Disbelivers of all countries, unite!
Technische Vorbemerkung für die MOD:
Ich habe mir den Text zu Gemüte geführt. Er manövriert interdisziplinär und meine Besprechung tut das auch. Es kommen Religion, Philosophie, Sprache, Geschichte und Politik vor; das ganze zielt aber im Kern auf unsere weiteren außenpolitischen Geschicke ab. Es geht immerhin um eine raffiniert „bedingte Kriegserklärung“ Deswegen finde ich das in Ordnung, ihn hier bei der Außenpolitik zu diskutieren.
Vorbemerkung Ende.
Beitragsanfang:
Zu der Frage, ob er echt ist, reicht mir die Auskunft, dass er unter Islamisten in UK anerkannt zirkulieren soll. Wenn er also eine Fälschung wäre, dann würde das nichts daran ändern, dass er offenbart, was als „antiwestlicher Gegenentwurf“ wohl in manchen Kreisen gerne vernommen wird.
Folgende Fundstelle hatte Raimund angegeben
http://www.observer.co.uk/worldview/story/0%2C11581%……
Google weist als „Originalfundstellen“ u.a. noch aus:
http://www.waaqiah.com/letterbinladen.htm
http://www.buzzle.com/editorials/11-24-2002-30919.asp
Der „archimedische Punkt“ der ganzen Argumentation ist ein hochbrisanter religiös-theologischer Angelpunkt.
Er argumentiert, ich glaube man nennt das: „inklusivistisch*“. Er deklamiert einfach, das gesamte Torah- und Bibelpersonal rückwirkend in sein Glaubensverständnis mit einzuschliessen und sagt dann folgendes:
(man müsste natürlich das arabische Original, Sprach- und Religionsexperten zur Übersetzung haben; aber ich nehme mir mal diesen Text vor, weil er ja auch auf englisch unter nichtarabischsprachigen Lesern wohl Wirkung tut, oder tun soll)
If the followers of Moses have been promised a right to Palestine in the Torah, then the Muslims are the most worthy nation of this.
Vorsichtig übersetzt hieße das etwa folgendes:
"Soweit es in der Torah ein Versprechen auf das Recht an Palästina zugunsten der Anhänger des Moses gibt, so sind die Moslems die Nation, die dessen am meisten würdig ist.“
Mit this=dessen kann sprachlich sowohl das Versprechen als auch das Recht auf Palästina gemeint sein.
Das wirft zunächst einmal ein gewisses Rätsel auf, was wie folgt vertiefend erhellt, bzw. erhellend vertieft wird:
When the Muslims conquered Palestine and drove out the Romans, Palestine and Jerusalem returned to Islam, the religion of all the Prophets peace be upon them.
„Mit der Vertreibung der Römer (der Byzantiner, so viel Zeit müsste sein, Herr bL) und der Eroberung Palästinas durch die Moslems, kehrten (und jetzt kommts!) Palästina und Jerusalem ZURÜCK zum Islam; der Religion aller Propheten; Friede sei mit ihnen.“
Herzlichen Glückwunsch an alle Propheten! bL rückdatiert einfach die Vertragsfähigkeit „der Moslems“ mit „Gott“ in die Zeiten der Torah und hat im übrigen nichts gegen einen Torah-Gott, wenn er „Mosesanhängern“ halt mal ne Länderei verspricht. Dieser Teppichflug gegen den Zeitpfeil ist nicht ganz frei von einem gewissen souverän-gespenstischen Charme. Auto-Apotheose en miniature. (=Selbstvergöttlichung)
Wie mag das wohl in der „Zielgruppe“ 'rüberkommen? Weis da wer was?
Konsequent gehts weiter:
Therefore, the call to a historical right to Palestine cannot be raised against the Islamic Ummah that believes in all the Prophets of Allah (peace and blessings be upon them) - and we make no distinction between them.
„Somit kann der Anspruch auf ein historisches Recht an Palästina unmöglich gegen die Islamische Gemeinschaft gerichtet erhoben werden, welche an alle Propheten Gottes glaubt (Frieden und Segen sei mit ihnen) – und unter welchen wir keinerlei Abstufungen machen.“
Der Trick beim Inklusivismus besteht darin, den anderen zu leugnen: Juden? Das waren die Mosesanhänger und das waren quasi schon „wir“. Die Römer- und Byzantinerzeit war demnach ein Interregnum der Leugner Allahs in einem Land, das Gott, laut Torah, den Mosesanhängern versprochen hat, also „uns, den Moslems“. Als vorrömische Mosesanhänger haben „wir“ eine „Bataille verloren“, aber dann kamen „wir“ ca. 550 Jahre später als „muslimisch erneuerte Mosesanhänger“ wieder, verjagten die heidnischen Poytheisten (Vielgöttereianhänger) und nahmen die Region wieder in Besitz für einen propheten-toleraten und -pluralen Monotheismus sozusagen. Und Monotheismus finden wir doch alle fortschrittlich und Toleranz ist doch genau das, was ihr immer von uns und wir alle mehr wollen.
Es hat System, und das nicht dumm.
Und insoweit es da Palästina betreffend in einer gerne auch heiligen Vorläuferschrift des Korans etwas besonderes gab, ein Versprechen oder so etwas, ist das mit der moslemischen Eroberung Palästinas jedenfalls angegolten. Geniale Chutzpe, finde ich. Das gehört allen Antisemiten wirklich ins Stammbuch geschrieben: Nicht nur Juden haben Chutzpe. Auch Herr bL. z.B. Aber der meint ja auch, er sei eigentlich selbst einer, nur jene aber nicht wirklich …
Da lohnt es sich, sich einmal hineinzuversetzen. Dieses Verständnis verneinet einfach den historischen Fortexistenzanspruch des Judentums als sozusagen „potentielle Nation“ in der Diaspora vor 1948 und stellt bei der Ankunft von jüdischen Palästinaeinwanderern dem britischen Mandatsherren (und heute den Amerikanern und dem Westen überhaupt) ganz naiv die Frage, um was für Leute es sich denn bei diesen Herrschaften eigentlich handelt. Eine Frage, die ich auch brillant formuliert fände und die mich brennend interessieren würde, wenn ich ein Palästinenser wäre, der gerade 1948 von ein paar Europäern mit Davidstern und Sten-Gun die Bude abgefackelt bekommen hätte.
Sicher, man kann sagen, dass das auch eine arg gekünstelte Befremdnis ist, die da ein Milliardärsspross den Erniedrigten und Beleidigten „poströmischen“ Mosesanhängern zur Interpretation des Anblicks „heimgekehrter“ „vorrömischer Mosesanhänger“ anempfiehlt. Andererseits würde ich das aber auch nicht unterschätzen. Für arme, ungebildete, verjagte und seit Generationen von „unbegriffenen Geschicken“ geschurigelte Menschen ist das vielleicht genau der Crack-Kick unter all dem frommen Volksopium, was da so im Angebot ist, dem tragischerweise gerade die „Fittesten“ (und jedenfalls ja nicht die Blödesten) bei allerbestem Gewissen in den schlimmsten frommsten Terror treibt.
Diese „inklusivistische Perspektive“, wonach man als Moslem, „selbst gemäß Torah“ jedenfalls „nichts unrechtes tut“ wenn man um Palästina kämpft, und dass das Torah-Gebot, auf das sich „die Einwanderer“ da beziehen, nur ein Vorwand sein kann, weil man es ja schon selbst längst erfüllt hat, als ein ja auch mosesverehrender Moslem eben, sollten wir, glaube ich, besser nicht unterschätzen. Das „hat was“ für suchend Verzweifelte; etwas ganz „freundlich unsektiererisch“ daher kommendes, das dem „anderen“ wegen seines anders seins, ganz beiläufig das Stigma überzustülpen sucht, vielleicht ein Störenfried zu sein; wenn er sich „inklusive“ der Ummah nicht wohl zu fühlen vermag.
Er ruft uns sehr ernst alle zu Islam und Shariah herbei, gleichsam wie die Spanier zum Christentum die menschenopfernden Azteken, als dringendster Bedarf an monotheistischen Leidenschaftsbegradigungen sie zu plagen schien, und versichert, der Islam „besiegele“ (to seal) alle Vorgängerreligionen bestens und alle Propheten wären in der Ummah auch ganz wunderbar, abseits aller Streitgründe aufgehoben.
Er legt wert auf die Feststellung, dass es ihm wirklich leid tut, uns sagen zu müssen, dass wir das letzte seien, was die Geschichte bisher hervorgebracht hat: Vorehelicher und schwuler Sex, Prostitution und Präsidiale Unzucht im ovalen Dienstgemach, Wuchergeschäfte, Kursluftblasenökonomien, Überschuldung, globalisierte Zinsknechtschaft sowie die Herabwürdigung von Frauen zu Dienstleistungen, die der Absatzförderung oder Geschäftsanbahnung dienten (also überhaupt Frauen im Job sind sein Problem) und dann noch die Nichtunterzeichnung des Kyoto-Protokolls durch die USA, seien die Makel von Abstieg und Verfall, mit denen wir geschlagen sind.
Was bei all dem Elend überhaupt für den Islam spricht? Na, dass er nie verfälscht wurde. Er ist das update seiner Vorversionen Christentum und Judentum und an dem update ist selbstredend nichts mehr geändert worden. Der Islam selbst war eine damals fällige und zugleich aber letzte Nachkorrektur des Monotheismus und die Korrektur wird selbst nicht noch mal korrigiert. Gott hat uns geschaffen und nach ein paar Missverständnissen und Nullnummern uns mit dem Islam diejenige Ordnung offenbaren lassen, die bis zum jüngsten Gericht einfach halten muss. Wer mehr Moderne produziert, als im Koran vor-designet ist, ist selber schuld und ein ganz übler Frevler.
Die westlich-weltlichen „Reformationseinfälle“ sind durchweg sündig, kaputt und verlogen. Menschenrechte, Vertragstreue, Narren- und Meinungsfreiheit gibt es nur auf dem Papier und im Leben nur für ergebene Vasallen und nützliche Idioten, die z.B. bereit sind, Öl für Spottpreise zu verschleudern.
(Soll er doch froh sein, dass überhaupt jemand sündigen mag, sonst könnte doch kein Schwein der Gegend soviel Öl überhaupt abkaufen wollen, wenn wir alle bloß als fromm bescheidene Fellachen unserer Wege schlurfen würden anstatt wie bekloppt öldurstig über Autobahnen und dgl. zu rasen …)
Jedenfalls bedrängen marodierende Kreuzritter und gierige Zionisten-Spekulanten von überall her (Tschetschenien, Kaschmir, Philippinen, Irak, Palästina…) das fromme Volk der Moslems und malträtieren und massakrieren es ungehemmt und ungeniert., wo es doch bloß in schwerer Zeit unter der Schariah Zuflucht nehmen will. (Einschlägig analoge Kirchenlieder fallen mir wieder ein, grusel, grusel…)
Da muss es sich natürlich wehren und es schlägt zurück mit seinen Märtyrern an der Spitze, wozu es dank einschlägig vorsorglicher Koranhandreichungen auch spirituell großzügig gewappnet ist. (Bitte selbst nachlesen, den Horror)
Und dann kommt noch eine geniale Argumentationsfigur: Von wegen ziviler Opfer; da sagt er; Amerika ist doch ein freies Land; da hat also das Volk die Übeltäter frei gewählt; also muss auch auf die Wähler so eingewirkt werden, das sie es sich das nächste Mal besser überlegen. Er meint also, bevor es zivile Opfer gab, gab es zivile Täter und denen bombt man jetzt ins Gewissen und verspricht natürlich, dabei den längeren Atem zu haben, nur Allah zu fürchten und bei tätiger Einsicht auch sofort aufzuhören…
Mit dem Text wendet sich bL an die amerikanische Öffentlichkeit und interveniert in deren Diskussion mit der Bitte um eine angemessen entgegenkommende Antwort auf einen 7 Punktekatalog; andernfalls gebe es richtig Krieg mit niemandem geringerem als der
„Nation of Monotheism, that puts complete trust on Allah and fears none other than Him“.
Also ich finde, das klingt nach was Gefährlichem für alle religiös gestörten Menschen und das ist nichts zum unterschätzen. Für all die ökumenischen Selbstquälereien, die ewig nicht von der Stelle kommen wollen, bietet bL seinen weiten spirituellen Mantel einer „kämpfenden Gemeinde“ mit Erlösungsplätzen für alle Prophetenjünger an.
Er wendet sich an die USA. Ich habe hier spontan oft als „wir“ geschrieben, weil ich mich als leidenschaftlicher Sünder und Atheist einfach unbedingt mit angesprochen fühlten möchte. Ist mir noch nie passiert. Spontane Solidarität mit den USA. Hat bL, oder wer immer den Text verzapft hat, geschafft.
Ungläubige aller Länder, vereinigt Euch!
So muss es da wohl lauten, bevor bL noch mehr frommes Volk in den Sack bekommt.
Und einigen meiner Vorredner möchte ich noch zurufen, dass sie es sich vielleicht ein wenig zu leicht machen, wenn sie bloß von „Schuldzuweisungen“ reden, um die es hier ginge; Schuldzuweisungen macht jeder; es geht darum, WIE man so etwas aufzieht. Und hier ist es wirklich nicht schlecht aufgezogen worden, wenn man den „Empfängerhorizont“ mitbedenkt, auf den das ganze ja wohl abzielt. Natürlich ist das alles Schwachsinn, was bL da schreibt, aber vor dem Hintergrund desjenigen Schwachsinns der alles so geglaubt wird, klingt es mir nach einem verdammt brisanten Montage.
Thomas, (der Ungläubige)
P.S. Laut Langenscheid heißt „Ungläubiger“ „unbeliever“ bL formuliert wohl einen Zacken schärfer, wenn er „disbeliver“ sagt.
*inklusivistisch heißt nicht nur einfach: Ich habe mehr recht als du, oder überhaupt nur recht, sondern: mein recht haben überwölbt deines; dein Recht steckt in meinem mit drin und ist insofern unselbständig. Eine ganz, ganz üble Masche; reagier ich immer hoch motiviert drauf, wenn ich so was mitkriege. Ist sonst eher so das Ding von Indien-Tibet-Fraktion, wenn sie auf „völlig harmlos“ macht.