Hallo,
Die Energie wäre recht einfach zu berechnen (E=mgh), aber wie
sieht es nun mit der Kraft aus?
So einfach ist das hier nicht, weil man eben die Seildehnung berücksichtigen muss. Ein Kletterseil dehnt sich beim Sturz bis zu einem Drittel der Länge und nimmt dabei einen großen Teil der Sturzkraft auf. Je mehr Seil ausgegeben wurde, desto mehr Seil kann sich dehnen und desto größer ist dieser Effekt. Die Kraft die am Ende nachdem sich das Seil komplett gedehnt hat übrig ist, nennt man den Fangstoß. Dies ist die Kraft die auf den Kletterer (bzw auf den an ihm befestigten Karabiner) wirkt und die dich interessiert.
Interessanterweise heben sich dabei höhere Sturzhöhe und größere Seildehnung gegeneinander auf und komischerweise ist deshalb der Fangstoß bei einem 10m Sturz in ein 10m Seil gleich hoch wie der 40m Sturz in ein 40m Seil. Entscheidend ist deshalb nicht die Höhe des Falls allein, sondern der sog. Sturzfaktor. Das ist das Verhältnis von ausgegebenem Seil zur Fallhöhe. Vergleiche z.B mal diese beiden Situationen:
(A) (B)
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##\_O ##\_O
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## | 2m ## |
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## | . ## |
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## | . ## |
## | . ## |
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## | 4m ## |
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## | . ## |
## | . ## |
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In beiden Situationen wurde 6m Seil ausgegeben. In Situation (A) ist aber nach 4m eine Zwischensicherung, d.h. der Kletterer befindet sich 2m über der letzten Sicherung und fällt daher nur 4m herunter (ohne Seildehnung). In Situation (B) fehlt die Zwischensicherung und der Kletterer befindet sich die gesamten 6m über der letzten Sicherung und fällt somit 12m (ohne Seildehnung).
Im Fall A nimmt also die gleiche Menge Seil einen viel kleineren Sturz auf als in Fall B. Der Sturzfaktor bei A beträgt 4m/6m = 0,67 und der Sturzfaktor in Fall B beträgt 12m/6m = 2, was auch der maximale Sturzfaktor ist.
Die Kraft auf den Karabiner hängt also von diesem Sturzfaktor und zusätzlich natürlich noch von der Masse des Kletteres ab (ein schwerer Kletterer hat logischerweise mehr Masse die zu bremsen ist). Auf Kletterseilen ist daher immer der maximale Fangstoß verzeichnet, den ein Kletterer im Falle eines Sturzes mit dem Seil hat. Dieser Wert entspricht einem sog. Normsturz, d.h. maximaler Sturzfaktor bei 80kg Gewicht. Maximal darf ein Seil dabei einen Fangstoß von 12kN haben, sonst bekommt es keine Zulassung. Üblicherweise bewegt sich der Wert bei heutigen Seilen aber deutlich unter diesem Grenzwert liegt meist irgendwo zwischen 6kN und 10kN.
Das wäre also in etwa die Kraft die maximal auf einen am Kletterer befestigten Karabiner wirken kann. Wird das Seil durch eine Zwischensicherung umgelenkt, dann wirkt auf diesen Karabiner aber die doppelte Kraft, da an ihm ja der fallende Kletterer und das Gegengewicht (der sichernde Kletterer) zerrt. Hier können also Werte zwischen 6 und 20kN theoretisch erreicht werden, in der Praxis liegen die Werte aber deutlich niedriger, da noch eine ganze Reihe von Faktoren dazukommt (Seilreibung am Fels, dynamische Sicherung, usw)
Brechen können Karabiner daher in Längsbelastung beim Klettern praktisch nicht, denn da wären normal mehr als 20kN nötig. Und auch bei Querbelastung ist ein Bruch extrem selten bis fast ausschließbar, weil insbesondere durch eine dynamische Sicherung der maximale Fangstoß selbst in der Zwischensicherung auf etwa 7 kN begrenzt wird und das halten praktisch alle Karabiner in jeder Richtung aus.
Eine gute Lektüre wenn dich das mehr interessiert ist dieser Artikel „Energie ist Kraft mal Weg, Sicherungstheoretische Grundlagen, Teil 2“ aus der Zeitschrift Bergundsteigen. Kannst du hier runterladen:
http://www.bergundsteigen.at/file.php/archiv/2000/4/…
vg,
d.