Hallo Tim,
Ja, aber diese „zulässigen Regeln“ für die Umformung fallen ja
auch nicht vom Himmel.
Wie beweist man denn, dass diese Regeln zulässig sind.
Das wäre meine Frage nur anders formuliert.
selbstverständlich kann man die Bruchrechenregeln beweisen. Sie folgen außer aus der Definition des mathematischen Konstrukts Bruch aus den Grundgesetzen der Addition und Multiplikation rationaler Zahlen (Erläuterung dazu weiter unten) nämlich dem
Kommutativgesetz der Multiplikation:
a · b = b · a [KG/M]
Assoziativgesetz der Multiplikation:
a · (b · c) = (a · b) · c [AG/M]
Distributivgesetz:
a · (b + c) = a · b + a · c [DG]
Deseiteren ist auch die Addition kommutativ und assoziativ, d. h. es gilt a + b = b + a [KG/A] sowie a + (b + c) = (a + b) + c [AG/A], aber diese beiden Gesetze werden zum Beweis der Bruchrechenregeln nicht benötigt.
Nun noch zur Definition „Bruch“:
Der durch das Symbol „p/q“ dargestellte Bruch ist die (bis auf den Fall q = 0) stets existierende und eindeutige Lösung der Gleichung q · x = p. Dabei wird stets q ≠ 0 vorausgesetzt (notwendig, da sonst Konflikt mit dem „eindeutig bestimmt“).
Aus der Bruchdefinition folgt unmittelbar die Identität
q · p/q = p [
]
für alle q ≠ 0, und als Sonderfall davon ist
q · 1/q = 1 [
1]
für alle q ≠ 0.
Damit sind die Vorbereitungen abgeschlossen. Aus den obigen Regeln ergibt sich zwingend, wie man die Bruchsumme a/b + c/d und das Bruchprodukt a/b · c/d auszurechnen hat.
Zunächst jedoch ein Hilfsbeweis:
p · 1/q
1 = (q · p/q) · 1/q
2 = (p/q · q) · 1/q
3 = p/q · (q · 1/q)
4 = p/q · 1
5 = p/q
Mit folgenden Begründungen: 1 gilt wegen [♦], 2 gilt wegen [KG/M],
3 gilt wegen [AG/M], 4 gilt wegen [♦1], 5 ist klar.
1 p
Ergebnis: p · --- = --- [H]
q q
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Und nun ans Eingemachte – zuerst die Bruchsumme, dann das Bruchprodukt.
a/b + c/d
1 = (a/b + c/d) · 1
2 = (a/b + c/d) · ((b · d) · 1/(b · d))
3 = ((a/b + c/d) · (b · d)) · 1/(b · d)
4 = (((a/b · (b · d)) + (c/d) · (b · d)) · ...
5 = (((a/b · (b · d)) + (c/d) · (d · b)) · ...
6 = ((((a/b · b) · d) + ((c/d) · d) · b)) · ...
7 = ((a · d) + (c · b)) · 1/(b · d)
8 = ((a · d) + (b · c)) / (b · d)
Mit den folgenden Begründungen: 1 klar, 2 gilt wegen [♦1], 3 gilt
wegen [AG/M], 4 gilt wegen [DG], 5 gilt wegen [KG/M], 6 gilt wegen
[AG/M], 7 gilt wegen [♦], 8 gilt wegen [H].
a c a·d + b·c
Ergebnis: --- + --- = -----------
b d b·d
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
a/b · c/d
1 = (a/b · c/d) · 1
2 = (a/b · c/d) · ((b · d) · 1/(b · d))
3 = ((a/b · c/d) · (b · d)) · 1/(b · d)
4 = ((a/b · c/d) · (d · b)) · ...
5 = (a/b · (c/d · (d · b))) · ...
6 = (a/b · ((c/d · d) · b)) · ...
7 = (a/b · (c · b)) · ...
8 = (a/b · (b · c)) · ...
9 = ((a/b · b) · c) · ...
10 = (a·c) · 1/(b·d)
11 = (a·c)/(b·d)
Mit folgenden Begründungen: 1 klar; 2 gilt wegen [♦1]; 3 gilt wegen
[AG/M], 4 gilt wegen [KG/M], 5 gilt wegen [AG/M], 6 gilt wegen [AG/M],
7 gilt wegen [♦], 8 gilt wegen [KG/M], 9 gilt wegen [AG/M], 10 gilt
wegen [♦], 11 gilt wegen [H].
a c a·c
Ergebnis: --- · --- = -----
b d b·d
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Bliebe noch die Frage nach der Rechtfertigung der Kommutativ-, Assoziativ- sowie des Distributivgesetzes. Dazu kann man nur sagen, dass deren Gültigkeit unmittelbar einsichtig ist und sie somit als Axiome der Grundrechenarten Addition und Multiplikation anzusehen sind.
„Unmittelbar einsichtig“? Nun, ob Du zuerst einen 5-Euro-Schein in die Bezahlschale legst, und dann einen 20-Euro-Schein dazu, oder zuerst den Zwanni und dann den Fünfi, das ist dem Ladenbesitzer herzlich egal, denn Du hast in beiden Fällen die Rechnung über 25 Euro beglichen. Ergebnis: Das [KG/A] ist richtig für ganze Euros und es gilt auch für „rationale Euros“, denn wenn man zwei Artikel mit „rationalen“ Preisen, z. B. 8.98 Euro und 0.55 Euro, auf dem Band an der Supermarktkasse vertauscht, dann ändert sich (leider) auch nichts an der Summe.
Geht der Ladenbesitzer zur Bank, um zum Auffüllen seiner Kasse eine Schachtel mit 8 Rollen zu je 25 Euro zu holen, ist es ihm egal, ob der Bankangestellte sie ihm „quer“ oder „längs“ aushändigt. In dem ersten Fall bekommt er jedoch 8 · 25 Euro, im zweiten dagegen 25 · 8 Euro. Wen kümmerts? Klar, dass es in beiden Fällen 200 Euro sind. Das bedeutet aber nichts anderes, als dass [KG/M] gilt.
Die anderen Gesetze sind ebenso plausibel. Um ein rechteckiges Stück Kuchen zu wiegen, das zu groß für die Waage ist, schneidet man es (parallel zu einer Seite) irgendwo durch. Logisch, dass die beiden Teilstücke zusammen soviel wiegen wie das Stück vor dem Zerschneiden. Das ist aber eine Veranschaulichung des [DG]! Vor dem Zerschneiden hat der Kuchen die Breite a + b, die Tiefe c, und somit den Flächeninhalt (a + b) · c. Danach wiegt man aber zwei Stücke mit den Abmessungen a · c bzw. b · c. Also ist es gleichgültig, ob man (a + b) · c oder a · c + b · c wiegt, und weil man den Kuchen an einer beliebigen Position durchschneiden kann, muss das [DG] nicht nur für ganze, sondern auch für rationale Zahlen gelten.
Zur Plausibilität der übrigen Gesetze darf sich der interessierte Leser selbst was überlegen.
Die Formeln der Bruchrechenregeln sind also deshalb so, wie sie sind, weil genau diese mit den Grundregeln der Addition und Multiplikation, nämlich [KG/M], [AG/M] und [DG] verträglich sind.
Gruß und schönes WE
Martin