat sich im Nachhinein alles gegeben. Also nicht die besten Voraussetzungen - aber sind die Lehrer nicht gerade für solche Schüler da und könnten wertvolle Anleitungen geben?

Thema Leichtathletik: Wie gesagt wurde nichts erklärt. Zum 50-Meterlauf stand man (bei den damaligen Klassenstärken) eine halbe Stunde bei nicht sehr warmen Wetter auf dem Hof und wartete bis man dran war. Dann lief man, die Lehrerein rief schneller, schneller, schneller und stoppte die Zeit - ich war soweit ich mich erinnere immer bei meinen 12-13 Sekunden, wo es höchstens 10 hätten sein sollen, aber keine Ahnung damals woran das lag und wie es zu ändern gewesen wäre. Kein Lehrer hat je Lauftechniken erklärt, dass man z.B. eher kleine als grosse Schritte machen sollte, etc. Ich weiss noch, dass ich immer versuchte, möglichst grosse zu machen (da ich ja sehr gross war). Selbst das Warmmachen vor dem Training habe ich erst im Verein gelernt.
Thema Werfen: Beim Kugelstossen wurde es später etwas besser, aber die kleinen Kartoffelbällchen von 20g (oder so) warf ich unter 10 m weit. Wenn ich von unten nach oben hätte werfen dürfen, wäre es etwas weiter geworden. Aber die Rolle des Lehrers beschränkte sich mal wieder darauf zu sagen: Von oben nach unten und dann zu messen. Viel später hat mein Mann mir gezeigt, wie man aus der Schulter wirft und nicht aus dem Ellenbogen und dann ging es plötzlich. Heute kann ich sogar Steine auf dem Wasser springen lassen und das wäre sicher auch damals gegangen, wenn mir mal ein Lehrer die TECHNIK erklärt hätte.

Thema Geräteturnen: Da ich wie gesagt die grösste in der Klasse war, würde ich heute sagen, dass die Geräte nicht auf mich eingestellt waren, insbesondere der Stufenbarren. Vor dem Stufenbarren hatte ich wirklich Horror, da konnte ich allerdings einige Sachen verweigern. Beim Unterschwung hatte ich Angst mit dem Kreuz auf den unteren Holm zu knallen, beim Aufschwung (oder wie das heisst) am oberen Holm, hatte ich Angst mit dem Kopf an den unteren Holm zu kanllen. Kein Lehrer hat mich je gefragt, wovor ich Angst hatte (das hätte ich durchaus erklären können). Ich war halt als ängstlich und unsportlich bekannt.
Bodenturnen: Es wurde halt gesagt: Schlagt ein Rad; ich wusste nicht, wie man ein Rad schlägt. Nur vom Zusehen weiss ich noch lange nicht, wie ich selbst das machen muss. Beim Handstand hatte ich natürlich Angst, nach vorne überzukippen (selbst mit Hilfestellung), usw.

Irgendwann in der Obertufe kam ein Fitnesstest dazu, wo man immer 30 Sekunden lang Medinzinbälle gegen Wände werfen musste, Bahnen laufen, etc. Da war ich ganz gut, denn an meiner Fitness lagen die ganzen Probleme natürlich nicht. (Ich war wie gesagt immer die lange dünne). Aber der grosse Gag kommt noch: Eines von den vielen Disziplinen dabei war Seilspringen und das konnte ich von zuhause her. Beim Seilspringen schafte ich in den 30 Sekunden immer an die 80 Punkte (wo bei allen Disziplinen ca. 20 Punkte normal waren) und lag damit bei Spitzenwerten. Im Fitnesstest hatte ich immer eine Eins, war sogar weit über der normalen Skala - hat aber auch nie mal ein Lehrer nachgefragt. Immerhin hatte ich hier mal Erfolgserlebnisse, wenn auch unter falschen Vorzeichen.

Es hat auch nie mal ein Lehrer gefragt, welche Spiele wir zuhause machen, ob wir uns gerne bewegen, ob wir wissen, wofür das wichtig ist, etc. Wovor wir Angst haben und warum, welchen Sport wir mögen und welchen nicht. Und, wie ich gar nicht genug betonen kann: es wurde niemals etwas erklärt (nicht einmal die Bedeutung von Warmmachen vor dem Sport!). Es hiess nur „macht mal“ und wurde dann gemessen oder gezählt. Das ist der falsche Ansatz! Vielleicht waren unsere Lehrer nur besonders schlecht, vielleicht hat sich die Ausbildung seitdem verbessert, ich weiss es nicht. Aber ich könnte mir vorstellen, dass meine Beschreibung für Sportlehrer interessant sein könnte und würde mich über Rückmeldungen freuen (gerade, da mir Sport heute durchaus am Herzen liegt und es mich selbst inteerssiert, was damals alles schiefgegangen ist).

Mit vielen Grüssen, Walkuerax

P.S. Und ich bin nicht die einzige, gerade vor einigen Monaten habe ich mich mit einigen Freundinnen darüber ausgetauscht, alle hatten sie ähnlich Erlebnisse zu berichten.