Bipolare Störung/Manie

Liebe/-r Experte/-in,
um mein Anliegen zu schildern muss ich etwas weiter ausholen. Ich bin seit etwas über einem Jahr mit meinem Mann verheiratet.Eigentlich war es demnach auch immer klar für uns, das wir zusammen alt werden wollen. Wir haben eine gute Beziehung geführt, d. h. einer konnte sich auf den anderen verlassen, es war das nötige Vertrauen da und auch die Liebe. Eine sehr große Liebe sogar. Wir hatten Zukunftspläne und haben uns darauf gefreut. Als wir uns kennen lernten waren wir beide in schweren Situationen. Er hatte sich gerade von seiner Frau getrennt, ich hatte einen Burn-Out hinter mir. Dazu kamen finanzielle Probleme. Aber das alles haben wir gemeistert und von Anfang an zusammen gehalten. Und so hat sich unser Leben nach und nach positiv entwickelt. Wir beide haben feste Arbeit, auch finanziell geht es uns jetzt gut, jeder ging seinen Hobbys nach und die Zeit die wir zu zweit hatten haben wir genossen. Das letzte Jahr war ziemlich stressig. Viele Termine, viel Arbeit und auch die ein oder andere Unzufriedenheit die das ganze mit sich brachte, klar kam es da auch mal zu Streit oder Kritik. Für mich aber auch ein völig normaler Bestandteil einer Beziehung. An Silvester nach einem Streit eröffnete mir mein Mann plötzlich und völlig überraschend, dass er mich nicht mehr lieben würde. Er hätte keine Gefühle mehr für mich und wolle sich trennen.Er könne mein Leben nicht merh mit tragen. Wir hatten noch harmonisch zusammen Weihnachten gefeiert, ich hatte noch ein tolles Geschenk bekommen und er hatte mir auch vorher jeden Tag noch gesagt, dass er mich liebt, so wie immer.Das einzige was mir die Wochen vorher auffiel war das er sehr abgespannt war, müde und ein stückweit auch etwas gereizt. Was die Wochen danach folgte war der blanke Horror. Ich hatte plötzlich das Gefühl einen völlig fremden Menschen vor mir zuhaben. Er hielt mir meine Schwächen und Fehler vor, z. B. meine Unzufriedenheit und die Kritik an Ihm, mangelnde Sexualität (er hat aber vorher nie darüber gesprochen, ob und was ihn stört), er beleidigte mich, redete schlecht über Familie und Freunde. Pläne die wir einmal zusammen geschmiedet hatten stellte er plötzlich so hin als seien das alles meine Ideen gewesen.Das ich weinte oder verzweifelt war interessierte ihn überhaupt nicht mehr, als wäre er plötzlich gefühlskalt. Früher hätte er alles getan um zu wissen, das es mir wieder gut geht. Er wolle erstmal alleine durchs Leben gehen so sagte er. Wobei sich seine Pläne hier täglich änderten. Erst war es eine eigene Wohnung in der Nähe, dann plötzlich ein neuer Job mit Auslandstätigkeit. Dann hieß es es gäbe keine andere Frau, was sich hinterher aber als Lüge herausstellte. Ich war für einige Tage zu meinen Eltern gezogen um mich der Situatuion zu entziehen und ihm, so sagte er, Zeit zum Nachdenken zu geben. In dieser Zeit lud er die neue Frau in unsere Wohnung ein, sie übernachtete dort. In der Wohnung, wo noch all unsere Erinnerung an die Hochzeit und das gemeinsame Leben stehen. Das so etwas völlig geschmacklos und fehl am Platz ist bekommt er garnicht mehr mit. Auf meine Nachfrage antwortete er nur, er hätte sich darüber keine Gedanken gemacht.Zufällig fand ich durch einen Brief heraus, dass er mit der anderen Frau bereits über eine Zukunft spricht. Darüber sein „altes Leben“ hinter sich zu lassen und für sie alles aufzugeben. Und das wo wir nicht mal 4 Wochen vorher zusammen noch UNSER Leben geführt haben und er mir ja eigentlich gesagt hatte, es gäbe niemand anders und er wolle alleine sein.Als ich ihn damit konfrontierte wurde er sehr ausfällig, gemein und böse mit fast schon einem Hang zur Agressivität.Schlichtweg behandelt er mich als hätte ich Ihm ganz Schlimmes angetan.Ich habe mich dann dazu entschlossen auszuziehen.Um mich selber zu schützen, denn ich merkte langsam, dass mir die Situation seelisch und auch körperlich stark zusetzte. Auch das schien ihn nicht zu interessieren. Eiskalt klärte er mit mir die Formalitäten ab als wäre alles ein Spaziergang und äußerte sich anschließend auf facebook ganz lapidar mit einem Kommentar wie:„So Wohnung leer, naja doofes Ende aber ist halt manchmal so“.Das die ganze Familie sein Verhalten missbilligt, u. a. auch Eltern und Schwiegereltern und drohen den Kontakt abzubrechen ist ihm ebenfalls egal.Er meint er schafft es alleine.Ein weiterer Punkt ist das Lügen. Er erzählt Dinge die sich im Nachhinein als nicht wahr erweisen bzw. vedreht die Dinge so, damit er im guten Licht darsteht (z. B. hätte er die neue Frau erst während unserer Trennungsphase kennengelernt)Er fühlt sich im Recht, ist sich keiner Schuld bewusst. Ich kann mich nur wiederholen, es handelt sich um einen komplett anderen Menschen. Mein Mann war stets zuverlässig, hilfsbereit, liebevoll und fürsorglich. Nie hätte er mir absichtlich Schaden angetan oder mir so zugesetzt. Eine Trennung kann passieren, das ist mir klar. Aber dieses rücksichtslose, gemeine und egoistische Verhalten lässt sich einfach nicht erklären. Daher meine Frage, ob hier evtl. ein Psychologischer Befund d. h. eine bipolare Störung/manische Episode vorliegen könnte? Und was man tun kann als Angehöriger? Denn im Moment während seines „Höhenfluges“ lässt er kein Argument gelten, von niemanden, man kommt nicht an Ihn ran.Ihm geht es ja so gut!Täglich postet er auf Facebook wie gut es ihm geht, was er unternimmt mit der neuen Frau. ich empfinde das natürlich als absolute Demütigung aber auch als Provokation. Was steckt hinter solchem Verhalten? Ich meine, wieso muss er das alles so demonstrativ zur Schau stellen?Ich bin doch nun weg, er hat doch die Ruhe vor mir, nach der er sich sehnte. Da könnte er es doch einfach auf sich bewenden lassen, denn von mir aus geht Momentan kein kontakt zu ihm aus. Wie lange kann eine solche Phase andauern, wenn sie nicht behandelt wird und was kommt danach?Natürliche liebe ich meinen Mann, obwohl mir das durch das Verhalten und durch die Beziehung zu der anderen Frau sehr schwer fällt an ein gutes Ende zu glauben. Zu allererst mache ich mir aber große Sorgen um Ihn. Das er in dieser Phase Entscheidungen trifft die nicht gut für Ihn sind oder das ihm irgendetwas passiert.Ich bin wirklich dankbar für alle Einschätzungen und Informationen, denn die Situation zu verstehen, hilft mir im Moment auch weiter besser damit klar zu kommen.Vielen Dank im Voraus.

Daher meine Frage, ob hier … eine bipolare Störung/manische Episode vorliegen könnte?

Liebe Sandra,
die vergangenen 2 Monate noch einmal so sachlich hier zu schildern, dürfte für Sie nicht einfach gewesen sein.

Ich möchte versuchen, auf Ihre Fragen auch möglichst mit der gebotenen Distanz zu antworten.

Zunächst einmal glaube ich NICHT, dass ihr Mann an einer manischen Phase in einer bipolaren Störung leidet.

Vielleicht hilft Ihnen die Lektüre des Buches: „Ich lieb dich nicht, wenn Du mich liebst“ von C. Phillips und Dean C. Delis hier etwas weiter.

Darüber hinaus möchte ich Ihnen ans Herz legen, eine Psychotherapeutin/ einen Psychotherapeuten am Heimatort aufzusuchen, um dort die massive Kränkung und den Verrat der an Ihnen begangen wurde, emotional aufzuarbeiten.

Hinsichtlich der Prognose ihrer Beziehung möchte ich nicht verheimlichen, dass in den mehr als 30 Jahren meiner Tätigkeit als Psychosomatiker und Paartherapeut nur in ganz wenigen Fällen die Beziehung „gerettet“ werden konnte, wenn die Partnerin oder der Partner den Geliebten, die Geliebte ins eigene Ehebett geholt hat. Selbst bei ausgeprägteren seelischen Störungen sollte der „Anstand“ vorhanden sein, die gemeinsame Intimsphäre zu respektieren.

Vielleicht sollten Sie, falls möglich, auch einmal eruieren, warum sich ihr Mann (wirklich) von seiner vorherigen Frau getrennt hat.

Ich wünsche Ihnen für die kommende Zeit viel Mut und Kraft. Bis jetzt haben Sie es richtig gut gemacht und sich ihre Handlungsfähigkeit erhalten.

Mit freundlichen Grüßen
Ihr
R. Becker

Guten Abend Herr Becker,
zunächst einmal vielen Dank für die Rückmeldung und die Darstellung Ihrer Sichtweise. Eine Frage hätte ich noch dazu: Wie erklärt sich aus psychologischer Sicht diese volkommene Wesensänderung? Wie ich bereits sagte, ist eine Trennung zwar schwer aber kann ja nun doch einmal vorkommen. Was ich nicht verstehe ist die Art und Weise und die Handlungen, die statt gefunden haben. Vielen Dank!

Liebe Sandra,
eine Beziehung betrifft immer ZWEI Menschen, die miteinander (vielfach unbewusste) Reaktionsmuster durchspielen.
Sie haben den Eindruck, dass sich ihr Mann plötzlich verändert hat. (z.B., weil er in eine manische Phase geraten sei oder einen psychotischen Schub oder eine hirnorganische Störung bekommen habe.) Das ist zwar theoretisch denkbar, aber Ihre Schilderungen, eines, das Weihnachtsfest noch liebevoll durchgestaltenden Ehemannes, der dann zum Sylvestertag zum Ekel wird, lässt mich eher vermuten, dass ihr Mann schon längerfristig zweispurig fuhr und, entweder weil ihm die „Neue“ Druck machte oder aber, weil er für sich selbst eine Änderung wollte, die Spur gewechselt hat. Es kommt zum „Ende der Täuschung“, also zur Enttäuschung.

Ich weiß, dass Sie meine Sicht nicht hören wollen, und ich kann auch durchaus falsch liegen, weil ich sie beide ja nie gesehen habe, aber kann es nicht sein, dass etwas in Ihnen sich (noch) vehement wehrt, die Realität zu sehen (und das evtl. schon seit Monaten). Es muss Hinweise gegeben haben. Frauen haben eigentlich einen untrüglichen Instinkt, wenn ihre Männer lügen. Haben Sie Albträume gehabt, gab es körperliche Anzeichen, z.B. plötzliche Panikattacken oder Kreislaufstörungen…
Alles das sind Hinweise, mit denen ihr Unbewußtes sie auf die drohende Katastrophe aufmerksam machen wollte.

Sollte das alles nicht stattgefunden haben und sollte ihr Mann wirklich ernsthaft erkrankt sein, dann dürfte gerade in der manischen Phase kaum ein Zugang möglich sein, denn ihm geht es ja bestens. Die anderen leiden unter ihm. So lange er sich nicht furchtbar daneben benimmt, nackt auf der Arbeit herumläuft, Geld in hohem Bogen aus dem Haus wirft, die Nachbarn mit Schabernack nervt, er sich also selbst- oder fremdgefährdend verhält, kann kein Mensch eingreifen. Ein Zugang ist meistens erst in der depressiven Phase möglich, die garantiert kommen wird, wenn es sich wirklich um eine bipolare Störung handeln sollte.

Ich hoffe, dass sie meine Worte nicht zu sehr irritieren und wiederhole die guten Wünsche der ersten Mail.
Ihr
R. Becker