Hallo,
in unserer Gegend (Umgebung von Bamberg) ist es üblich in den Sommermonaten (i.d.R. ab 1. Mai), „auf den Keller“ zu gehen, um sein Bier zu trinken.
Es handelt sich hierbei um die Lagerkeller der bei uns sehr zahlreichen Brauereien, die einen angeschlossenen Ausschank haben und räumlich auch getrennt von der zugehörigen Brauerei liegen, nämlich meist am Ortsrand oder außerhalb des Ortes. Man sitzt üblicherweise im Freien unter alten, hohen Bäumen, überdachte Sitzplätze sind zwar meist vorhanden, jedoch in der Unterzahl und schlechtem Wetter vorbehalten.
So ein Bierkeller ist jedoch nicht mit einem Biergarten zu verwechseln, weil letzterer keine vorhandene oder ehemalige Brauerei voraussetzt, für die er die Lagerfunktion erfüllt/e und oft nicht viel mehr ist als die Freischankfläche auf dem Gehsteig vor einem Gasthaus.
Meine Frage ist nun: Wo in Süddeutschland gab oder gibt es diese Sitte noch und und wie sagt man dazu (z.B. Bierkeller, Felsenkeller, Sommerkeller)?
Vielen Dank im Voraus für Eure Antworten
lg
W.
Servus,
in Biberach/Riss liegen die Keller an den Flanken des Gigelbergs, auf dem zum Schützenfest der Festplatz eingerichtet ist.
Im 19. Jahrhundert gab es in BC noch mehr davon, heute sind der Schützenkeller, der Schwanenkeller und der Biberkeller noch in Betrieb. Am ehesten entspricht noch der Schwanenkeller dem klassischen Bierkeller; die anderen beiden haben sich nach und nach zu Biergartenwirtschaften mit festen Einrichtungen, Küche etc. entwickelt, der Schützenkeller hat aus der Zeit der Tanzvergnügungen des beginnenden zwanzigsten Jahrhunderts sogar einen Saal.
Auf der anderen Seite der Riss am Talfeld sieht man dem Oberen Haberhäusle heute nicht mehr an, dass es eigentlich auch aus einem Bierkeller gewachsen ist.
Der Schwanenkeller-Blues ist glaube ich noch nicht geschrieben.
Schöne Grüße
Dä Blumepeder
Hallo Blumepeder,
vielen Dank für die schnelle, umfassende und überaus kompetente Antwort. Ich habe ehrlich gesagt gar nicht geglaubt, daß jemand antwortet bzw. weiß worauf ich hinaus will.
lg
W.
So ein Bierkeller ist jedoch nicht mit einem Biergarten zu
verwechseln
Irrtum - das ist exakt die Beschreibung eines tradionellen Münchner Biergartens.
http://de.wikipedia.org/wiki/Biergarten
die Freischankfläche auf dem
Gehsteig vor einem Gasthaus.
Das ist kein Biergarten. Nie und nimmer. Weder im Volksmund, noch nach der Biergartenverordnung. Auch Wirtsgärten - also Freischankflächen von Wirtshäusern auf einem Gartengelände - sind keine Biergärten, auch wenn sie manchmal so genannt werden.
Meine Frage ist nun: Wo in Süddeutschland gab oder gibt es
diese Sitte noch und und wie sagt man dazu (z.B. Bierkeller,
Felsenkeller, Sommerkeller)?
Wie gesagt: Das ist die klassische bayerische Biergartentradition.
Gruß,
Max
Hallo,
genauso wie Du es beschreibst sind vor genau 200 Jahren (+ 1 Woche oder so ähnlich) die ersten bayrischen Biergärten entstanden, sprich von König Max I. genehmigt worden. Übrigens hat der König den Brauereien damals die Ausgabe von Essen verboten (um den Gaststätten nicht zu viel Konkurrenz zu machen). Daraus ist dann die Tradition entstanden dass der Gast seine Brotzeit selber mitbringt - was in einem echten bayrischen Biergarten auch heute noch erlaubt und Usus ist.
Wenn heute ein Gasatwirt ein paar Tische vors Haus stellt ist das eigentlich noch lange kein Biergarten- leider ist aber der Begriff nicht geschützt und wird daher oft genug für alles Mögliche verwendet.
Gruß
Werner
z.Z. München
Hallo Denker,
ein Biergarten, egal nach welcher Definition, setzt eben nicht die Existenz eines Lagerkellers einer Brauerei voraus. Aber ausschließlich darum geht es mir.
Du unterscheidest übrigens zwischen Wirts- und Biergärten, das ist sehr löblich. Der von Dir zitierte Wikipedia-Artikel tut das aber nicht. Deshalb kann er auch nicht als Quelle dienen, um Biergärten und Bierkeller in einen Topf zu werfen, wenn er solche Begriffe nicht sauber abgrenzt.
lg
W.
Hallo,
der von Dir unten beschriebene Zustand heißt im Wienerischen (und - so meine ich - auch im süddeutsch-bayerischen) „Schanigarten“.
Dies einfach deshalb, weil der „Schani“ (das ist der Kellner-Lehrbub) zum Anfang der Zeit mit der angenehmen Temperatur die Kübelpflanzen herauszutragen hatte, die die Schankfläche vor dem Gasthaus begrenzten und dem Gast zumindest die rudimentäre Illusion vermittelten, im Grünen zu sitzen (schön beschrieben u. a. bei Sigi Sommer)…
Herzliche Grüße
Helmut
Hallo,
oft nicht viel mehr ist als die Freischankfläche auf dem
Gehsteig vor einem Gasthaus.
Hallo!
ein Biergarten, egal nach welcher Definition, setzt eben nicht
die Existenz eines Lagerkellers einer Brauerei voraus.
Nun, die ersten Biergärten sind auf den Lagerkellern von Brauerein entstanden, und einige der größten und wichtigsten befinden sich nach wie vor bei den Produktionsanlagen (ehemaliger) Brauereien. Spätere Biergärten entstanden dann in dieser Tradition auch ohne angrenzende Brauerei, das ist richtig.
Du unterscheidest übrigens zwischen Wirts- und Biergärten, das
ist sehr löblich.
Du anscheinend nicht, sonst würdest du nicht „die Freischankfläche auf dem Gehsteig vor einem Gasthaus“ als Biergarten bezeichnen. Das tut schon richtig weh. Das hat aber auch rein gar nichts mit einem Biergarten zu tun.
Der von Dir zitierte Wikipedia-Artikel tut
das aber nicht.
Doch - er weißt sogar im ersten Absatz auf die begrifflichen Unterschiede hin:
=============
Traditionelle Biergärten im Sinne der Biergartenverordnung werden in Bayern vom Gaststättenrecht bezüglich des Lärmschutzes privilegiert. Begründet wird dies mit einer besonderen Bedeutung der Biergärten, weil diese „wichtige soziale und kommunikative Funktionen“ erfüllen würden. Im weiteren Sinn wird der Begriff „Biergarten“ auch generell für gastronomische Einrichtungen im Freien verwendet. In Bayern ist hierfür der Begriff „Wirtsgarten“, in Österreich der Begriff „Gastgarten“ gebräuchlich.
Der restliche Text behandelt dann ausschließlich Biergärten im traditionellen Sinne - wo fehlt dir da die Differenzierung zum Wirtsgarten?
Deshalb kann er auch nicht als Quelle dienen,
um Biergärten und Bierkeller in einen Topf zu werfen, wenn er
solche Begriffe nicht sauber abgrenzt.
Siehe Zitat oben. Er grenzt sogar sehr deutlich ab. Und er schildertz die Geschichte des Biergarten absolut korrekt. Daran ändert sich auch nihts, wenn er dir persönlich als Quelle nicht zusagt. Der traditionelle Biergarten ist in seinem Ursprung das gleiche ist wie der von dir beschriebene Bierkeller. Auch die geschichtlichen Hintergründe von Biergärten und Bierkeller sind die gleichen.
Lertztendlich sind sogar die Gemeinsamkeiten von Biergarten und Bierkellergrößer als die von Biergarten und Wirtsgarten - wenn man aber auch wirklich Biergärten meint und nicht irgendwelche beliebigen Freischankflächen auf Gehsteigen, so wie Du.
Gruß,
Max
Guten Morgen Denker,
mit nicht abgrenzen im Wikipedia-Artikel meine ich, daß zwar am Anfang Biergärten im engeren und im weiteren Sinn definiert werden, im weiteren Verlauf des Textes aber wieder in einen Topf geworfen werden. So z.B. der Biergarten von Kloster Weltenburg, der ja lediglich der gepflasterte Innenhof des Klosters ist und mit der ursprünglichen Definition eines Biergartens wenig zu tun hat.
Im heutigen Sprachgebrauch zählt eben alles, was irgendwie im Freien ist, als Biergarten. Die Freischankfläche auf dem Gehsteig als Biergarten ist ja nicht auf meinem eigenen Mist gewachsen, aber gesehen hab ich das kopfschüttelnderweise schon öfters.
Bei meiner Frage entscheidend sind die Lagerkeller. Wenn ein Biergarten auf oder neben einem solchen errichtet wurde, dann paßt das ja. Ein Biergarten ohne Keller, sei er noch so alt und traditionsreich, fällt nicht unter meine Fragestellung.
lg
W.
Hallo!
So z.B. der Biergarten von Kloster
Weltenburg, der ja lediglich der gepflasterte Innenhof des
Klosters ist
… direkt bei der Klosterbrauerei:
http://www.weltenburger.de/die_weltenburger_biere.htm
Weltenburg dürfte mit ziemlicher Sicherheit ein Biergarten sein, kein Wirtsgarten. Wenn dir dieser Unterschied aber nicht klar ist, wundert es mich nicht, daß Dir das in einen Topf geworfen vorkommt. In dem Text bei Wikipedia geht es ausschließlich um Biergärten, nicht um Wirtsgärten.
Die Freischankfläche auf dem
Gehsteig als Biergarten ist ja nicht auf meinem eigenen Mist
gewachsen
… aber du hast damit angefangen, so etwas als ein Beispiel für einen „Biergarten“ anzuführen. Und das ist nunmal Humbug.
Gruß,
Max
Hallo,
ist Forchheim noch zu nah dran an Deiner Gegend? In Forchheim gibt es einen ganzen Kellerwald: http://www.forchheim.de/content/unser-kellerwald-keller und http://www.fraenkische-schweiz.com/kulinarisch/bier/…
Dann gibt’s noch den Schweizer Keller (Forchheim-Reuth) außerhalb vom Kellerwald. Leider hat er viel von seiner Urigkeit verloren. Vor Jahren war vor der Felsenkellertür ein Tisch und drinnen wurde aus dem Fass gezapft. Auf dem Pappteller konnte man (fantastisch gute) Sülze und deftiges Bauernbrot, bzw. roher Schinken, Pressack usw. mit Brot essen. Jetzt steht dort ein festes Haus mit richtigem Restaurantbetrieb. Mir hat der frühere Kellerbetrieb besser gefallen (obwohl ich kein Bier trinke).
Ach ja, weitere Keller findest z. B. unter http://www.bierkeller.de/index.php?regid=6&kellerid=258
Uff, jetzt hätte ich beinahe den „Berch“ in Erlangen vergessen, zu finden unter Bergkirchweih.
Gruß
Ingrid
Hallo,
also ich kam 1968 nach München. Und damals wurde sehr wohl noch die Unterscheidung zwischen Bierkeller und Biergarten gemacht. Die Bezeichnung „Biergarten“ hat sich erst in den letzten Jahrzehnten durch Zuzug eingebürgert. Aber in München gab es – und gibt es z. T. immer noch – echte Bierkeller (die Keller werden heute zwar nicht mehr benutzt, aber die „Gärten“ sind auf dem Keller der Brauerei).
Bestes und bekanntestes Beispiel ist der Nockherberg, der Bierkeller der Paulaner-Brauerei (wo bald wieder das „Derblecken“ der Politiker stattfindet). Dieser Berg ist eigentlich kein Berg, sondern der Hang vom Isar-Hochufer, wo man einen bequemen horizontalen Zugang zum Keller schaffen konnte. Weitere Keller waren (zwischenzeitlich sind die Brauereiwirtschaften bzw. Brauereien aufgelassen oder fusioniert worden) der Pschorrkeller und der Hackerkeller oberhalb der Wiesn. Noch existent: Augustinerkeller nahe Hbf. und Hofbräukeller an der Inneren Wiener Straße (ebf. am Isar-Hochufer) sowie der Löwenbräukeller.
Ich habe sogar noch den berühmten Bürgerbräukeller erlebt, in dem auf Hitler ein Attentat verübt wurde. Er wurde aber schon ein paar Jahre nach meinem Umzug nach München abgerissen.
Es gibt also noch genügend Bräukeller, auch in meiner Heimat auf der Schwäbischen Alb kenne ich welche. Nur der heutzutage über alle großen Freischankflächen mit Bäumen gestülpte Wischi-Waschi-Begriff „Biergarten“ hat die Unterscheidung verwässert.
Prost!
Bolo2L