Hallo R,
ich habe die „alte“ Diskussion schon interessiert mitgelesen und frage mich jetzt bei den beiden Themen „Schlafzimmernutzung“ bei ihr und „Kleiderschrankzugang“ bei Dir, was die „Schnittmenge“ bzw. der Vergleichspunkt ist:
Mir scheint es dabei um etwas zu gehen, das man früher „Intimsphäre“ nannte, und bei der Erwähnung dieses Ausdrucks fällt mir auf, dass er aus dem heutigen Sprachgebrauch verschwunden ist - ähnlich wie die Formulierung, die ich früher oft gehört habe: „Das gehört sich nicht“ oder „das tut man nicht“.
Ich kenne noch das gelegentlich verwendete Wort „Privatsphäre“, und auch die scheint zunehmend zu verschwinden bzw. sich zu verschieben. Das alles ist keine Bewertung, ob das gut oder schlecht ist, sondern erst einmal nur eine Beobachtung. Ich denke nur daran, was ich an Inhalten von Handytelefonaten im öffentlichen Raum mithöre. Das sind oft Inhalte, die früher (in meiner Kindheit, in der es noch kein Handy gab und es eine Neuerung darstellte, als es zum Telefon mit der Wählscheibe eine 10-Meter-Schnur gab) bestenfalls - wenn überhaupt - hinter verschlossener Tür angesprochen worden wären.
Wie wir unsere persönliche Sphäre definieren und wie wir in unterschiedlichen Situationen mit Nähe bzw. Distanz umgehen ist einerseits sehr persönlich und andererseits auch durch kulturelle Muster geprägt. Hier bei uns gilt ein bestimmter Abstand gegenüber Fremden als höflich, wenn man sich nicht gerade im Aufzug zusammendrängeln muß. Wir erkennen an einem bestimmten Abstand, welcher Art von Beziehung andere Menschen haben. Wenn nun andere aus anderen (kurlturellen) Prägungen diese Distanzen unterschreiten, dann verursacht das zumindest Unbehagen (z.B. fremde Männer aus „orientalischen“ Ländern, die einem körperlich sehr nah kommen, was hier dann als „zu nah“ und „unangemessen“ gesehen wird, in deren kulturellen Kontext aber - zumindest unter Männern - durchaus angemessen ist.
Auf diesem Hintergrund, daß Menschen ganz unterschiedlich mit den verschiedenen persönlichen Bereichen und wem sie dazu Zugang geben, bzw. wem sie die überlassen und wie sie mit diesen „Räumen“ umgehen, kann - wie an Deinem Beispiel zu sehen ist - äußerst unterschiedlich sein.
Einen Umgang damit kann man meiner Ansicht nach nur finden, wenn man das ganze nicht von einer „moralischen Warte“ aus sieht (darf man / darf man nicht oder: Wie kann sie / er nur, das ist doch unmöglich), sondern wenn man darüber ins Gespräch kommen kann und zu Regeln finden kann, mit denen alle leben können. Voraussetzung dafür ist, daß man offen darüber reden kann ohne verurteilt zu werden, wie man bestimmte Verhaltensweisen erlebt und wie das für einen ist.
Deine Freundin scheint kein Problem damit zu haben ihren persönlichen Raum des Schlafzimmers auf ihre Tochter und auch noch auf Deinen Freund zu erweitern und diese in diesen „Raum“ hineinzulassen.
Gleichzeitig scheint sie Deinen Kleiderschrank als so persönlichen Raum wahrzunehmen, daß sie die Tätigkeit der Wäscheablage Deiner Putzfee dort als „Eindringen“ in einen persönlichen Raum, vielleicht sogar als Verletzung der Intimsphäre wahrnimmt.
Überlege, wie Du mit ihr und teilweise auch den anderen Familienmitgliedern darüber ins Gespräch kommen kannst, z.B. was ist für Dich der Unterschied, wenn ihre Tochter mit dem Freund im Schlafzimmer schläft, wo Du - so verstehe ich Dein Ursprungsposting - das als Euren alleinigen intimen Raum haben möchtest und was wäre für Dich anders, wenn die Tochter mit dem Freund im Wohnzimmer auf der dortigen Couch Sex haben. Ich denke nicht, daß diese Fragestellung gleich eine gute Einstiegsdiskussion ist, sondern nur für Dich erst einmal zum Sortieren.
Vielleicht wäre diese Frage auch gut aufgehoben in einer Partnerschafts- bzw. Familienberatungsstelle, nicht weil ich denke, daß irgendjemand von Euch „ein Rad ab hat“, sondern, weil das ganz sensible Themen sind, bei denen auch ein gewisses Verletzungspotential da ist. Da könnte ein Berater als Person von außen hilfreich sein, die auch darauf achtet, daß bestimmte Gesprächsregeln eingehalten werden.
Wenn man längerfristig an einer Partnerschaft interessiert ist, geht es wahrscheinlich nicht ohne eine Klärung in diesen sehr fundamentalen Fragen, sonst reibt Ihr Euch vermutlich bei Eurer Unterschiedlichkeit auf an den bereits sichtbaren und anderen potentiellen „Raum-Konflikten“.
Allen Beteiligten alles Gute und daß Ihr zu einer guten Form des darüber miteinander Sprechens findet wünscht
Iris