Bildung von Perfekt/Komposita

Hallo,

ich habe ein paar Fragen zur deutschen Sprache. Es ist fast etwas peinlich, diese Fragen zu stellen, aber trotzdem:

  1. Es muss ja wohl heißen: „Ich habe mich von ihm hinfahren lassen“ (nicht: „gelassen“) oder „Ich habe mich exmatrikulieren lassen“ (nicht: „gelassen“). Aber sagt man korrekt: „Ich habe ihn rufen hören“ oder „…ihn rufen gehört“? Und: „Sein Chef hat ihn fallen lassen“ oder „…ihn fallen gelassen“?

  2. Gibt es Regeln zur Bildung von Komposita? Warum heißt es z.B. „Storchennest“ aber „Storchbein“ (nicht „Storchenbein“)?

  3. Ist es grammatisch korrekt „jemand anderes Auto“ zu sagen? Und wenn nicht, wie würde man das sonst sagen?

Fragen über Fragen…

Hallo, Jens!

  1. Es muss ja wohl heißen: „Ich habe mich von ihm hinfahren lassen“ (nicht: „gelassen“) oder „Ich habe mich exmatrikulieren lassen“ (nicht: „gelassen“).

Das ist richtig. Und zwar deshalb,weil das Verb „lassen“ als Vollverb und als Modalverb verwendet werden kann.

Als Vollverb hat es die Bedeutung: Ich benutze etwas nicht, nehme es nicht mit, unterlasse es.
Beispiel: Ich lassen den Schirm zu Hause.

Hier heißt das Perfekt: Ich habe den Schirm zu Hause gelassen.

Als Modalverb hat es die Bedeutung: Ich erlaube etwas! oder Jemand anderes tut etwas für mich.

Beispiele: Ich lasse die Kinder im Garten spielen.

oder:

Ich lasse mein Auto reparieren.

Hier lautet das Perfekt - wie bei den anderen Modalverben - entsprechend:

Ich habe die Kinder im Garten spielen lassen.

bzw.

Ich habe mein Auto reparieren lassen.

Aber sagt man korrekt: „Ich habe ihn rufen hören“ oder „…ihn rufen gehört“?

„hören“ ist ein Verb der sinnlichen Wahrnehmung wie „sehen“ auch. Diese werden wie Modalverben konstuiert, also:

Das habe ich kommen sehen.
Ich habe ihn schreien hören.

Ähnlich wird auch „helfen“ konstruiert, wobei allerdings, wenn der Infinitiv erweitert wird, auch ein „zu“ bzw. das Partizip II verwendet werden kann.

Also: Ich habe ihr die Koffer zum Bahnhof tragen geholfen.

Und: „Sein Chef hat ihn fallen lassen“.

Das geht wie oben. Hier könnte man aber auch „gelassen“ verwenden.

  1. Gibt es Regeln zur Bildung von Komposita? Warum heißt es z.B. „Storchennest“ aber „Storchbein“ (nicht „Storchenbein“)?

Es gibt eine gewisse Regularität, aber keine klare Regeln; das kann landschaftlich variieren.

Alle Sonderfälle hier aufzulisten, wäre zu lang. Da musst du bei Gelegenheit eine Grammatik konsultieren.

  1. Ist es grammatisch korrekt „jemand anderes Auto“ zu sagen?

Nein!

Und wenn nicht, wie würde man das sonst sagen?

Das Auto eines anderen.

Gruß Fritz

Hallo Fritz,

wenn dein erster Satz richtig wäre, wäre alles andere richtiger.

Mögen, dürfen, wollen, müssen, sollen, können sind Modalverben. Die anderen, die nur so gebeugt und verwendet werden, sind keine. Also „lassen“ ist kein Modalverb, auch wenn es modal gebraucht wird.

MfG:smile:
René

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Lern endlich lesen!

Das ist richtig. Und zwar deshalb, weil das Verb „lassen“ als Vollverb und als Modalverb verwendet werden kann.

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Hallo, Fritz und Rene!

In keiner gebräuchlichen Grammatik (DUDEN, Helbig/ Buscha, Engel) wird „lassen“ als Modalverb bezeichnet. Die Besonderheit von „lassen“ und Verben wie „(jdn etwas tun) heißen“ besteht darin, dass sie stets eine Infinitivgruppe, also ein zweites Verb im Satzbauplan verlangen. Insofern hat Rene völlig Recht.
Das Verb „lassen“ hat, wie Fritz angeführt hat, unterschiedliche Bedeutungen und damit auch unterschiedliche Konstruktionen. Die für das Partizip II relevante Form „lassen“ gilt für eine bestimmte Bedeutung, die der bestimmter Modalverben entspricht, wie von Fritz erläutert. In jedem Fall ist „lassen“ aber ein Vollverb - mit unterschiedlichen Satzbauplänen. Es wird vielleicht bisweilen w i e ein Modalverb verwendet, rein semantisch gesehen, aber eben nicht a l s Modalverb.

Sorry, dass ich mich schon wieder eingemischt habe.

Gruß, Wolfgang

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Die Besonderheit von „lassen“ und Verben wie „(jdn etwas tun) heißen“ in jeweils einer ihrer Bedeutungen besteht darin, dass sie stets eine Infinitivgruppe, also ein zweites Verb im Satzbauplan verlangen.

So ist es präziser formuliert! Sorry!

Wolfgang

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Hallo, Jens!

Nochmals zu Deiner Frage nach der Konstruktion von „lassen“ im Perfekt. Auch wenn mir die Unterscheidung von Fritz Ruppricht - abgesehen von seiner problematischen Verwendung des Begriffs „Modalverb“ - zunächst nachvollziehbar erscheint, wird sie heute offensichtlich tendenziell aufgelöst, und im Einzelnen sind die Verhältnisse komplizierter. Das Beispiel „fallen (ge)lassen“ geht schon in diese Richtung. Im Folgenden orientiere ich mich an DUDEN, Richtiges und gutes Deutsch, in der Auflage von 2001:

Das Verb „lassen“ in den Bedeutungen „nicht hindern, zulassen, veranlassen“ bildet das Partizip II überwiegend wie den Infinitiv, wenn ihm der reine Infinitiv vorangeht:

„Ich habe ihn laufen lassen.“ " Wir haben den Verunglückten liegen lassen."

Heute aber auch - zumeist bei übertragener Bedeutung:

„Sie hat das Buch liegen gelassen.“ „Der Minister hat seine Frau fallen gelassen.“

Tritt noch ein Modalverb hinzu, ist „gelassen“ nicht möglich:

„Ich habe ihn laufen lassen müssen.“

Im Passiv und und im seltenen Infinitiv des Perfekts steht „gelassen“:

„Das Buch wurde von ihr liegen gelassen.“
„Sie will ihn das Innere der Kirche nicht betreten gelassen haben.“

Man kann also nicht gerade behaupten, dass Du eine dumme Frage gestellt hast … :smile:

Gruß, Wolfgang

„hören“ ist ein Verb der sinnlichen Wahrnehmung wie „sehen“
auch. Diese werden wie Modalverben konstuiert, also:

Das habe ich kommen sehen.
Ich habe ihn schreien hören.

Vielen Dank allen für all die hilfreichen Antworten. Ich habe selbst eine DUDEN-Ausgabe auf CD-ROM und darin eben entdeckt, dass man offenbar sogar bei den Verben der Sinneswahrnehmung das Partizip mit „ge-“ bilden darf (vielleicht analog zu der Aufweichung „lassen/gelassen“?):

ich habe sie davonlaufen sehen/(selten:smile: gesehen

ich habe ihn eben sprechen gehört; ich habe ihn kommen hören/gehört

(aus Duden - Deutsches Universalwörterbuch, 5. Aufl. 2003 CD-ROM)

Jens