Hallo Pflümle!
Ich habe ein ähnliche Erfahrung mit meiner herzkranken Nellie gemacht. Es ging ihr viele Jahre wunderbar, der Kardiologe war ganz begeistert vom Behandlungserfolg. Und dann plötzlich, für mich wie aus heiterem Himmel, sagte er zu mir anlässlich eines Kontrolltermines: „Ich fürchte, sie entgleitet uns - wir treten jetzt in eine dunkle Phase!“ … und nahm zum Abschied meine Hand mit beiden Händen. Er hatte einen Herzbeutelerguss festgestellt. Seine Worte, seine düstere Miene, das Ergreifen meiner Hand, das alles hätte mir ein Zeichen sein sollen.
Ein paar Tage später im Taxi auf dem Weg zum ortsansässigen Tierarzt, der mir das Spritzen zeigen sollte, erlitt Nellie dann vor Aufregung ein Lungenödem. Gott-sei-Dank waren wir noch rechtzeitig da und die Entwässerungsspritze half Nellie. Der Tierarzt meinte aber, ich sollte mir überlegen, für wen ich das alles tue, für mich oder die Katze. Ich solle genau hingucken, ob Nellie noch die gleiche sei. Und das es aus seiner Erfahrung heraus nichts mehr werden würde nach einem Lungenödem.
Auf meine Nachfrage beim Kardiologen, ob er das genauso sähe, meinte dieser wiederum: „Der Kollege weiß gar nicht, welchen langen Weg Sie schon genommen haben. Genießen Sie die letzten Tage, Wochen, Monate, die Ihnen noch bleiben mit Nellie. Wenn sie erstmal im Garten ist, kriegen Sie sie nicht wieder.“
Ich habe mich dann letzterer Meinung angeschlossen, natürlich, wie mir heute klar ist, nicht, weil es vernünftiger war, sondern weil ich mich einfach nicht trennen konnte.
Nun hat Nellie zwar im Vorfeld nicht so gelitten wie Deine Moni, mir war aber durch den Allgemein-Tierarzt eindeutig mitgeteilt worden, dass ein Tod durch Ersticken entsetzlich grausam werden würde. Dennoch habe ich diese Möglichkeit ausgeblendet.
Ein paar Monate später ist es dann passiert. Nellie erlitt ausgerechnet Samstag abend ein weiteres Lungenödem. Ausgelöst durch meinen bekloppten Versuch, meine Wohungskatze auf ihre letzten Tage noch in den rückwärtigen Gemeinschaftsgarten zu führen. Mein Anruf beim Notarzt - „Nein, keine Hausbesuche, Sie müssen schon herkommen.“ Sofort mit dem Taxi durch die Stadt, die Notarztpraxis lag genialerweise ganz außen am Stadtrand, 30 Minuten Fahrtzeit. Während der ganzen Zeit konnte ich Nellies qualvoll rasselnden Atem hören.
Die Tierärztin gab Nellie eine Entwässerungsspritze, nur dass diese diesmal nichts half. Nellie guckte mich an und gab einen ganz kläglichen Laut von sich. Ich glaube, sie hatte Todesangst. Ihre Nase und Zunge sind komplett schwarz - nicht blau - angelaufen, sie hat sich gute 5 - 10 Minuten lang nur noch in ihrem Korb hin- und hergeworfen, zwischendrin immer wieder aufgebäumt. Ich bat die Tierärztin, Nellie zu erlösen, aber das hat nicht mehr geklappt. Die Ärztin hat sich wohl nicht mehr an meine Katze herangetraut, die mit allem und sich selbst im Kampf lag.
Zwischendrin lag Nellie kurz wieder fast ruhig da, dann ging es wieder los. Als sie plötzlich ruhig liegen blieb, hat die Ärztin das Herz abgehorcht, mich angeguckt und den Kopf geschüttelt.
Das rasselnde Atmen begann um 18.30 Uhr, um 19.15 Uhr war Nellie tot. Sie ist 45 Minuten lang gestorben, davon lag sie etwa 15 Minuten im finalen Todeskampf. Ich habe so etwas noch nie zuvor gesehen und möchte es auch nicht wieder!
Ich habe danach totalen Selbsthass gehabt und wäre am liebsten auch gegangen, nicht nur so dahingesagt. Aber da war ja noch meine andere Katze, für die ich verantwortlich war; ich konnte also nicht gehen oder mich einfach vergraben. „Bestraft“ habe ich mich u. a., indem ich mir den folgenden Monat jegliche Nahrung außer Wasser verboten habe. Das ist zwar keine richtige Strafe, aber hat mir irgendwie in meiner Trauer geholfen.
Geholfen hat mir auch, dass Nellie so ziemlich die schönste Beerdigung hatte, die ich mir vorstellen kann. Und dass sie im Tode so friedlich aussah. Sie ist mit offenen Augen gestorben, als ich sie am nächsten Tag betten wollte, hatte sie aber selber ihre Augen geschlossen. Von ihrem fürchterlichen Kampf war nichts mehr zu sehen, außer dass sie auch 24 Stunden später noch aus Nase und Mund wässerte.
Das ganze ist jetzt vorgestern genau 4 Jahre her gewesen und es ist immer noch sehr bitter. Ich sehe immer noch meine Fehlentscheidung und dass Nellie für meinen Fehler leiden musste. Es tut mir immer noch entsetzlich leid. Mit Abstand kann ich aber sehen, dass ich Nellie wirklich liebte und nur das beste für sie wollte. Mein Fehler war nicht mutwillig und nicht bösartig motiviert.
Traurig, aber wahr, ich kann noch nicht mal mit Gewissheit sagen, dass ich einen solchen Fehler nicht wiederholen würde. Das nächste Mal ist es vielleicht eine andere Krankheit, die in einem anderen Gewand daher kommt. Werde ich die Zeichen erkennen und deuten können? Werde ich mich rechtzeitig richtig entscheiden können?
Ich denke, es gibt Menschen (zu denen vermutlich Du und ich gehören), die es nie richtig machen können, zumindest nicht in den eigenen Augen. Du hast Deine Moni nicht rechtzeitig eingeschläfert und das war ein Fehler, wie wir jetzt wissen. Hättest Du sie aber rechtzeitig eingeschläfert, wüsstest Du das jetzt nicht mit gleicher Sicherheit. Du würdest Dich daher noch in Jahren fragen, ob Du nicht übereilt gehandelt und damit zur Richterin über Leben und Tod geworden bist. Ob Deiner Moni nicht noch viele schöne Tage/Monate gewährt gewesen wären, die Du ihr einfach so genommen hast.
Du wirst Deine Moni sicher nie vergessen und auch immer die letzten Bilder in Dir tragen. Die Traurigkeit und der Selbsthass werden Dich noch lange begleiten, aber glaube mir, es wird mit der Zeit einfacher. Und dem Selbsthass weicht vielleicht irgendwann das Selbstverzeihen, weil Du es wirklich nicht böse meintest. Im Grunde warst Du von Beginn an zum Scheitern verurteilt, so ein kleiner Wurm mit so einer heimtückischen Krankheit …
Ich hoffe, Du verzeihst Dir irgendwann und bist dann in der Lage, Dir ein weiteres Kätzchen anzuschaffen, mit dem Du eine schöne gemeinsame Zeit ohne all diese Sorgen und Vorwürfe haben darfst.
Alles Liebe,
Jacqueline