Beziehung: Hindenburg-Hitler

Hallo zusammen,
wie war die Beziehung zwischen Hindenburg und Hitler? Grund der Frage ist dass ich es früher immer so verstanden habe, dass Hindenburg alles andere als ein Freund Hitlers war. Nun habe ich vor kurzem eine Doku gesehen in der das ganz anders rüberkam. Hindenburg sollte demnach alles ander als ein Demokrtat gewesen sein und sehr daran interessiert die Demokratie wieder abzuschaffen. Ich weiß nicht mehr welche Doku das war, erinnere mich aber an die ‚ungeliebten Wahlkabinen‘ wie Hindenburg sie bezeichnet haben soll. Das würde irgendwie im krassen Gegensatz zu all dem stehen dass ich im Geschichtsunterricht gelernt habe. Da habe ich es immer so verstanden als das Hindenburg Hitler nur die nötigsten Zugeständnisse gemacht haben soll. Wer weiß mehr?

Lg Chris

Hallo,
es gab vor, während und nach der Diktatur der Nationalsozialisten eine Menge Antidemokraten, Antisemiten und Militaristen, die Hitler nicht mochten. Vor der sog. ‚Machtergreifung‘ waren das vor allem die alten Eliten, die meinten, Hitler und die NsDAP benutzen zu können - ansonsten verachteten sie die Nazis als asoziales Proletengesindel, das in dem verkrachten Postkartenmaler und kleinem Gefreiten Hitler einen typischen Repräsentanten und Wortführer gefunden hatte. Dazu gehörten Hindenburg aber auch Leute, die auf den letzten Drücker (Juli 44) dann noch schnell zu ‚Widerständlern‘ mutierten - wie Gorderler, der uns glücklicherweise erspart blieb.

Einen interessanten Blickwinkel auf Hindenburg, der etwas von der bequemen Legende abweicht, Hindenburg habe Hitler aus reiner Senilität zum Kanzler gemacht, gibt Wolfram Pytas Hindenburg-Biografie (Taschenbuchausgabe ISBN 3570550796 Buch anschauen). Interview dazu hier: http://www.welt.de/kultur/article1534449/Der-Reichsp…

Freundliche Grüße,
Ralf

P.S.: Schön, dass hier tatsächlich auch noch Leute Fragen stellen, die die Grundregeln höflichen Miteinanders (wie z.B. grüßen) beherrschen. Da antwortet man auch gerne.

Hallo Ralf,
danke für Deine Antwort. Alles gut nachvollziehbar. Habe mir auch mal das Interview durchgelesen. Eine Frage bleibt aber dennoch: Wie demokratisch war Hindenburg? Nach all dem was ich über die Weimarer Republik weiß, blockierte sich die Demokratie damals selber. Der Großteil der Deutschen dürften zu der Zeit wohl das Vertrauen in die Demokratie verloren haben, falls sie es denn jemals hatten. Aber wie stand Hindenburg dazu? War er gewillt die Demokratie aufrecht zu erhalten? Sicher hat er am Ende nachgegeben. Aber wie bereitwillig hat er das getan?
PS: Warum haben Sie ‚Machtergreifung’ in Tütelchen gesetzt? Und wer ist dieser Gorderler, zu dem findet man bei google nichts.

Lg Chris

Hallo

Und wer ist dieser Gorderler, zu dem findet man bei google nichts.

Der hieß Goerdeler, Carl Friedrich. Zu dem findet man was.

Viele Grüße

1 Like

Hallo

Dazu gehörten Hindenburg aber auch Leute, die auf den letzten Drücker (Juli 44) dann noch schnell zu ‚Widerständlern‘ mutierten - wie Gorderler, der uns glücklicherweise erspart blieb.

Besser als das damals aktuelle Regierungsoberhaupt muss er aber doch gewesen sein. - Und von Juli 44 bis Mai 45 ist ja auch noch sehr sehr viel kaputt gegangen.

Viele Grüße

Danke

Hallo Chris,

zunächst dazu:

PS: Warum haben Sie ‚Machtergreifung’ in Tütelchen gesetzt?

‚Machtergreifung‘ ist Nazijargon - mit diesem Wort sollte suggeriert werden, dass die Nazis in einer ‚nationalen Revolution‘ die Macht erobert hatten. An dieser Fiktion hat man auch nach dem Krieg gerne festgehalten, sie ließ die alten Eliten so schön unschuldig aussehen.

In Wirklichkeit haben die Nazis die Macht nicht ergriffen, sie wurde ihnen in die Hände gelegt.

Und wer ist dieser Gorderler, zu dem findet man bei google
nichts.

Go e rdeler - den hatten die Möchtegern-Militärputschisten als Nachfolger Adolf Hitlers im Amt des Reichskanzlers ausgekuckt.

Eine Frage bleibt aber
dennoch: Wie demokratisch war Hindenburg?

Er respektierte den Buchstaben der Verfassung, nicht jedoch ihren Geist. Freilich gab ihm als Reichspräsident die Verfassung auch solch umfassende Machtbefugnisse, dass er es nicht nötig hatte, sie zu brechen.

Nach all dem was ich
über die Weimarer Republik weiß, blockierte sich die
Demokratie damals selber.

Nein. Die Rechtskonservativen „blockierten“ die Demokratie, weil sie auf keinen Fall eine Regierungsbeteiligung der SPD (der mit Abstand stärksten demokratischen Partei) wollten und stattdessen lieber den erklärten Demokratiefeind Hitler zum Reichskanzler machten.

Der Großteil der Deutschen dürften
zu der Zeit wohl das Vertrauen in die Demokratie verloren
haben, falls sie es denn jemals hatten.

Nun - im November 1932 wählte genau die Hälfte antidemokratische Parteien (16,9% KPD, 33,1% NsDAP). Das war der Höhepunkt der Legitimationskrise der Demokratie, danach war die Tendenz schon wieder rückläufig zumal auch die Wirtschaftskrise überwunden war und eine ökonomische Besserung eintrat - die sich dann die Nazis gutschrieben.

Aber wie stand
Hindenburg dazu? War er gewillt die Demokratie aufrecht zu
erhalten? Sicher hat er am Ende nachgegeben. Aber wie
bereitwillig hat er das getan?

Gezwungen hat ihn niemand. Auch die Verhältnisse haben ihn nicht dazu gezwungen, Hitler zum Reichskanzler zu machen. Das war eben nicht"alternativlos".

Hindenburg war Monarchist; er verstand sich selbst als Statthalter der Hohenzollern. In seinem politischen Testament vom 11.05.1934 zitiert er sein „Vermächtnis an das deutsche Volk“ , das er bereits in seinem 1919 erschienenen Buch „Aus meinem Leben“ veröffentlicht hatte:

„Gegenwärtig hat eine Sturmflut wilder politischer Leidenschaften und tönender Redensarten unsere ganze frühere staatliche Auffassung unter sich begraben, anscheinend alle heiligen Überlieferungen vernichtet. Aber diese Flut wird sich wieder verlaufen. Dann wird aus dem ewig bewegten Meere völkischen Lebens jener Felsen wieder auftauchen, an dem sich einst die Hoffnung unserer Väter geklammert hat und auf dem fast vor einem halben Jahrhundert durch unsere Kraft des Vaterlandes Zukunft vertrauensvoll begründet wurde: das deutsche Kaisertum!“

An dieser Auffassung hielt er also bis zu seinem Tod fest. Dass mit der „Sturmflut wilder politischer Leidenschaften und tönender Redensarten“ selbstverständlich nicht die Nazis gemeint waren, sondern Sozialdemokraten und Kommunisten, zeigt die Fortsetzung seines politischen Testaments:

„Ich begann und führte mein Amt in dem Bewußtsein, daß in der inneren und äußeren Politik eine entsagungsvolle Vorbereitungszeit notwendig war. Von der Osterbotschaft des Jahres 1925 an, in der ich die Nation zu Gottesfurcht und sozialer Gerechtigkeit, zu innerem Frieden und zur politischen Sauberkeit aufrief, bin ich nicht müde geworden, die innere Einheit des Volkes und die Selbstbesinnung auf seine besten Eigenschaften zu fördern. Dabei war mir bewußt, daß das Staatsgrundgesetz und die Regierungsform , welche die Nation sich in der Stunde großer Not und innerer Schwäche gegeben, nicht den wahren Bedürfnissen und Eigenschaften unseres Volkes entspreche.“

Hier spricht er noch deutlicher seine Geringschätzung der demokratischen Verfassung, von „Staatsgrundgesetz und […] Regierungsform“ aus, die nach seiner Auffassung „nicht den wahren Bedürfnissen und Eigenschaften unseres Volkes“ entspricht. Der Weg zurück zur Monarchie sollte über „die innere Einheit des Volkes und die Selbstbesinnung auf seine besten Eigenschaften“ erfolgen - und genau dies war die Hoffnung, die er in Adolf Hitler setzte. Dass dieser über die Schaffung einer Volksgemeinschaft - selbstverständlich mit nicht nur autoritären, sondern ausgesprochen brutalen Methoden - den Weg zu einer Wiederherstellung des Kaiserreiches ebnen würde.

„Ich danke der Vorsehung, daß sie mich an meinem Lebensabend die Stunde der Wiedererstarkung hat erleben lassen. […] Mein Kanzler Adolf Hitler und seine Bewegung haben zu dem großen Ziele, das deutsche Volk über alle Standes- und Klassenunterschiede zur inneren Einheit zusammenzuführen, einen entscheidenden Schritt von historischer Tragweite getan. […] Ich scheide von meinem deutschen Volk in der festen Hoffnung, daß das, was ich im Jahre 1919 ersehnte, und was in langsamer Reife zu dem 30. Januar 1933 führte, zu voller Entfaltung und Vollendung der geschichtlichen Sendung unseres Volkes reifen wird.“

So kam es dann ja auch …

Deutlich klarer, was die Zukunft bringen würde, sah ein ehemaliger Verbündeter Hitlers - davor Stellvertreter und Erster Generalquartiermeister Hindenburgs und in der Endphase des 1. Weltkriegs de-facto-Diktator Deutschlands, nämlich Generalmajor a.D. Erich Ludendorff. Nach Hitlers Ernennung zum Reichskanzler schrieb er Hindenburg:

„Sie haben durch die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler unser heiliges deutsches Vaterland einem der größten Demagogen aller Zeiten ausgeliefert. ich prophezeie ihnen feierlich, daß dieser unselige Mann unser Reich in den Abgrund stürzen und unsere Nation in unfßbares Elend bringen wird. Kommende Geschlechter werden Sie wegen dieser Handlung im Grabe verfluchen.“

Freundliche Grüße,
Ralf

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Hallo Ralf

Deutlich klarer, was die Zukunft bringen würde, sah ein
ehemaliger Verbündeter Hitlers - davor Stellvertreter und
Erster Generalquartiermeister Hindenburgs und in der Endphase
des 1. Weltkriegs de-facto-Diktator Deutschlands, nämlich
Generalmajor a.D. Erich Ludendorff. Nach Hitlers Ernennung zum
Reichskanzler schrieb er Hindenburg:

„Sie haben durch die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler unser
heiliges deutsches Vaterland einem der größten Demagogen aller
Zeiten ausgeliefert. ich prophezeie ihnen feierlich, daß
dieser unselige Mann unser Reich in den Abgrund stürzen und
unsere Nation in unfßbares Elend bringen wird. Kommende
Geschlechter werden Sie wegen dieser Handlung im Grabe
verfluchen.“

Dazu muss man aber wissen, dass nach dem gescheiterten Münchner Putsch und der beiderseitigen Erkenntnis, dass der jeweils andere sich nicht wie geplant als Steigbügelhalter hergeben würde, Ludendorff und Hitler sich mit herzlicher Abneigung begegneten. Ich würde mich jetzt nicht zu werten trauen, ob Ludendorff tatsächlich so weitsichtig war oder ob seine Prophezeiung nicht eher ein aus Hass geborener Zufallstreffer war.

Gruß
Hardey

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Hallo Hardey,

Ich würde mich jetzt nicht zu werten
trauen, ob Ludendorff tatsächlich so weitsichtig war oder ob
seine Prophezeiung nicht eher ein aus Hass geborener
Zufallstreffer war.

ich halte Ludendorff weder für besonders weitsichtig noch seine Prophezeiung für einen Zufallstreffer. Ähnliches konnte man nach Hitlers Ernennung im sozialdemokratischen ‚Vorwärts‘ lesen, aber auch in ‚Der Deutsche‘, der Tageszeitung des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Erstaunlich ist eher, dass so Viele die erwartbaren Konsequenzen nicht sahen (oder sehen wollten).

Es ging mir mit dem Verweis auf Ludendorff vorwiegend um ein Missverständnis des UP, das hier deutlich wurde:

Grund der Frage ist dass ich es früher immer so verstanden habe, dass Hindenburg alles andere als ein Freund Hitlers war. Nun habe ich vor kurzem eine Doku gesehen in der das ganz anders rüberkam. Hindenburg sollte demnach alles ander als ein Demokrtat gewesen sein und sehr daran interessiert die Demokratie wieder abzuschaffen.

Nicht jeder, der ein Feind Hitlers und kein Kommunist war, war deswegen schon ein Demokrat. Hindenburg nicht und Ludendorff schon mal gar nicht.

Freundliche Grüße,
Ralf

Nicht jeder, der ein Feind Hitlers und kein Kommunist war, war
deswegen schon ein Demokrat. Hindenburg nicht und Ludendorff
schon mal gar nicht.

Genausowenig wie jeder, der kein Demokrat war, deswegen schon ein Befürworter Hitlers und seiner Ideologie war… Das ist so ein Fehler, den manche der heutigen Betrachter gerne machen und nicht bedenken, daß das Spektrum von „konservativ“ über „deutschnational“ bis „Nazi“ doch ziemlich breit gefächert ist.

Hallo

danke für Deine Antwort. Alles gut nachvollziehbar. Habe mir
auch mal das Interview durchgelesen. Eine Frage bleibt aber
dennoch: Wie demokratisch war Hindenburg? Nach all dem was ich
über die Weimarer Republik weiß, blockierte sich die
Demokratie damals selber. Der Großteil der Deutschen dürften
zu der Zeit wohl das Vertrauen in die Demokratie verloren
haben, falls sie es denn jemals hatten. Aber wie stand
Hindenburg dazu? War er gewillt die Demokratie aufrecht zu
erhalten? Sicher hat er am Ende nachgegeben. Aber wie
bereitwillig hat er das getan?

Hindenburg war sicherlich eher Monarchist. Er sah sich wohl als eine Art Reichsstatthalter, bis sich ein Hohenzollernprinz inthronisieren lässt. Aber gerade deshalb konnte er sich für einen Volkstribun wie Hitler kaum erwärmen.

Gruß
smalbop

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Danke für die umfassene Antwort. Echt top!

Lg Chris