Hallo!
„Life sciences“ ist vor allem ein hippes Modewort. Die Übersetzung ist „Lebenswissenschaften“, also die Wissenschaft von der belebten Natur. Herkömmlicherweise ist das nichts anderes als BIOLOGIE.
Wie alles außerhalb der Mathematik sind letzendlich exakte Definitionen nicht möglich und die Grenzen zu anderen Bereichen fließend.
Die Biologie hat sehr viele Teildisziplinen, darunter die genannten
Biochemie
Bioinformatik
Biophysik
Systembiologie
Aber auch Molekularbiologie (-> „molekulare Medizin“ ist nichts anderes als deren Anwendung), Ökologie (-> Anwendung in Umwelttechnik/management und sogar in der Ökonomie), Neurologie und Sinnesphysiologie mit Anwendungsgebieten in der Kybernetik und und und und.
Mit dem Bergiff „Life sciences“ hat man nun versucht, grundlagenorientierte Disziplinen mit anwendungsorientierten Disziplinen zusammenzufassen, meines Erachtens nach, um die Verbindung zwischen (oft abstrakter Grundlagen-) Forschung und deren konkreter Anwendung herauszustellen. Forschung braucht immer mehr einen Anwendungsbezug. Unis sind gezwungen, einen immer größeren Teil ihrer Forschungen durch Drittmittel zu finanzieren, die zum größten Teil - und das ist sogar ausdrücklich gewünscht! - aus der Industrie kommen. Damit sind natürlich anwendungsorientierte Forschungsprojekte im Fokus. Das Thema ist groß, komplex und verstrickt mit einer Vielzahl gesellschaftlicher, politischer und ökonomischer Aspekte. Das soll aber hier nicht Gegenstand sein. Nur um die Tragweite anzureißen, will ich anmerken, dass die berühmte PISA Studie nicht initiiert wurde, um die Güte der Bildungssysteme zu vergleichen und Schwachstellen und Verbesserungsmöglichkeiten zu finden, sondern von industriellen Vertretern dazu, die Bildungssysteme zu kontrollieren und so auszurichten, dass die jungen Menschen möglichst gut für das Berufsleben geeignet sind. Hier steht nicht mehr der Mensch an sich im Vordergrund, sondern die Industrietauglichkeit des Humakapitals. Das ist ein Teilaspekt der Ausrichtung von Bildung (und Forschung!) auf die Anwendbarkeit. Die „Organisation“ vieler Forschungs- und Anwendungs-Disziplinen, die irgendwie was mit der belebten Natur zu tun haben, zu den „Life Sciences“ spiegelt genau diese Bestrebung wieder, auch die Forschung auf die technische/industrielle Anwendbarkeit hin auszurichten. Forschung soll also selbst „industrialisiert“ werden, marktwirtschaftlich orientiert. Forschung muss sich rechtfertigen, unmittelbar „ökonomisch sinnvoll“ und finanzell! gewinnbringend zu sein. Unter dem Schirm der „Life Sciences“ kann nun jede Disziplin einen direkteren Bezug zur ökonomischen Sinnhaftigkeit geltend machen.
Für mich drückt der Begriff „Life Sciences“ aus, dass in den biologischen und anverwandten Fachgebieten nicht mehr aus Neugier geforscht wird, sondern aus vordergründig ökonomischen Interessen. IMHO richtet das letzlich einen großen Gesellschaftlichen Schaden an, weil nicht mehr der reine Erkenntnisgewinn, sondern statdessen der Geldgewinn im Vordergrund steht. Abstrakt gesprochen: solange sich mit global falschen Aussagen lokal Gewinne erziehlen lassen, werden sie die Entdeckung der richtigen Aussagen behindern. Außerdem werden keine Erkenntnisse gewonnen, die Verbesserungen _außerhalb_ der bestehenden ökonomischen und technischen Systeme aufzeigen können. Ich denke auch, dass echte Innovationen innerhalb bestehender Technologien zunehmend verhindert werden, weil es ökonomischer ist, bestehende Technologien zu verfeinern, als wirklich andersartige Technologien zu suchen (da kann keiner sagen, wie lange er braucht; man kann nicht notwendigerweise nach ein bis zwei Jahren tolle Publikationen vorweisen; man kann nicht ausrechnen, welchen Volkswirtschaftlichen Benefit das Ergebnis der Forschungsarbeit haben wird…).
Ok, ok, das wolltest du alles nicht wissen - ich musste das aber mal loswerden. Danke für’s zuhören 
LG
Jochen