Bilanzpolitik im Branchenvergleich

Hallo,
ich bin gerade dabei, eine Seminararbeit über Bilanzpolitik in Deutschland zu schreiben und vergleiche dabei verschiedene Branchen in und die unterschiedlich hohe Intensität im Betreiben von Bilanzpolitik zwischen verschiedenen Branchen. Nun habe ich Unterschiede festgestellt, bspw. dass im „Baugewerbe“ und im „Handel“ überdurchschnittlich viel Bilanzpolitik betrieben wird, hingegen jedoch im „Verarbeitenden Gewerbe“ und in der Branche „Freiberufliche Dienstleistungen“ unterdurchschnittlich viel Bilanzpolitik betrieben wird.
Wichtig ist es für mich nun, herauszufinden, woher diese Unterschiede zwischen den Branchen kommen und was das für Gründe hat. Ich suche bisher jedoch vergeblich nach der Ursache, hat einer von euch dabei mehr Ahnung??

Würde mich über Ideen freuen!!

Liebe Grüße

Servus,

anhand der Struktur der Unternehmensgrößen in den genannten Branchen täte ich mir mal überlegen, wo die Unternehmen sitzen, die überhaupt die entsprechenden Spezialisten im Haus haben.

Andersrum aufgezogen: Ein Durchschnitt über alle Unternehmen einer Branche hat da keine besondere Aussagekraft, weil er verschiedenste Strukturen über einen Kamm schert - unabhängig davon, wie man „Bilanzpolitik“ quantifizieren will, denn nur dann könnte man ihren Umfang messen.

Ein kleines, nicht repräsentatives Beispiel für unterbliebene Bilanzpolitik: Ich habe einige Jahre lang meine Chefin jedes Jahr gebettelt, sie möge die freien Tage „zwischen den Jahren“ am vorletzten Bankarbeitstag des Jahres unterbrechen und alle Zahlungen raushauen, für die die liquiden Mittel reichen, damit die Bilanz per 31.12. nicht überflüssig aufgeblasen ist. Es hat selten damit geklappt, und die Bilanz war daher meistens viel länger als nötig. Der Grund dafür war schlicht, dass die Frau als kaufmännische Leiterin eines kleinen Ingenieurbüros das ganze Jahr lang keulte wie nix Gutes, und auf diese Weise in den wenigen Tagen, die sie zum Verschnaufen hatte, ganz schlicht keinen Bock hatte, in Bergen offener Rechnungen zu wühlen.

Schöne Grüße

Dä Blumepeder

Hallo,

Branchen in und die unterschiedlich hohe Intensität im
Betreiben von Bilanzpolitik zwischen verschiedenen Branchen.

es wäre zu klären, was Du mit Bilanzpolitik meinst. Jedes Unternehmen entscheidet mindestens einmal, wie es die (seltener gewordenen) Wahlrechte ausüben möchte. Bilanzpolitik betreibt also praktisch jeder. Viel relevanter ist, zu welchem Zweck bzw. mit welchem Effekt der Jahresabschluß gestaltet wird.

Nun habe ich Unterschiede festgestellt, bspw. dass im
„Baugewerbe“ und im „Handel“ überdurchschnittlich viel
Bilanzpolitik betrieben wird, hingegen jedoch im
„Verarbeitenden Gewerbe“ und in der Branche „Freiberufliche
Dienstleistungen“ unterdurchschnittlich viel Bilanzpolitik
betrieben wird.

Das kann ich so nicht nachvollziehen - siehe auch oben. Grundsätzlich gilt, daß umso mehr an den Bewertungen herumgeschraubt wird, je mehr es zu bewerten gibt. Das Baugewerbe ist dabei ziemlich weit vorne, weil es da die im Bau befindlichen Projekte zu bewerten gilt.

Das gleiche gilt für das verarbeitende Gewerbe, weil sich da die Frage stellt, wie die erzeugten aber noch nicht verkauften Waren zu bewerten sind.

Weniger Möglichkeiten hat man da im Handel, weil da erworbene Warten 1:1 weiterverkauft werden. Viele Möglichkeiten, sein Ergebnis und die Bilanz zu gestalten hat man da erst einmal nicht.

Prinzipiell wäre es also wichtig zu wissen, was Du eigentlich unter Bilanzpolitik verstehst und was unter „viel“ und „wenig“.

Daß im Handel mehr gestaltet werden soll als bspw. im verarbeitenden Gewerbe kann ich so jedenfalls nicht nachvollziehen.

Gruß
Christian

Ich habe eine Gewinnverteilung, ähnlich dieser auf Seite 7: http://business.illinois.edu/doogar/ACCY493/Sp%2003/…

Da sieht man einen Gewinnsprung beim Nullgewinn, d.h. viele Unternehmen versuchen gerade so in den positiven Gewinnbereich zu kommen, da sie keinen Verlust ausweisen möchten. Dieser Sprung ist in meinen Grafiken in der Baubranche und im Handel eben höher. Warum das jedoch so ist, das weiß ich nicht?! Ich habe übrigens alle mittelständische Unternehmen in Deutschland untersucht, also keine Großunternehmen.

Liebe Grüße

Da sieht man einen Gewinnsprung beim Nullgewinn, d.h. viele
Unternehmen versuchen gerade so in den positiven Gewinnbereich
zu kommen, da sie keinen Verlust ausweisen möchten. Dieser
Sprung ist in meinen Grafiken in der Baubranche und im Handel
eben höher. Warum das jedoch so ist, das weiß ich nicht?!

Mit Bilanzpolitik muß das nicht zwangsläufig etwas zu tun haben. Das kann auch einfach daran liegen, daß die Unternehmen bestimmte Geschäftsvorvälle mit Blick auf die Gewinngestaltung früher oder später buchen.

Bilanzpolitik wirkt in der Regel über einen längeren Zeitraum wie bspw. die Bewertung von langfristigen Fertigungsaufträgen oder fertigen Erzeugnissen. Fallweise (d.h. in einem bestimmten Jahr) kommt Bilanzpolitik zur Gewinngestaltung eher selten vor, weil es auch immer einen Wirtschaftsprüfer gibt, dem man zumindest einen guten Grund nennen muß, warum man an der Bewertung, an den Abschreibungsdauern usw. ausgerechnet im abgelaufenenen Geschäftsjahr etwas ändern mußte.

Gruß
Christian

Hiho,

das wäre eine hübsche Aufgabe in Statistik & Ökonometrie, hier zu rechnen, wie der Anteil von Einmann-GmbHs mit dem Anteil von Unternehmen mit „Beinahe Null Gewinn“ in den einzelnen Branchen korreliert ist.

Als blanke Vermutung könnte die Hypothese schon was taugen, dass es da einen Einfluss gibt. Das ist heute nicht mehr gar so wichtig, aber in nur ein paar Jahre zurückliegenden Zeiten, als thesaurierte Gewinne von Kapitalgesellschaften unter einer enormen Steuerlast ächzten, war es für eine Einmann-GmbH sehr wichtig, die Bezüge des Gesellschafter-Gechäftsführers so zu definieren, dass genau das Ergebnis „Winziger, aber positiver Ertrag“ rauskam.

Hübsch fände ich auch, die Korrelation von „Anteil nicht prüfungspflichtiger Unternehmen“ mit „Anteil von Unternehmen mit beinahe Null Gewinn“ zu rechnen. Das knüpft an Christians Antwort an: In nicht prüfungspflichtigen kleinen und mittleren Unternehmen werden Aufträge in Arbeit üblicherweise grad so bewertet, wie man das für das gewünschte Jahresergebnis braucht. Ersetze im Handel „Aufträge in Arbeit“ durch „Warenbestand“. Wer weder einem WP noch Mitgesellschaftern Rechenschaft schuldig ist, zählt, wiegt und misst, wie ers grade brauchen kann. Steuerliche BP interessiert sich dafür bei Kapitalgesellschaften kaum, weil man von denen im anderen Jahr kriegt, was man im einen nicht holen kann; und Plausibilitätsrechnungen, die beim WP im schlechtesten Fall den Prüfungsvermerk in Frage stellen können, sind für den Betriebsprüfer bloß Indizien, er muss schon mehr als eine rechnerische Analyse in der Hand haben, um da den Hebel anzusetzen.

Ein Unternehmen aus den Freien Berufen kann unter Umständen auch bissel was an Aufträgen in Arbeit ausweisen (z.B. bei Ingenieurleistungen und IT generell), aber das sind im Vergleich harmlose Beträge. Und was man da über gewaltsame Wertberichtigungen frisieren kann, ist kaum der Rede wert.

Schöne Grüße

Dä Blumepeder