Bewertung eines künstlerischen Fundus bei Betriebsaufgabe

Liebe Steuer-Rater,

folgendes Szenario: Ein Bildhauer muss 85-jährig wegen Demenz seine Kunst an den Nagel hängen.

Er hat bereits in den letzten Jahren seines aktiven Wirkens die Ausstattung seines Ateliers stark verringert, es ist in diesem Zusammenhang nichts mehr da, dem ein sichtbarer Verkehrswert beizulegen wäre.

Was da ist, ist sein (durch ihn selbst im Alter um etwa ein Drittel weniger wichtiger Arbeiten reduziertes) Lebenswerk in Gestalt eines großen Fundus von Gipsmodellen für Bronzeskulpturen - die Güsse hat er jeweils von Fall zu Fall ad hoc anfertigen lassen.

Seine Tochter, die kraft Generalvollmacht seine steuerlichen Angelegenheiten in die Reihe bringen möchte, steht jetzt vor der Frage, wie sich dieser Fundus für die Aufgabebilanz bewerten lässt: Die Modelle selbst werden auf dem Kunstmarkt nicht gehandelt, sondern bloß die fertig gegossenen und ggf. nachgearbeiteten Bronzen, die man mit diesen Modellen gießen kann. Es gibt also keinen eigentlichen Verkehrswert für die Modelle.

Man kann sie deswegen aber auch nicht ohne Wert lassen, weil es ohne sie keine Bronzeskulpturen gäbe.

Und zu allem kommt noch, dass zum Zeitpunkt der Betriebsaufgabe völlig ungewiss ist, ob später und in Zukunft noch irgendetwas aus dem Fundus gegossen werden wird.

Das einzige, was konkret bekannt ist, ist das Ziel „maximal 45.000 minus Anstandsabschlag“, das im Hintergrund im Raum steht. Aber das darf beim Bewerten ja eigentlich nicht interessieren.

Wer weiss, wie man das angehen kann und woher man da einen gemeinen Wert kriegen soll?

Über Hinweise und Vorschläge freut sich

MM

Hallo Martin!

…Fundus von Gipsmodellen für Bronzeskulpturen
Man kann sie deswegen aber auch nicht ohne Wert lassen, weil
es ohne sie keine Bronzeskulpturen gäbe.

Die Bronzeskulpturen darf man aber nur als Rechteinhaber fertigen. Warum nicht unbewertet lassen? Für eine Bewertung stellt sich nur die Frage, ob sich für die Gipsmodelle ein Käufer finden lässt. Wenn nein, haben die Modelle nur den Materialwert von ausgehärtetem Gips, also Null. Sollte jemand anderer Meinung sein, müsste er dafür Anhaltspunkte nennen können. Als Kaufmann, der nicht weiß, ob sich ein Lagerbestand jemals verwerten lässt, würde man schon aus Gründen kaufmännischer Vorsicht wenn überhaupt nur einen sehr niedrigen Wert ansetzen, letztlich zur Vermeidung von Diskussionen mit dem FA.

Als Erbe würde ich gründlich überlegen, bevor ich die Gipsformen entsorge, schließlich erbt man auch die Urheberrechte an den Skulpturen. Wenn die Skulpturen Käufer fanden, wird man dafür vermutlich auch weiterhin Käufer finden. Als Rechteinhaber darf man die Skulpturen anfertigen (lassen). Darf aber kein anderer. Schon von daher verbietet sich der Verkauf. Möglicherweise schlummert da ein Schatz! Aber das ist zum aktuellen Zeitpunkt sicher kein Thema, das man unbedingt mit dem FA diskutieren muss.

Gruß
Wolfgang

Hallo Wolfgang,

Die Bronzeskulpturen darf man aber nur als Rechteinhaber fertigen. Warum nicht unbewertet lassen?

die Gipsmodelle sind hier auch eine Art „materielle Träger“ der Nutzungsrechte und erhalten dadurch einen Wert - ungefähr so, wie eine dünne Vinylscheibe dadurch einen Wert erhielt, dass Eberhard Webers „Colours of Chloe“ darauf gepresst wurde. Das behütet immerhin davor, die Nutzungsrechte noch abstrakt bewerten zu müssen: Das führte sicher zu völlig abstrusen Gebilden.

Für eine Bewertung stellt sich nur die Frage, ob sich für die Gipsmodelle ein Käufer finden lässt.

Solche ganz punktuellen Märkte sind für Kunstgegenstände typisch, und das ist hier der Knackpunkt: Wenn man den Fundus jetzt öffentlich anböte (das soll im gegebenen Exempel nicht passieren, weil das Ganze im künstlerfreundlichen Bundesland NRW stattfände, wo es Möglichkeiten gäbe, den künstlerischen Nachlass unterzubringen, selbst wenn das Atelier selbst veräußert werden müsste, um Pflegekosten oder Heimunterbringung zu finanzieren) und innerhalb von z.B. einem halben Jahr für keines der einzelnen Stücke einen Käufer fände, ließe sich daraus nicht ableiten, dass es auch innerhalb eines Zeitraums von z.B. zehn Jahren keinen gäbe.

Wenn keine Verkehrswerte aus Verkäufen vergleichbarer Gegenstände vorliegen, liefe eine sachgerechte Schätzung über einen Ertragswert: Verkehrswert einer Skulptur (bestimmt anhand zurückliegender Verkäufe) minus Kosten des Gusses (Material, Transport, Gießerei) mal Wahrscheinlichkeit, dass künftig zu einem der Gipsmodelle noch eine Anzahl n von Güssen gefertigt werden wird. Wegen des letzten Elements „Wahrscheinlichkeit, dass künftig … wird“ ist das aber nur formal eine brauchbare Methode, und tatsächlich scheitert sie daran, dass diese Wahrscheinlichkeit auch nicht grob schätzbar, sondern objektiv nicht zu ermitteln ist.

Als Kaufmann, der nicht weiß, ob sich ein Lagerbestand jemals verwerten lässt, würde man schon aus Gründen kaufmännischer Vorsicht wenn überhaupt nur einen sehr niedrigen Wert ansetzen,

Ja, das ist der alte Kampf „HGB gegen EStG“: Der Kaufmann unterliegt dem strengen Niederstwertprinzip und darf sich bei so einer Bewertung keinesfalls „reich rechnen“. Für ihn als Steuerpflichtigen gilt aber das Gegenteil: Er darf sich nicht ohne guten Grund „arm rechnen“, weil dadurch steuerpflichtige Einkünfte „weggerechnet“ würden.

letztlich zur Vermeidung von Diskussionen mit dem FA.

solle im gegebenen Beispiel die ganze Aktion dienen: Unter Nutzung des taktischen Vorteils des Angreifers solle das Ritual der Aufgabebilanz möglichst formgerecht und plausibel erfüllt werden, um Zuschätzungen von der „finsteren Seite der Macht“ allenfalls mit ebenfalls formgerechter und plausibler Begründung zu ermöglichen. Dass sich die ganze Chose ohne allzu große Anstrengung im Rahmen des Freibetrags von 45.000 € bei Betriebsaufgabe bewegen werde, sei wahrscheinlich - zwei Schätzungen für zurückliegende ESt-Jahrgänge, wegen derer die im Beispiel eingeführte Tochter überhaupt den Kram in die Hände kriegte, seien so angelegt gewesen, dass „pro forma“ noch ESt in Höhe von zwischen zwanzig und fünfzig € festzusetzen blieb: Man sähe daran, dass der Sachbearbeiter dort wahrscheinlich gerne und ohne großes Aufheben das Buch zu machen würde.

Bloß bis hin sollten eben die Rituale eingehalten werden, so wie er es auch getan hätte, als er die Besteuerungsgrundlagen geschätzt hat.

Möglicherweise schlummert da ein Schatz!

Noja, die wichtigsten Sachen stünden schon an verschiedenen Orten im öffentlichen Raum; der Rest müsse vermutlich wie die allermeiste Kunst erst die ersten hundert Jahre überstehen, bis er wieder Wertschätzung erführe - aber das geht jetzt zu sehr in Richtung eines konkreten Einzelfalls. Man könnte ja noch eine Deutschland-Quiz-Frage dranhängen: „An welchem Rathausturm in Deutschland ist eine Statue von Karl Marx in Anlehnung an die Heiligendarstellungen bei gotischen Kirchen zu sehen?“ - man würde bei dieser Frage spontan nicht grade auf die katholischste der _west_deutschen Großstädte verfallen…

Aber das ist zum aktuellen Zeitpunkt sicher kein Thema, das man unbedingt mit dem FA diskutieren muss.

Ebent - Ziel sei hier ein Durchmarsch auf den ersten Anlauf ohne Haken und Ösen, und zeitnah zum Ende der aktiven Tätigkeit, damit der Aufgabe-Freibetrag nicht verloren ginge.

Mit Deiner Antwort und dieser Replik nimmt das Thema jetzt ein wenig Gestalt an - auf die formale Darstellung als Ertragswert wäre ich spontan nicht gekommen, weil sie im Ergebnis völlig beliebig ist. Aber ich glaube, das ist die Richtung, um die es hier geht. Dank Dir für den indirekten Anstupser.

Schöne Grüße

MM

Hallo,

mal ein paar Anregungen:

  1. Normalerweise werden von entsprechenden Werken ja fixe Auflagen hergestellt, die nummeriert und signiert werden. Viele Künstler vernichten danach die Formen ohnehin, um den Wert der in der Auflage hergestellten Werke nicht durch Nachgüsse zu verwässern. Wurde hier in Auflagen geplant, oder sollten die Formen beliebig oft eingesetzt werden?

  2. Wer Formen nicht vernichtet und Nachgüsse selbst durchführt/durchführen lässt, bewegt sich bei den Werten der Nachgüsse jenseits der ursprünglichen Auflage schon mal deutlich unter deren Wert. Und was nach dem Tode des Künstlers hergestellt wird, geht noch mal deutlich weiter runter. D.h. was dann abgesehen von Materialwert und Aufwand noch rum kommt, ist eher zu vernachlässigen, wenn man nicht gerade von Serienproduktion von Kleinstplastik spricht, die es dann wieder über die Menge bringt.

  3. Eine Form ist jenseits der Auflage nicht beliebig oft einsetzbar. Sie leidet bei jedem Guss, und wird irgendwann vollkommen unbrauchbar. Für Serienproduktionen werden daher auch nicht die Originalformen, sondern Abformungen verwendet. D.h. je häufiger die Form schon verwendet wurde, um so geringer die Möglichkeit diese tatsächlich noch weiter wirtschaftlich zu nutzen.

  4. Kunst unterliegt vollkommen unabsehbaren Entwicklungen. Die steuerliche Betrachtung kann aber keine Glaskugel ersetzen und muss auch nicht über die potentielle Wertentwicklung von Jahrhunderten Vorhersagen treffen. D.h. wenn in den vergangenen Jahren nur noch wenige Einzelstücke angefertigt und verkauft wurden, dann mag es zwar sein, dass eine solche Form in 50 Jahren plötzlich wieder gefragt ist. Absehbar/vorhersagbar ist dies aber nicht. Daher reicht es die letzten Jahre heranzuziehen, wenn nicht ganz konkret absehbare Effekte in den nächsten Jahren eine Rolle spielen (Sieht man sich mal an, wie der Playmobil-Luther gerade boomt, kann man sich vorstellen, dass auch eine Luther-Kleinstplastik aktuell ein Bringer sein könnte).

Insoweit würde ich da schon sehr deutlich mit den Werten runter gehen.

Gruß vom Wiz, dem es in der Seele weh tut, dass z.B. der Nachlass einer in den 80er Jahren noch recht hoch gehandelten Freundin inzwischen in einem Keller verstaubt und eigentlich nichts mehr wert ist (bis vielleicht irgendwann einmal dieser Stil wieder eine Blüte erleben könnte), und der jedes greifbare Werk für ein paar Hunderter heute erwirbt, wenn es mal in Auktionen oder bei ebay auftaucht.

gude,

ich würde es drauf ankommen lassen und dem FA eine null servieren. der käuferkreis scheint extrem beschränkt zu sein und mir stellt sich die frage, ob überhaupt ein anderer künstler mit den formen arbeiten würde bzw. ob die güsse überhaupt noch veräußerbar wären.

würde in die richtung argumentieren, dass auch keiner mehr ne form für einen kotflügel vom hundeknochen-escort braucht.

die dinger stehen doch ohnehin nicht im anlagenverzeichnis (?), von daher wird die empörung beim FA in grenzen bleiben.

evtl. könnte man sich ja auch über einen offenen bescheid einigen und wenn tatsächlich ein veräußerungserlös entsteht später, kann man immer noch ändern.

gruß inder

Ähm…was ist denn mit dem guten alten Anschaffungskostenprinzip? Seit wann wird eine Steuerbilanz mit Verkehrswerten erstellt??

Bewertung von Entnahmen zum gemeinen Wert
Servus,

wenn Dir § 16 Abs 4 EStG noch nicht begegnet ist, schadet das nicht weiter - Betriebsaufgabe ist ein Spezialthema. Trotzdem sollte das Stichwort „Stille Reserven“ bei allen steuerlichen Bilanzierungs- und Bewertungsfragen immer ein wenig im Hintergrund mitklingen.

§ 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG gehört aber wie der ganze Sechser zu den Grundlagen - den solltest Du auch dann herbeten können, wenn man Dich nachts um halbviere weckt und danach fragt.

Schöne Grüße

MM

Salü,

das Interesse des StPfl geht hier halt eher in die Richtung, dass der Bescheid nicht offen bleibt, damit eben einmal die „Zusammenballung“ dargestellt und der Freibetrag genutzt werden kann und dann hinterher nichts mehr nachtropft. Von daher ist es auch wichtig, dass der in der Aufgabebilanz dargestellte Wert der ins PV überführten Wirtschaftsgüter sichtbar höher ist als der der vereinzelten Erlöse, die es bisher noch gibt (500 - 1.000 € p.a.).

Gerade beim Überschussrechner führt Betriebsaufgabe ohne „greifbare“ Aufgabebilanz leicht dazu, dass sich jemand beim FA mit dem Thema vergnügt und dann dieser den „taktischen Vorteil des Angreifers hat“, sprich selbst die Vorgehensweise festlegen kann, während der Ball jetzt grade noch beim StPfl liegt.

Mir kommt es inzwischen so vor, als sei es passend, eine schöne urschriftliche Bestandsaufnahme zu belegen und die darin aufgeführten Wirtschaftsgüter zuerst relativ hoch anzusetzen und dann über viele konkrete Einzelschritte auf einen noch deutlich sichtbaren (wg. „Zusammenballung“), aber eben zur Sicherheit wegen zeitlichem Abstand zur aktiven Tätigkeit deutlich unter dem 16 IV - Freibetrag liegenden Wert abzuwerten, und das Ganze Elaborat dann gleich ungefragt mit der Steuererklärung vorzulegen.

Ungefähr so, wie man bei schriftlichen Prüfungen Substanz durch Masse ersetzen kann: „Sehr fleißig - die Frau hat sich Gedanken gemacht!“

Schöne Grüße

MM

Hallo Wiz,

Wurde hier in Auflagen geplant, oder sollten die Formen beliebig oft eingesetzt werden?

im gegebenen Beispiel sei es so gewesen, dass einzelne Güsse (fast ausschließlich von kleineren Formaten) ad hoc gefertigt wurden. Es seien bei den Nachkommen und deren Gatten auch Leute, die die Technik beherrschen und Wege kennen, Gipsmodelle so zu behandeln, dass diese noch über wenige Jahrzehnte ohne besonders klimatisierten Lagerraum für Güsse tauglich bereitgehalten werden können. Die Zahl von Güssen, die man von einem Gipsmodell machen kann, bleibt dabei dennoch technisch eng beschränkt - je nach Form liegt das Maximum in der Gegend von fünf, wenn ich es recht weiß.

Die Abschläge für „Nachguss ohne nummerierte Auflage“ und „Nachguss post mortem“ sähen in einer entsprechenden Bewertung des Inventars sicher gut aus, weil sie den Anschein erwecken, es sei ein sachkundiger Spezialist am Werk gewesen.

  1. Die steuerliche Betrachtung kann aber keine Glaskugel ersetzen und muss auch nicht über die potentielle Wertentwicklung von Jahrhunderten Vorhersagen treffen.

Die Crux der Bewerterei liegt hier wie auch sonst, wo es keine aussagekräftigen Marktpreise gibt, darin, dass sie einen nicht erreichbaren Grad von Objektivität vorgeben muss. Ich schätze, es genügt allen Beteiligten, wenn man hier die Rituale einhält; das Ergebnis unterm Strich liegt jetzt schon so gut wie fest - „Festzusetzende Einkommensteuer 0,00 €“, aber der Weg zu dieser Zahl sollte gefällig zurechtgedrechselt werden.

Sieht man sich mal an, wie der Playmobil-Luther gerade boomt

Im gegebenen Beispiel sei angenommen, dass das Lebenswerk in rebus lutheranis bereits erfüllt sei, ungefähr mit sowas - es geht die Rede, der gut katholische Schöpfer dieser Kanzel habe noch lange Zeit später feixend erzählt, wie es ihm gelungen ist, mit den zwei alttestamentarischen Motiven „Stab Aarons“ und „Mose schlägt mit seinem Stab Wasser aus dem Felsen“ in einem lutherischen Dom einen Hirtenstab unterzubringen; ich schätze, Armin Kraft hat über dieses Schelmenstücklein im Stillen genauso geschmunzelt.

Insoweit würde ich da schon sehr deutlich mit den Werten runter gehen.

Ja, das ist sicher sinnvoll. Und es gibt jetzt auch einen ganzen Thread von Ideen, wie man da die einzelnen Abwertungsschritte benennen kann.

Schönen Dank - schöne Grüße

MM