Hallo Chris,
zunächst dazu:
PS: Warum haben Sie ‚Machtergreifung’ in Tütelchen gesetzt?
‚Machtergreifung‘ ist Nazijargon - mit diesem Wort sollte suggeriert werden, dass die Nazis in einer ‚nationalen Revolution‘ die Macht erobert hatten. An dieser Fiktion hat man auch nach dem Krieg gerne festgehalten, sie ließ die alten Eliten so schön unschuldig aussehen.
In Wirklichkeit haben die Nazis die Macht nicht ergriffen, sie wurde ihnen in die Hände gelegt.
Und wer ist dieser Gorderler, zu dem findet man bei google
nichts.
Go e rdeler - den hatten die Möchtegern-Militärputschisten als Nachfolger Adolf Hitlers im Amt des Reichskanzlers ausgekuckt.
Eine Frage bleibt aber
dennoch: Wie demokratisch war Hindenburg?
Er respektierte den Buchstaben der Verfassung, nicht jedoch ihren Geist. Freilich gab ihm als Reichspräsident die Verfassung auch solch umfassende Machtbefugnisse, dass er es nicht nötig hatte, sie zu brechen.
Nach all dem was ich
über die Weimarer Republik weiß, blockierte sich die
Demokratie damals selber.
Nein. Die Rechtskonservativen „blockierten“ die Demokratie, weil sie auf keinen Fall eine Regierungsbeteiligung der SPD (der mit Abstand stärksten demokratischen Partei) wollten und stattdessen lieber den erklärten Demokratiefeind Hitler zum Reichskanzler machten.
Der Großteil der Deutschen dürften
zu der Zeit wohl das Vertrauen in die Demokratie verloren
haben, falls sie es denn jemals hatten.
Nun - im November 1932 wählte genau die Hälfte antidemokratische Parteien (16,9% KPD, 33,1% NsDAP). Das war der Höhepunkt der Legitimationskrise der Demokratie, danach war die Tendenz schon wieder rückläufig zumal auch die Wirtschaftskrise überwunden war und eine ökonomische Besserung eintrat - die sich dann die Nazis gutschrieben.
Aber wie stand
Hindenburg dazu? War er gewillt die Demokratie aufrecht zu
erhalten? Sicher hat er am Ende nachgegeben. Aber wie
bereitwillig hat er das getan?
Gezwungen hat ihn niemand. Auch die Verhältnisse haben ihn nicht dazu gezwungen, Hitler zum Reichskanzler zu machen. Das war eben nicht"alternativlos".
Hindenburg war Monarchist; er verstand sich selbst als Statthalter der Hohenzollern. In seinem politischen Testament vom 11.05.1934 zitiert er sein „Vermächtnis an das deutsche Volk“ , das er bereits in seinem 1919 erschienenen Buch „Aus meinem Leben“ veröffentlicht hatte:
„Gegenwärtig hat eine Sturmflut wilder politischer Leidenschaften und tönender Redensarten unsere ganze frühere staatliche Auffassung unter sich begraben, anscheinend alle heiligen Überlieferungen vernichtet. Aber diese Flut wird sich wieder verlaufen. Dann wird aus dem ewig bewegten Meere völkischen Lebens jener Felsen wieder auftauchen, an dem sich einst die Hoffnung unserer Väter geklammert hat und auf dem fast vor einem halben Jahrhundert durch unsere Kraft des Vaterlandes Zukunft vertrauensvoll begründet wurde: das deutsche Kaisertum!“
An dieser Auffassung hielt er also bis zu seinem Tod fest. Dass mit der „Sturmflut wilder politischer Leidenschaften und tönender Redensarten“ selbstverständlich nicht die Nazis gemeint waren, sondern Sozialdemokraten und Kommunisten, zeigt die Fortsetzung seines politischen Testaments:
„Ich begann und führte mein Amt in dem Bewußtsein, daß in der inneren und äußeren Politik eine entsagungsvolle Vorbereitungszeit notwendig war. Von der Osterbotschaft des Jahres 1925 an, in der ich die Nation zu Gottesfurcht und sozialer Gerechtigkeit, zu innerem Frieden und zur politischen Sauberkeit aufrief, bin ich nicht müde geworden, die innere Einheit des Volkes und die Selbstbesinnung auf seine besten Eigenschaften zu fördern. Dabei war mir bewußt, daß das Staatsgrundgesetz und die Regierungsform , welche die Nation sich in der Stunde großer Not und innerer Schwäche gegeben, nicht den wahren Bedürfnissen und Eigenschaften unseres Volkes entspreche.“
Hier spricht er noch deutlicher seine Geringschätzung der demokratischen Verfassung, von „Staatsgrundgesetz und […] Regierungsform“ aus, die nach seiner Auffassung „nicht den wahren Bedürfnissen und Eigenschaften unseres Volkes“ entspricht. Der Weg zurück zur Monarchie sollte über „die innere Einheit des Volkes und die Selbstbesinnung auf seine besten Eigenschaften“ erfolgen - und genau dies war die Hoffnung, die er in Adolf Hitler setzte. Dass dieser über die Schaffung einer Volksgemeinschaft - selbstverständlich mit nicht nur autoritären, sondern ausgesprochen brutalen Methoden - den Weg zu einer Wiederherstellung des Kaiserreiches ebnen würde.
„Ich danke der Vorsehung, daß sie mich an meinem Lebensabend die Stunde der Wiedererstarkung hat erleben lassen. […] Mein Kanzler Adolf Hitler und seine Bewegung haben zu dem großen Ziele, das deutsche Volk über alle Standes- und Klassenunterschiede zur inneren Einheit zusammenzuführen, einen entscheidenden Schritt von historischer Tragweite getan. […] Ich scheide von meinem deutschen Volk in der festen Hoffnung, daß das, was ich im Jahre 1919 ersehnte, und was in langsamer Reife zu dem 30. Januar 1933 führte, zu voller Entfaltung und Vollendung der geschichtlichen Sendung unseres Volkes reifen wird.“
So kam es dann ja auch …
Deutlich klarer, was die Zukunft bringen würde, sah ein ehemaliger Verbündeter Hitlers - davor Stellvertreter und Erster Generalquartiermeister Hindenburgs und in der Endphase des 1. Weltkriegs de-facto-Diktator Deutschlands, nämlich Generalmajor a.D. Erich Ludendorff. Nach Hitlers Ernennung zum Reichskanzler schrieb er Hindenburg:
„Sie haben durch die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler unser heiliges deutsches Vaterland einem der größten Demagogen aller Zeiten ausgeliefert. ich prophezeie ihnen feierlich, daß dieser unselige Mann unser Reich in den Abgrund stürzen und unsere Nation in unfßbares Elend bringen wird. Kommende Geschlechter werden Sie wegen dieser Handlung im Grabe verfluchen.“
Freundliche Grüße,
Ralf