Bis zu welcher Höhe hält Kletterkarabiner bei

… freiem Fall?

Hallo,
hab gerade mal wieder meinen Karabiner in der hand gehabt und aus langeweile gleich mal gefragt, wie bis zu welcher Sturzhöhe er halten würde.
Die Energie wäre recht einfach zu berechnen (E=mgh), aber wie sieht es nun mit der Kraft aus?

Der Karabiner hält laut Angabe langs 25kN und quer 9kN aus. Ab welcher Fallhöher wird der Wert nun bei einer bestimmten Körpermasse m überschritten? Die Seildehnung muss man ja sicher auch ncoh einberechnen?!

Wäre sehr dankbar für konstruktive Tipps.

Stefan

Hi…

hab gerade mal wieder meinen Karabiner in der hand gehabt und
aus langeweile gleich mal gefragt, wie bis zu welcher
Sturzhöhe er halten würde.

Der Karabiner hält laut Angabe langs 25kN und quer 9kN aus. Ab
welcher Fallhöher wird der Wert nun bei einer bestimmten
Körpermasse m überschritten? Die Seildehnung muss man ja
sicher auch ncoh einberechnen?!

Genau. Das führt zum auf den ersten Blick paradoxen Ergebnis, daß die Kraft in der bergsteigerischen Praxis von der Fallhöhe unabhängig ist. Um tiefer fallen zu können, muß man mehr Seil haben. Ein längeres Seil dehnt sich aber stärker, so daß die Bremskraft wieder geringer wird.

Unter http://de.wikipedia.org/wiki/Fangsto%C3%9F#Physikali… gibt es eine Herleitung dazu.

Nehmen wir den absolut ungünstigsten Fall: Ein Seil mit geringer Dehnbarkeit (nach dort angegebenem Wert) ist starr befestigt und wird ganz knapp oberhalb des Festpunktes in Deinem Karabiner umgelenkt, der Kletterer steigt die volle Seillänge vor und stürzt dann am Stand vorbei ins Seil.

Das ergibt bei einem Gewicht von 80 kg eine Kraft am Haken von 24,99 kN.
Macht aber nichts, denn die starre Befestigung liegt ja direkt unter dem Karabiner und wird nur mit der Hälfte der Kraft belastet, was sie (hoffentlich) leicht aushält.
Wird der Karabiner weiter entfernt vom Stand und/oder nicht genau senkrecht darüber gesetzt, reduziert sich die wirkende Kraft.

genumi

Hallo!

Ist ja interessant. Da möchte ich mich gleich mit einer Frage anschließen: Was ist den eigentlich das schwächste Glied: Das Seil, der Karabiner, der Haken oder der Fels? Ich würde vermuten: Fast immer der Fels. Damit meine ich: Bevor von den Geräten irgendwas bricht, reißt es den Haken aus dem Fels. Irre ich mich da?

Michael

Moin,
das dürfte fast unmöglich zu beantworten sein. Was für Gestein? Wie sehr verwittert? Wie geklüftet? Wie lang ist der Haken? Wie befestigt? Welche Knoten im Seil? etc…

OT Karabiner HAKEN
owt

Hi,

bei Karabinern, sowie bei vielen anderen Sachen aus Metall, gibt es eine Sicherheitszahl. Ein Flugzeug hat z.B. die Sicherheitszahl von rund 2, ein Kran oder Aufzug von ca. 10. Das heißt, es könnte um das doppelte oder sogar bis zum 10fachen der angegebenen Werte überschritten werden, bis das Material technisch kaputt ist(wenn es eben sich soweit dehnt, bis es sich nicht mehr in seine ursprüngliche Form zurück zieht(auch Re genannt)).

Welche Sicherheitszahlen KArabiner haben, weiss ich nicht.

Sagen wir, er geht wirklich bei 25kN kaputt:

M*g=F

M=F/g
M=25000N / 9,81m/s²= 2548,41kg

Das heißt, das du bis zu 2,6t dran hängen kannst(ohne Fallhöhe). Nur wie viel das Seil hält, ist eben eine andere Sache.

Ab hier hört gerade mein Wissen auf und die Physiker müssen weiter machen, wie das ist mit dem Fallen und der Kraft ist. Weil wenn die 2,6t aus 10m höhe fallen, haben diese ja eine höhere Energie, als wenn die Masse nur herum hängt.

mfg,

Hanzo

Hallo,

Die Energie wäre recht einfach zu berechnen (E=mgh), aber wie
sieht es nun mit der Kraft aus?

So einfach ist das hier nicht, weil man eben die Seildehnung berücksichtigen muss. Ein Kletterseil dehnt sich beim Sturz bis zu einem Drittel der Länge und nimmt dabei einen großen Teil der Sturzkraft auf. Je mehr Seil ausgegeben wurde, desto mehr Seil kann sich dehnen und desto größer ist dieser Effekt. Die Kraft die am Ende nachdem sich das Seil komplett gedehnt hat übrig ist, nennt man den Fangstoß. Dies ist die Kraft die auf den Kletterer (bzw auf den an ihm befestigten Karabiner) wirkt und die dich interessiert.

Interessanterweise heben sich dabei höhere Sturzhöhe und größere Seildehnung gegeneinander auf und komischerweise ist deshalb der Fangstoß bei einem 10m Sturz in ein 10m Seil gleich hoch wie der 40m Sturz in ein 40m Seil. Entscheidend ist deshalb nicht die Höhe des Falls allein, sondern der sog. Sturzfaktor. Das ist das Verhältnis von ausgegebenem Seil zur Fallhöhe. Vergleiche z.B mal diese beiden Situationen:

 (A) (B)

## ##
##\_O ##\_O
## |\ \_\_\_ ## |\
##/ \| . ##/ \|
## | 2m ## |
## | . ## |
## | . ## |
##---O --- ## |
## | . ## |
## | . ## |
## | . ## |
## | 4m ## |
## | . ## |
## | . ## | 
## | . ## |
## O | . ## O |
##/|\| --- ##/|\| 
##/ \ ##/ \
## ##
## ##
## ##

In beiden Situationen wurde 6m Seil ausgegeben. In Situation (A) ist aber nach 4m eine Zwischensicherung, d.h. der Kletterer befindet sich 2m über der letzten Sicherung und fällt daher nur 4m herunter (ohne Seildehnung). In Situation (B) fehlt die Zwischensicherung und der Kletterer befindet sich die gesamten 6m über der letzten Sicherung und fällt somit 12m (ohne Seildehnung).

Im Fall A nimmt also die gleiche Menge Seil einen viel kleineren Sturz auf als in Fall B. Der Sturzfaktor bei A beträgt 4m/6m = 0,67 und der Sturzfaktor in Fall B beträgt 12m/6m = 2, was auch der maximale Sturzfaktor ist.

Die Kraft auf den Karabiner hängt also von diesem Sturzfaktor und zusätzlich natürlich noch von der Masse des Kletteres ab (ein schwerer Kletterer hat logischerweise mehr Masse die zu bremsen ist). Auf Kletterseilen ist daher immer der maximale Fangstoß verzeichnet, den ein Kletterer im Falle eines Sturzes mit dem Seil hat. Dieser Wert entspricht einem sog. Normsturz, d.h. maximaler Sturzfaktor bei 80kg Gewicht. Maximal darf ein Seil dabei einen Fangstoß von 12kN haben, sonst bekommt es keine Zulassung. Üblicherweise bewegt sich der Wert bei heutigen Seilen aber deutlich unter diesem Grenzwert liegt meist irgendwo zwischen 6kN und 10kN.

Das wäre also in etwa die Kraft die maximal auf einen am Kletterer befestigten Karabiner wirken kann. Wird das Seil durch eine Zwischensicherung umgelenkt, dann wirkt auf diesen Karabiner aber die doppelte Kraft, da an ihm ja der fallende Kletterer und das Gegengewicht (der sichernde Kletterer) zerrt. Hier können also Werte zwischen 6 und 20kN theoretisch erreicht werden, in der Praxis liegen die Werte aber deutlich niedriger, da noch eine ganze Reihe von Faktoren dazukommt (Seilreibung am Fels, dynamische Sicherung, usw)

Brechen können Karabiner daher in Längsbelastung beim Klettern praktisch nicht, denn da wären normal mehr als 20kN nötig. Und auch bei Querbelastung ist ein Bruch extrem selten bis fast ausschließbar, weil insbesondere durch eine dynamische Sicherung der maximale Fangstoß selbst in der Zwischensicherung auf etwa 7 kN begrenzt wird und das halten praktisch alle Karabiner in jeder Richtung aus.

Eine gute Lektüre wenn dich das mehr interessiert ist dieser Artikel „Energie ist Kraft mal Weg, Sicherungstheoretische Grundlagen, Teil 2“ aus der Zeitschrift Bergundsteigen. Kannst du hier runterladen:
http://www.bergundsteigen.at/file.php/archiv/2000/4/…

vg,
d.

Hallo,

bei Karabinern, sowie bei vielen anderen Sachen aus Metall,
gibt es eine Sicherheitszahl.

So etwas gibt es bei Karabinern nicht. Ein Karabiner muss nur die Normprüfung erfüllen um zugelassen zu werden. Der am Karabiner angegebene Wert ist die Bruchkraft, d.h. dass ist der Wert bei dem der Karabiner wirklich gebrochen ist in der Prüfung. Recht viel mehr wird er also auch in der Praxis nicht aushalten.

Das heißt, das du bis zu 2,6t dran hängen kannst(ohne
Fallhöhe). Nur wie viel das Seil hält, ist eben eine andere
Sache.

Das ist auch etwa das, was ein Kletterseil aushält. Aber…

Weil wenn die 2,6t aus 10m höhe fallen, haben diese ja eine
höhere Energie, als wenn die Masse nur herum hängt.

…eben bei statischer Belastung. Bei einem Sturz ist aber der Fangstoß das Problem, und da hält natürlich weder ein Kletterkarabiner noch ein Kletterseil den Sturz eines 2,6 Tonnen Gewichts aus. Die Belastung beim Sturz ist leicht das 10-fache der statischen Gewichtskraft des fraglichen Objektes und dann müsste das Seil oder der Karabiner bei einem 2,6 Tonnen Gewicht ja nicht mehr 25kN sondern 250kN aushalten, was es aber sicher nicht tut. Das muss es aber ja auch nicht, weil soviel auch nicht der schwerste Kletterer inkl Rucksack wiegen wird :wink:

vg,
d.

Hallo,

Ist ja interessant. Da möchte ich mich gleich mit einer Frage
anschließen: Was ist den eigentlich das schwächste Glied: Das
Seil, der Karabiner, der Haken oder der Fels? Ich würde
vermuten: Fast immer der Fels. Damit meine ich: Bevor von den
Geräten irgendwas bricht, reißt es den Haken aus dem Fels.
Irre ich mich da?

Ja, zumindest kann man das so pauschal nicht sagen.
Ein in festem Fels verankerter Bohrhaken hält deutlich mehr aus als der Karabiner oder das Seil. Der DAV-Sicherheitskreis macht dazu z.B. regelmäßig Versuche. So haben Versuche gezeigt dass z.B. in festem Gneis oder Kalk gebohrte Verbundanker teilweise weit mehr als 60kN gehalten haben (bei dieser Grenze wurde der Versuch abgebrochen um das Auszugsgerät nicht zu beschädigen).
Siehe z.B. hier Seite 80:
http://kaernten.bergrettung.at/ortsstelle/ortsstelle…

In schlechtem, brüchigen Fels kann das natürlich anders sein, genauso wie ein alter schon teilweise korrodierter Haken nicht mehr solche Werte erreichen wird. Aber das ein korrekt gesetzter Bohrhaken gebrochen oder ausgebrochen ist, habe ich noch nie gehört. Und an zweifelhaften Standplätzen benutzt man eben mehrere Haken oder selbst geschaffene Fixpunkte (Klemmkeile, Friends etc) und macht eine Ausgleichsverankerung damit sich die Kraft auf mehrere Fixpunkte verteilt.

Seil und Karabiner sind deshalb IMO die größeren Schwachstellen, wobei „groß“ hier relativ ist. Weil selbst bei einem extremen Sturz bei richtiger Sicherung weder das Seil reissen noch der Karabiner brechen sollte. Die Gefahren von Fehlern (durch Unachtmerksamkeit usw) ist hier um ein vielfaches höher. Problematisch für Seile sind im Prinzip nur Stürze über sehr scharfe Kanten und für Karabiner eine Knickbelastung wenn sie auf einer Kante liegen würden. Bei den Seilen gibt es dafür aber die Möglichkeit der Verwendung von Halb- oder Zwilligsseilen (die man im Doppelstrang verwendet und somit einen Seilriss praktisch ausschließen kann) und bei Karabinern kann man eine Knickbelastung durch entsprechende Platzierung des Karabiners vermeiden (z.B. Verlängern mittels Bandschlinge, falls der Karabiner ungünstig liegen sollte).

Insgesamt kann man daher sagen, dass das Material selbst heute so gut wie keine nennenswerten Schwachpunkte mehr hat. Die Schwachpunkte liegen eher auf menschlicher Seite bei einer fehlerhaften Bedienung oder Verwendung des Materials, also z.B. falsch gesetzte Haken, unachtsame Seilführung oder Platzierung der Karabiner, Fehler beim Sichern, Anseilen, usw usf…

vg,
d.

Hallo,
vielen Dank für eure hilfreichen und langen Antworten. Hat mir geholfen :smile:.
Trotzdem irgendwie schade, dass man das nicht so einfach berechnen kann.

Grüße
Stefan